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Interview mit Professor Dr. Wilhelm Bloch vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule in Köln.

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Herr Bloch, Sie haben in einem Interview mit dem ZDF ein neues Dopingmittel erwähnt.

Ich habe von einer Substanz gesprochen, die entwickelt wurde, um Patienten mit einem Herzleiden zu behandeln. Und sie scheint in der Lage zu sein, die Ermüdung der Muskeln hinauszuzögern.

Kann man das Mittel kaufen?

Es ist in der klinischen Erprobung, es wird zurzeit an Patienten getestet.

Was bewirkt es im Körper?

Bei jeder Bewegungen werden die feinen Muskelfasern angespannt und wieder entspannt. Für beides benötigt der Körper Energie und neben einigen anderen wichtigen Spurenelementen auch Kalzium. Die Muskeln bewegen sich nur, wenn genügend davon da ist. Dabei wird das Kalzium ständig durch die Zellen gepumpt. Und wir wissen inzwischen, dass in Abhängigkeit von Intensität und Dauer der Belastung, die Maschinerie, die das regelt einfach nicht mehr so gut funktioniert. Das führt dazu, dass die Leistung zurück geht. Das Herzmittel greift steuernd in den Kalziumhaushalt ein.

Könnte man den Muskel auch durch Training dazu bringen, dass er den Kalziumhaushalt besser in Ordnung hält?

Das würden wir gerne wissen und daran arbeiten wir auch. Das Wissen um diese Art der Abhängigkeit des Kalziumhaushalts von der Belastungsdauer und -intensität in den Muskelfasern ist maximal zwei Jahre alt. Im Frühjahr ist dann ein Artikel in einer Fachzeitschrift erschienen, in dem beschrieben wurde, dass das Präparat nicht nur die Herzfunktionen verbessert, sondern auch die Leistung der übrigen Muskulatur erhöht. Und jetzt fragen wir uns, wie man trainieren muss, um an dieser Schraube zu drehen und so die natürliche Leistungsfähigkeit erhöhen kann.

Verraten Sie den Namen des Wirkstoffs?

Nein, aus dem ganz einfachen Grund: Das weckt Begehrlichkeiten.

Haben Sie Hinweise darauf, dass Leistungssportler den Aufsatz und damit das Mittel entdeckt haben?

Ich habe keine Hinweise darauf. Aber wenn Sie mich fragen, ob ich mir vorstellen kann, dass es gemacht wird: Das kann ich.

Glauben Sie, dass im bei den neuen Schwimmrekorden Doping eine Rolle spielt?

Gehen wir mal davon aus, dass das Leistungsniveau im Schwimmen schon sehr hoch war und gehen wir davon aus, dass alles was in der Vergangenheit an Rekorden produziert worden ist, natürlich geschehen ist – und das ist schon eine harte Annahme. Um auf diesem hohen Leistungsniveau noch mal so einen Sprung hinzubekommen, da müssten schon an sehr vielen kleinen Schrauben – Stichwort: Anzüge – auf einmal gedreht worden sein. Oder es gab eine ganz zentrale Veränderung, zum Beispiel im Training, mit so enormen Auswirkungen.

Könnten Verbesserungen bei der Schwimmtechnik nicht auch den Leistungssprung bewirkt haben? Außerdem gestattet das Reglement inzwischen eine schnellere Wendetechnik.

Ich bin kein Trainings- oder Bewegungsanalytiker aber wenn ich als Forscher wissen möchte, ob die höhere Geschwindigkeit mit neuen Techniken zusammenhängt, dann würde ich mir die Rennen genau anschauen und in der Videoanalyse ausmessen, was da wirklich an Zeit gespart wird. Man vergleicht einfach alte Aufnahmen mit den aktuellen. Das kann man mit den anderen Abschnitten des Rennens auch machen. Wenn das geschehen ist, weiß man, wo die Leistungssteigerung eigentlich herkam.

Gibt es ein Nachweisverfahren für die Substanz?

Noch nicht, aber wir können davon Ausgehen, dass es das innerhalb des nächsten Jahres geben wird.

Ist das neu, dass sich Leistungssportler und ihre Trainer medizinische Fachjournalen lesen?

Ich denke, umso höher das Niveau ist, desto mehr muss man nach solchen Möglichkeiten schauen. Natürliche würde ich das von einem sehr guten Betreuerstab auch erwarten, um keinen Trend zu verpassen. Wir bekommen regelmäßig Anfragen aus dem Profisportbereich ob wir nicht beratend tätig werden wollen im Bereich der molekularen Sportmedizin.

Wir möchten das ja auch im Grunde, dass sich die Trainer Gedanken darüber machen, wie man die neuen Erkenntnisse der Sportmedizin in Leistung umsetzt. Hochleistungssport bedeutet, die biologischen Möglichkeiten auszureizen. Das bedeutet auch, dass man sich dabei der modernen technischen Möglichkeiten bedient. Aber nicht Hightech im Sinne von pharmaklologischer Manipulation, da muss man eine scharfe moralische Grenze ziehen.

Da die Substanz so neu ist, wird sie kaum auf der Liste der verbotenen Substanzen stehen. Was bedeutet das für Rekorde, die vielleicht unter dem Einfluss dieses Mittels aufgestellt werden?

Da bin ich überfragt, weil ich das Regelwerk dazu nicht im Kopf habe. Grundsätzlich sind leistungsstimulierende Substanzen verboten. Wie das aber aussieht bei Wirkstoffen, die nicht auf der Liste stehen … das ist wahrscheinlich ein Grenzfall. Aber das ist ja nur der eine Aspekt. Und dann gibt es noch den moralischen. Und der zieht auf jeden Fall.