Man mag es ja kaum glauben, aber da hat die BILD-Zeitung mir doch ein Paper weggeschrieben! Doch, ehrlich. Letzte Woche saß ich im Zug, und hatte in meiner Tasche ein aktuelles Paper aus Nature Photonics (siehe Zitation in der Fußzeile), das ich später noch lesen wollte. Da fiel mein Blick auf den Fahrgast vor mir, der eine Bild-Zeitung in der Hand hielt. Da stand es daumendick als Überschrift am unteren Ende der ersten Seite: “Forscher schießen mit Laser Wolken in den Himmel”. Oder so ähnlich. Die Jungforscherin gleich daneben hatte es vor Freude partiell (und auflagentechnisch günstig) aus den Klamotten gehauen. Aber was ist jetzt dran an dieser Geschichte, ich meine, bei BILD wird ja keiner Nature Photonics-Paper besprechen (oder auch nur lesen)? Können Forscher mit dem Laser Wolken erzeugen?

ResearchBlogging.orgDas Paper stammt von Forschern von Teramobile, einem gemeinsamen Projekt der deutschen und französischen Forschungsgemeinschaft an fünf Unis. Teramobile ist ein mobiler Terawattlaser (wer hätte das erwartet?), der für Untersuchungen der Atmosphäre eingesetzt werden kann. In diesem Paper beschreiben die Forscher kurz die Effekte, die den Einsatz zur Erzeugung von Kondensation in der Höhe möglich machen und klopfen diese Hypothese dann von Kopf bis Fuß ab.

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Bildquelle: Teramobile

Der Laser erzeugt einen ultrakurzen Puls, den man in den Himmel schießt. Der Laser erlebt dann eine Reise durch die Welt nichtlinearer optischer Effekte. Zunächst versorgt man ihn durch eine Methode, die man Chirp nennt. Diese manipuliert den Laserstrahl so, dass er in einer einstellbaren Entfernung erst anfängt, die als nächstes beschriebenen Eigenschaften der Selbst-Fokussierung zu zeigen. So kann man erreichen, dass erst in einigen hundert Metern Höhe Kondensation erzeugt wird.
Und dies wiederum geht so: die Ausbreitung solch hochenergetischer Laserstrahlen ist sehr komplex zu beschreiben. Es gibt dort eine Reihe Effekte die Einfluss nehmen. Eine Klasse dieser Effekt stellt der Kerr-Effekt da; es kommt hier dazu, dass nichtlineare Terme das optische Medium selbst verändern – also in diesem Fall wie die Luft den Laser voranbringt. Hier kommt zunächst der optische Kerr-Effekt zum Tragen, der dafür sorgt dass der Laserstrahl sich selbst fokussiert – also noch stärker wird. Er wird dabei auf seinem Weg Elektronen befreien – und zwar sehr viele. Irgendwann werden es sogar so viele sein (im Bereich von 105-106 pro cm), dass wieder andere optische Effekte greifen, die den Strahl defokussieren. Es wird sich ein Gleichgewicht der Effekte einstellen und über lange Strecken (einige hundert Meter) hinterlässt der Laserstrahl einen feinen Kanal von freien Elektronen – ein kaltes Plasma.
Die genauen chemischen Vorgänge die dann zur Keimbildung führen, die die Kondensation von Wasser ermöglicht, werden im Paper nur angerissen; vor allem weil sie noch nicht eindeutig untersucht sind. Im Paper zeigen die Autoren aber eindrucksvoll, dass das Prinzip funktioniert. Das stellen sie an genau beobachteten Studien in Wolkenkammern und an der Atmosphäre dar.

Und – diese Erklärung ist also der Inhalt des Papers? Nein, eigentlich macht das den kleinsten Teil aus. Hauptsächlich liest sich das Paper wie ein FAQ-Katalog. Man antizipiert die Einwände, die man gegen diese Hypothese (“Laser erzeugt Kondensationskeime”) bringen könnte und untersucht diese wissenschaftlich.
In einer Wolkenkammer kann zunächst untersucht werden, dass diese Kondensation auftritt, und dass sie auch bei leichter Untersättigung, wie sie in der Atmosphäre vorliegen kann, funktioniert. Das kann man eindrucksvoll in diesem Video sehen, das aber ein Experiment bei starker Übersättigung der Wolkenkammer zeigt. Der Laserpuls wird durch die Kammer geschossen, und ein zweiter Laser erleuchtet dann die Kammer, um den Effekt sichtbar zu machen:

Dann wurde der Laser auch in freier Wildbahn getestet. Es konnte so gezeigt werden, dass man auch bei natürlichen Bedingungen, mit turbulenter Atmosphäre, Wind, etc. in der Lage ist den Laser in den Himmel zu schießen. Um das zu vermessen, wurde 1 ms nach dem Laserpuls ein LIDAR-Puls abgeschossen. Haben sich Kondensationskeime gebildet, muss ein Teil dieses Pulses zurückgestreut werden – und das wurde auch klar sichtbar. Ein größerer zeitlicher Abstand des zweiten Pulses wäre wünschenswert gewesen – aber es herrschte starker Wind, der dann quasi die Keime aus dem Messfenster des LIDARs verweht hätte. Auch wenn so nicht die Bildung von Tropfen gezeigt werden konnte, ist eindeutig die Erzeugung von Kondensationskeimen nachgewiesen worden, und auch dass diese durch den Teramobile-Laser erzeugt worden sind.

Und was ist denn jetzt? Wann zaubern wir Regen aus dem Himmel damit? Naja, immer den Ball flach halten. Auch wenn BILD in der Überschrift erstaunlich viel richtig hinbekommen hat, Wolken hat man noch nicht erzeugt. Man hat gezeigt, dass man entlang dünner Kanäle Kondensationskeime bilden kann, was in sich schon eine erstaunliche Technik ist. Aber bis zu Wolken steht doch noch der harte Weg der Skalierung bevor – es braucht viel mehr Keime. Und da sollte man abwarten, ob es möglich wird, diese Methode zu groß zu machen dass man tatsächlich genug Keime erzeugen kann um Regenwolken zu erzeugen.


Rohwetter, P., Kasparian, J., Stelmaszczyk, K., Hao, Z., Henin, S., Lascoux, N., Nakaema, W., Petit, Y., Queißer, M., Salamé, R., Salmon, E., Wöste, L., & Wolf, J. (2010). Laser-induced water condensation in air Nature Photonics DOI: 10.1038/NPHOTON.2010.115

Kommentare (3)

  1. #1 StarWolf
    05/14/2010

    Das Paper haben die bestimmt nicht gelesen, aber vielleicht haben sie auch nur den selben Beitrag im TV gesehen wie ich.

    https://www.n-tv.de/wissen/weltall/Mit-Laser-Troepfchen-erzeugen-article856862.html

  2. #2 MartinB
    05/14/2010

    Spannend. Aber eine Spitzfindigkeit kann ich mir nicht verkneifen:
    “Hier kommt zunächst der optische Kerr-Effekt zum Tragen, der dafür sorgt dass der Laserstrahl sich selbst fokussiert – also noch stärker wird.”
    “Stärker werden” klingt ja danach, als ob er mehr Energie bekommt.
    Ist das ein perpetuum mobile, nimmt der Laser Energie aus der Luft oder meinst du, dass die Intensität steigt, aber der Energiegehalt gleich bleibt?

  3. #3 Jörg
    05/14/2010

    Hm ja das mit dem “stärker” ist unglücklich, ich wollte nur noch etwas sagen was das Fokussieren bewirkt. Besser wäre wohl einfach der Zusatz “- wie bei einer Linse”