Kaum noch jemand ist überrascht, wenn Leute bereit sind eine Bombe umzuschnallen um sich – und andere – damit in die Luft zu sprengen. Man hat sich irgendwie daran gewöhnt. Wenn aber jemand auf dem Konzert einer Rockband, die man seit seiner Jugend hört, in die Menge schießt, bekommt der abstrakte Gedanke von Terror plötzlich einen ungewohnten Realitätsschub.
Es hat daraufhin nur wenige Tage gedauert, bis die Hälfte der USA beschlossen hat, künftig keine Syrischen Flüchtlinge aufnehmen zu wollen.
Quelle: Washington Examiner
Rot: Keine Aufnahme Syrischer Flüchtlinge, Grün: Aufnahme Syrischer Flüchtlinge, Grau: Unentschieden
Ist so eine Reaktion angebracht?
Bleiben wir in Europa. Die Wahrscheinlichkeit durch ein nicht-kriegsbedingtes Tötungsdelikt (Homicide) ums Leben zu kommen, ist auf ihrem bisher niedrigsten Stand. Im Zuge des letzten Jahrtausends ist die Mordrate konsequent gefallen und hält sich seit 50 Jahren auf einem utopisch niedrigen Wert.
Quelle: Eisner (2003) und UNODC Homicide statistic 2012
Das Jahr 2015 ist leider nicht eingezeichnet und Frankreich auch nicht. Aber aufgrund beider diesjähriger Anschläge in Frankreich, wäre der Wert heuer um 0,2 größer als ohne die Attentate. In der Grafik wäre das nicht sichtbar. Das soll nicht respektlos klingen, ich finde die Tragödie genauso schrecklich und abstoßend wie jeder andere auch. Aber in Anbetracht der emotional geführten, politischen Bauchentscheidungen, die man derzeit beobachtet, kann ein bisschen Perspektive nicht schaden.
Ein vernünftiges Nichtraucherschutzgesetz würde alleine in Österreich jährlich zig-mal mehr Menschenleben retten, als es irgendein anti-Terror Gesetzt europaweit jemals könnte. Von 2001 bis 2010 kamen in Europa 325 Menschen durch Terrorakte ums Leben. Demgegenüber sterben alleine in Österreich jährlich 14.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Das soll diese Tragödien nicht verharmlosen, aber es wird dadurch sehr schwierig zu rechtfertigen, warum man Kriegsflüchtlingen den Schutz verwehren möchte.
Weshalb Österreich noch nie so sicher war wie heute, habe ich hier schon einmal besprochen.
Wenn wir mit Angst konfrontiert sind, verhalten wir uns oft irrational. So sind im Jahr nach den 9/11 Anschlägen rund 1.600 Amerikaner zusätzlich gestorben, weil sie vermehrt mit dem (deutlich gefährlicheren) Auto gefahren sind, anstatt das Flugzeug zu nehmen. Wenn wir uns vor den falschen Dingen fürchten, treffen wir auch die falschen Entscheidungen.
Ich habe keinen Lösungsvorschlag für die aktuellen Probleme und nicht einmal eine klare Meinung dazu. Persönlich halte ich es aber für absurd, den IS entscheiden zu lassen, wer fliehen darf und wer nicht. Wenn es darum geht europäische Menschenleben zu schützen, gibt es viel naheliegendere Ansatzpunkte, die nicht auf Kosten von Kriegsflüchtlingen gehen.
Ich verbleibe mit dem Gruß der Eagles of Death Metal:
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