Ich hatte dieses Wochenende das große Glück, bei “The Amazing Meeting” TAM London dabeigewesen zu sein. TAM ist eine Konferenz der James Randi Educational Foundation, die seit einige Jahren traditionell in Las Vegas stattfindet, aber leider im Sommer wo es richtig teuer ist. Dieses Jahr hat die Konferenz sich aber erstmals an einen europäischen Ableger gewagt, aber Glück musste man haben, denn nach 2 Stunden waren alle Tickets ausverkauft. Ich hatte meines nach 1:50 h erworben und bin deswegen dieses Wochenende gemütlich mit dem Zug nach London gefahren und hab mir die umwerfend gute Konferenz ansehen dürfen.
Die Konferenz bot bekannte Sprecher aus Wissenschaft, Wissenschaftsjournalismus, Film&Fernsehen, Skeptizismus und Entertainment auf, die jeweils ungefähr eine Stunde sprachen.
Bereits am Freitag aber startete TAM mit einem “geheimen” Gig von George Hrab in einem kleinen Raum (der mit vielleicht 60 Leuten gefüllt war). Geo hat knapp 1 1/2 Stunden gespielt und erzählt, und Fragen beantwortet die man ihm auf Kärtchen stellen durfte. Ich hab gefragt, wenn er bei Metallica als Drummer einspringen müsste, ob er den dänischen Akzent fälschen könnte. Könnte er – und hat gleich noch Geschichten aus “Some Kind of Monster” erzählt.
Los ging die echte Konferenz dann Samstag früh (!). Der Konferenzort “The Mermaid Centre” war ziemlich gut, die Verpflegung war gut, aber ein sehr großes Manko war dass es sehr wenig Sitzplätze gab! Das hat auch nicht sehr dazu beigetragen, sich unterhalten zu können. Aber da der Ort eigentlich jetzt schon zu klein war (siehe Zeit bis zum Ausverkauf der Tickets), wird der sowieso nicht nochmal gewählt werden.
Die Moderation der Konferenz hatte Richard Wiseman. Und ich muss sagen, der Mann ist unglaublich schlagfertig und witzig, und hat einen großartigen Job gemacht.
Erster Sprecher war der Teilchenphysiker Brian Cox, der für das BBC an verschiedenen Fernsehsendungen mitgearbeitet hat (ja, BBC macht sowas noch gelegentlich). Cox hat in seinem Vortrag einen großen Bogen um “curiosity-driven science” gemacht und sich stark gemacht für Forschung aus Neugier heraus. Er zeigte die berühmten Weltallbilder, wie das Hubble Deep Space Field oder den Pale Blue Dot von Carl Sagan. Dann ging er zum LHC über und hat die wesentlichen Erkenntnisse der Kosmologie und Teilchenphysik erklärt, was der LHC macht, warum er das gerade nicht macht und woran er beteiligt ist (am ATLAS-Detektor). Ein wunderbar runder Vortrag. Bemerkenswert die Zitate, die Physiker der Presse zu den angeblichen Schwarzen Löchern gegeben haben. Selbst wurde, was er gar nicht erwartet hatte, in der Radio Times sein eigenes Zitat gedruckt: “Anyone Who Thinks the LHC Will Destroy the World is a Twat.”
Danach sprach der BBC-Journalist Jon Ronson, der sich in vielen Dokumentationen und Büchern mit spannenden, skurrilen Themen befasst hat. In Videoausschnitten und Anekdoten berichtete er z.B. wie er das Treffen eines Geheimbundes zusammen mit ausgesprochenen Verschwörungstheoretikern infiltrierte. Über das geheime CIA- und Militär-Projekt zur Erkundung paranormaler Fähigkeiten schrieb er das Buch “Men who stare at goats”, das jetzt verfilmt worden ist (mit u.a. George Clooney, Ewan McGregor und Jeff Bridges). Ich kann die Witze gar nicht wiedergeben, aber der Vortrag war klasse.
Etwas ernster wurde es bei Simon Singh, der ja gerade mit dem üblen britischen Libel Law (also Schadensersatzklagen bei Ehrverletzung oder Beleidgung) gegen die Chiropraktiker kämpft. Später bekam Sing den ersten James Randi Award for Outstanding Contribution to Skepticism (UK), und bereits auf dem Weg zum Podium wurde er durch Stehende Ovationen begrüßt. Er gab einen Überblick über seine Bücher (z.B. Fermat’s Letzter Satz), und ging dann intensiv auf den Libel Law-Fall ein. Ich habe hier schon einmal darüber berichtet. Aber ich will es nochmal sagen: Simon Singh hält gerade seinen Arsch für uns in die Schusslinie. Anders kann man es nicht sagen. Das britische Libel Law ist nicht nur völlig verrückt, es bedroht freie Meinungsäußerung sogar außerhalb des UK. Wer es noch nicht getan hat, sollte unbedingt seinen Namen unter die Petiton Keep Libel Laws out of Science setzen und die Aktion z.B. durch verlinken weiter unterstützen. Simon Singh ist ein überwältigend sympathischer Mensch, und das was er durchmacht betrifft uns alle!
Nach dem Mittagessen sprach Ariane Sherine. Die junge Journalistin organisierte die Atheisten-Buskampagne in London. Sie erzählte den Weg von einem ersten Blogeintrag, der plötzlich ein Eigenleben und – mit anfänglichem Stottern – ein lawinenartiges Eigenleben entwickelte. Ariane befand sich plötzlich mitten in einer Riesenaktion, organisierte, wurde von Richard Dawkins angerufen während das Toast in der Küche anbrannte und den Feueralarm auslöste. Jetzt hat sie ein Buch zusammengestellt, das “The Atheists’ Guide to Christmas” heißt und zu dem 44 britische Atheisten Beiträge lieferten.
Heiß erwartet war auch der unglaubliche Ben Goldacre, der in seinem Buch und seinem Blog Bad Science mit Feuer seine Kollegen Wissenschaftsjournalisten angreift, die nachlässig mit Fakten umgehen. In seinem Vortrag zeigte er verschiedene Beispiele für furchtbare Berichterstattung – z.B. wie eine wirklich bedeutende Studie nicht wahrgenommen wurde, während gleichzeitig eine fast manipulierte Studie zu Lebertran durch die Presse getrieben wird wie die Sau durchs Dorf. Goldacre ist eine Nummer für sich – gnadenlos witzig und er kann nicht aufhören zu reden, wenn er mal loslegt. Er sieht sich nichtmal selbst als Skeptiker, er macht einfach seinen Job aus vollem Herzen gerne und gerne richtig. Der Nachwelt überließ er außerdem noch Goldacre’s Law: “There is no proposition so fuckwitted that I cannot find you a person who is a doctor or PhD who will defend it to the death.”
Ja, die Sprache war bei fast allen Vortragenden wenig politisch korrekt 🙂
Nach der Kaffeepause folgte ein Highlight: Eine Videokonferenz mit James Randi. Technisch klappte es tatsächlich (nachdem es am Anfang Probleme gegeben hatte), und “The Amazing Randi” stellte sich den Fragen und unter Beweis, dass er seinen Namen zurecht trägt. Obwohl er 82 ist und nicht nach London reisen konnte, weil er sich gerade in Chemotherapie für eine Krebserkrankung befindet, ist er unglaublich schlagfertig, unzerbrechlich in seiner Haltung und trotz seiner Körpergröße ein überlebensgroßes Vorbild.
Nach der Preisverleihung für Simon Singh ging es abends mit einer Comedy-Show, organisiert von Robin Ince, weiter. Robin Ince hatte einige Bücher dabei, aus denen er (begleitet von Ausdruckstanz, Violine und Opernsängerin), vortrug. Naja, er kam aus Zeitgründen nicht zu allen Büchern. Er war hellauf begeistert, als er ankündigte, auch von Feynman lesen zu wollen und das Publikum jubelte. Ich glaube, er hatte 6 oder 7 Comedians dabei, von denen ich die meisten allerdings eher lauwarm fand. Gut war, dass Ben Goldacre nochmal 10 Minuten erzählen durfte, und richtig begeistert hat mich Baba Brinkman, dessen (kostenloses!) Rap-Album zur Evolution ich schon empfohlen habe.
Großartig war auch noch, als Robin Ince aus einem Buch von Ann Coulter vortrug. Der Ausdruckstänzer (im Kittel mit blutverschmiertem Unterhemd!) und die Sängerin, die dazu improvisieren sollten, gingen irgendwann. Das war zwar ein Effekt, aber sie hatten das schwerst kranke Dummgesabbel von Ann Coulter wohl echt nicht ausgehalten!
Tag zwei begann mit George Hrab, der wieder klasse war und weniger als die Hälfte der Songs und Geschichten vom Freitag-Gig wiederholte. Pflicht waren aber die neuen Songs “When I was your age” und “Far”, der Soundtrack zum “365 days of astronomy”-Podcast. Die Songs sind aber auch wirklich gut, also kein Problem. Highlight war dann, als die bösen Zwillinge das Terzett auf der Bühne komplettierten (Phil Plait und Wiseman sehen sich ziemlich ähnlich, machen da ständig Witze drüber. Und George Hrab ist wie die beiden fast kahl!). Zu Geklampfe von Hrab lasen Plait und Wiseman dann Tweets von Hrab vor. Legendär!
Der nächste Vortrag von Glenn Hill war der einzig nicht überzeugende. Hill trug zuerst die Geschichte seiner Mutter vor. In den 20ern hatte seine Mutter mit ihrer Schwester Fotos geschossen und durch aufgeklebte Bilder den Effekt erzeugt, als sähe man Feen auf den Fotos mit ihnen. Arthur Conan Doyle hatte irgendwie Wind davon bekommen, und die beiden Mädchen waren zu Berühmtheiten geworden, weil viele die Fotos für echt befanden. Schließlich schossen sie ein letztes Foto, das sie verwackelten und behaupteten, die Feen würden ihre Kraft verlieren und verschwinden. Eine nette Geschichte, aber leider nur 20 Minuten interessant. Den Rest des Vortrags trug Hill aus seinem Buch “Religion explained in one hour” vor, und das war leider ausgiebig langweilig – auch wenn ich nichts gegen Religionsbashing habe.
Vor allem weil das ganze Publikum sich nach dem nächsten Vortragenden sehnte: Adam Savage von den Mythbustern war angereist. Der Mann hat einfach den besten Beruf der Welt erwischt (okoko, er ist auch einfach außerordentlich talentiert und gut darin) und berichtete wunderbar davon, wie eine Mythbusters-Folge entsteht. Warum ist Mythbusters so stark? Weil sie den Weg und die wissenschaftliche Methode in den Vordergrund stellen, und kein gutes Skript aufschreiben und dann irgendwie umsetzen. Wie Adam Savage den Weg einer Folge erzählte machte klar: Die arbeiten wirklich an einem Problem, und filmen mit. Die Gedanken, die sie sich dabei machen, sind wie man die besten experimentellen Bedingungen herstellen kann, wie man am besten misst und vergleicht und wie die beste erzählerische Anordnung für die Sendung ist.
Nach dem Mittagessen kam dann das unumstrittene Highlight der Konferenz: Eine Stunde Tim Minchin. Wer den nicht wenigstens von seiner Skeptiker-Hymne “Storm” kennt, sollte genau jetzt zu YouTube wechseln. Minchin ist tatsächlich eine Klasse besser als alle anderen: Tempo, Musikalität, Gesang, Klavierspiel, Mimik, Gestik, Timing, Witz, einfach alles ist großartig und das Publikum tobte und brüllte vor Lachen. Es reichte nur für 4 Songs und das vorgetragene “Storm” – aber ich glaube dass keiner im Publikum nicht restlos begeistert war. Zum Schluss gab es noch eine kurzen Trailer des Animationfilms zu “Storm”, der nächstes Jahr kommen wird. Sah sehr vielversprechend aus.
Die undankbare Aufgabe, nach Minchin den Abschlussvortrag zu liefern fiel dann dem Präsident der JREF, dem unnachahmlichen Bad Astronomer Phil Plait zu. Phil Plait ist der Bilderbuch-Geek und ein hellauf begeisterter Astronom, der in seinem Vortrag auf die Problematik von Meteoriten und Kometen einging, und anhand von “Armageddon” (schleeeeeecht) und “Deep Impact” (recht gut) die Darstellung von Wwissenschaft in Filmen darstellte. Ein sehr unterhaltsamer Vortrag, und am Schluss fand Phil noch ermunternde Worte für die versammelten Skeptiker. Er meinte, er würde oft gefragt ob so eine Konferenz nicht nur Predigen für die Gemeinde sei. Seine Antwort: “Hell Yeah, it’s preaching to the choir!”. Und das sei auch gut so, denn wir, das Publikum, würden den Skeptizismus dann mitnehmen und verbreiten. Die frohe Botschaft, sozusagen.
Verabschiedet wurden wir mit einer Video-Botschaft von Randi.
Zum Schluss noch die Anekdote: Montag hatte ich vor der Abfahrt noch etwas Zeit und habe mir deswegen noch das “Natural History Museum” angesehen. Ich kam rein, hab einen Dino fotografiert und sah dann eine große Darwin-Statue. Also hin, die wollte ich fotografieren. Aber da waren grad ein paar dabei, mit Darwin zu posieren und sich fotografieren zu lassen. Und wie kann es anders sein – sie hatten TAM-Shirts und -Badges…klar!
Kommentare (10)