Wenn man das Leben verstehen will, muss man dabei zuschauen wie es Dinge tut. In eine lebende Zelle zu schauen funktioniert nicht ohne Markierung mit Farbstoffen – die einzelnen Teile die mitspielen sind kleiner als das sichtbare Licht, weswegen man sie nicht direkt sehen kann. Es gibt viele Möglichkeiten Farbstoffe in eine lebende Zelle zu bringen. Die schonenste Methode ist „Nanoinjection“, eine Technik die recht neu ist und bisher wenig beachtet wurde.

Das Problem

Zellen sind klein. Eine typische menschliche Hautzelle misst bis zu 0,05 mm in der längsten Richtung und 0,01 mm in der kürzesten. Man hat wenig Probleme sie unter einem Mikroskop zu betrachten, wenn man ein paar kleine Tricks anwendet.

Will man aber in eine Zelle hinein schauen, um etwas darüber zu lernen wie diese kleine Einheit des Lebens funktioniert und Dinge tut, dann muss man anfangen die Strukturen anzufärben, wie ich das im Artikel Das bringt Farbe ins Leben bereits erklärt habe. Damit man schöne Bilder machen kann, muss die Zelle still halten, angefärbte Zellen, besonders bei mehreren Farben, sind meistens fixierte Zellen – also längst tot. Wenn man in eine lebende Zelle schauen will, muss man sich Wege überlegen die fluoreszenten Farbstoffe in die Zelle zu bringen, ohne die Zelle so stark zu verletzen, dass sie anschließend nicht mehr weiter leben kann. Besser noch: Man bringt die Farbstoffe so in die Zelle, dass sie eigentlich kaum gestört wird und davon nichts merkt – damit sie weiter das tut was eine Zelle eben tut, so als ob nichts gewesen wäre. Denn genau das will man ja beobachten.

Die Sache mit dem Markieren

Um die ganze Geschichte mit dem “Zelle verletzen” zu umgehen, kann man die Genetik benutzen. Wenn man die DNA von Zellen so manipuliert, dass eine bestimmte Eiweißsorte in der Zelle so zusammen gebaut werden das sie das grün fluoreszierende Protein (GFP) tragen, dann leuchten diese Strukturen von sich aus. Der Pferdefuß an dieser Herangehensweise ist, dass man die innere Struktur der Zelle verändert, und wenn an irgend einem Eiweiß noch ein leuchtender Blob dran hängt, kann man nicht sicher sagen, dass die Zelle ganz genau so funktioniert wie ohne den leuchtenden Blob.

Größenvergleich: Microtubul, Teil des Zellskeletts, rot: alpha-tubulin Eiweiß, gelb: beta-tubulin Eiweiß, blau: Antikörper und GFP. Durchmesser des Microtubuls: 0,024µm oder 24nm. Basierend auf "Microtubule structure.png" von Thomas Splettstoesser (www.scistyle.com); CC-BY-SA 4.0 André Lampe

Größenvergleich: Microtubul, Teil des Zellskeletts, rot: alpha-tubulin Eiweiß, gelb: beta-tubulin Eiweiß, blau: Antikörper und GFP. Durchmesser des Microtubuls: 0,024µm oder 24nm. Basierend auf “Microtubule structure.png” von Thomas Splettstoesser (www.scistyle.com); CC-BY-SA 4.0 André Lampe

Im Bild oben sieht man, dass ein GFP kleiner ist als ein Tubulin-Eiweiß, die Proteine, die ein Microtubulu bilden. Stellt man sich aber vor, dass an JEDEM Tubulin-Protein so eine kleine Tonne dran klebt, weiß man ungefähr was ich meine mit “so funktionieren wie vorher”. Wählt man genetische Methoden kann man leider nicht steuern, dass nur jedes fünfzigste Protein ein GFP drangebastelt bekommt – Genetik funktioniert in diesem Fall nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip.

Man kann auch fluoreszierende Farbstoffe in die Zelle bringen, die deutlich kleiner sind als das GFP. Die müssen allerdings an etwas gebunden sein, dass dafür sorgt, dass sie auch an der richten Stelle binden und nicht irgendwas markieren. In fixierten (also toten Zellen) benutzt man meistens Antikörper. Denen kann man beibringen an alles möglich zu binden, und selbst wenn diese Bindung nicht sehr stark ist, wird das Bild nachher ganz schön, denn in fixierten Zellen kann man „waschen“, das heißt Antikörper die irgendwo liegen geblieben sind entfernen, dass am Ende wirklich nur die Struktur markiert ist für die man sich interessiert.

In lebenden Zellen funktioniert das waschen leider nicht. Um an herumliegende Antikörper ran zu kommen müsste man das innere der Zelle einmal durchspülen – Vergleichen könnte man das mit dem Versuch ein Hühnerei auszublasen, die Schale einmal mit Seife auszuwaschen, das glibbrige Zeug wieder reinzupuzzeln und am Ende zu hoffen das man es noch zu einem Küken ausbrüten kann. Waschen geht also nicht, was den Einsatz von Antikörpern ziemlich schwierig macht. Deswegen werden Farbstoffe oft an Chemikalien gekoppelt die sich sehr zielsicher in eine alpha-Helix der DNA legen (Interkalatoren) oder aus bestimmten Teilen von Giften bestehen die zielgenau an das Aktin binden, ein wichtiger Teil des Zellskeletts (z.B. Phalloidin oder Paclitaxel)*. Egal wie man den Farbstoff mit etwas ausstattet, dass etwas spezifisch markieren kann – man kann über diese Strategie die Menge an Markern sehr gut steuern, im Gegensatz zu der genetischen Variante mit GFP. Oft reicht es für die Mikroskopie auch vollkommen wenn nur jedes hundertste Protein markiert ist um die Struktur gut zu erkennen, wenn man sich im Bild oben mal anschaut wie dicht die Bausteine dort gepackt sind.

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Kommentare (3)

  1. #1 Fliegenschubser
    13. Oktober 2016

    Faszinierend…das eröffnet eine Menge Möglichkeiten. Ich muss mir gleich mal das Paper durchlesen.
    Man muss ja auch nicht zwangläufig Farbstoffe injizieren. Wie wäre es mit Wirkstoffen/Medikamenten? Man könnte live und in Farbe räumlich-zeitlich verfolgen, welche Konzentration des Stoffes was bewirkt. Oder second messenger einbringen. Oder Ca-Ionen. Oder genau definierte Mengen bestimmter Transkriptionsfaktoren. Oder verschieden modifizierte Viruspartikel inklusive Medikamente dagegen. Oder oder oder….

    • #2 André Lampe
      13. Oktober 2016

      Ich freue mich sehr, dass das so viel Enthusiasmus bei dir auslöst. Ging mir nicht anders 😉

  2. […] Blog Die Kleinen Dinge wird erklärt was es mit der Nanoinjection auf sich hat, einer interessanten Methode um ins Innere […]