Menschlicher Embryo im 8-Zell Stadium https://en.wikipedia.org/wiki/File:Embryo,_8_cells.jpg

Kardinal Albino Luciani, später bekannt unter dem Namen Papst Johannes Paul I, sah nach ihrer Geburt die Gefahr, dass Frauen zu „Babymaschinen“ degradiert werden. Andere befürchteten, sie würde ohne Seele zur Welt kommen und die Medien bezeichneten sie liebevoll als „test tube baby“.

Louise Brown, die erste Frau die durch künstliche Befruchtung gezeugt wurde, feiert heute ihren 38. Geburtstag. Sie entstand aus einer Eizelle, die außerhalb des Körpers befruchtet- und als 8-zelliger Embryo in die Mutter verpflanzt wurde. Ich möchte die Feierlichkeit zum Anlass nehmen um einen Gedanken los zu werden.

Wie lange dauert es, bis wir uns an etwas Neues gewöhnt haben?

In den Jahren, bevor das erste Kind durch künstliche Befruchtung (In Vitro Fertilisation – IVF) zur Welt kam, wurde diese Möglichkeit der Fortpflanzung heftig kritisiert. Stimmen wurden laut die behaupteten, durch IVF würden deformierte Babys mit unheilbaren Krankheiten entstehen. Sogar James Watson, der für die Enddeckung der DNA-Doppelhelix Struktur einen Nobelpreis erhalten hatte, sagte zu einem führenden IVF Experten: “You can only go ahead with your work if you accept the necessity of infanticide. There are going to be a lot of mistakes. What are we going to do with the mistakes?”. Auf gut Deutsch: “Du kannst deine Arbeit nur weiterführen, wenn du die Notwendigkeit von Kindesmord akzeptierst. Es werden viele Fehler passieren. Was werden wir mit diesen Fehlern machen?”.

Andere Kritiker befürchteten, dass IVF das Ende der Kernfamilie bedeuten würde. Die Ehe, als familienstiftende Einrichtung wäre nicht mehr notwendig, wenn Menschen zu Laborzüchtungen verkommen würden. Konservative befürchteten daraufhin alle möglichen untraditionellen Familienkonstellationen und Feministinnen hatten Angst, dass eine Technologie, die es mehr Frauen erlaubt Kinder zu bekommen, den Druck erhöht, das auch zu tun. Unnatürliche Retortenbabys wären mit sozialer Ächtung konfrontiert und das Statement vom Vatikan zu dem Thema war: “Fecundation must be carried out according to nature and through reciprocal and responsible love between a man and a woman.” „Befruchtung muss entsprechend der Natur stattfinden und durch gegenseitige und verantwortungsvolle Liebe zwischen einem Mann und einer Frau.“.

Was ist von diesen Ängsten übriggeblieben?

Wenig. Das einzige was bis heute kritisiert wird ist die Tatsache, dass man bei einer IVF mehrere Eizellen befruchtet, wovon aber nur zwei in die Frau eingesetzt werden. Den Rest friert man weg, nutzt sie für die Forschung oder schmeißt sie in die Tonne. Die anderen moralisch/ethischen Punkte sind aber weitgehend in Vergessenheit geraten. Heute laufen Millionen gesunde Menschen durch die Welt, die mithilfe von IVF gezeugt wurden. Trotzdem gibt es die Ehe noch und mir ist auch niemand bekannt, der Frauen als Babymaschinen bezeichnen würde.

Die Art von Debatte bleibt aber ständig präsent. Als die Industrie damit angefangen hat, genetisch veränderte Organismen einzusetzen, beispielsweise für die Herstellung von Insulin, gab es einen großen Aufschrei. Was wenn solche Organismen in die Umwelt auskommen? Unabsehbare Folgen! Heute, Jahrzehnte später, verwendet die Industrie mehr GM-Organismen als jemals zuvor. Die Kritik daran ist aber weitgehend verschwunden. Sie hat sich nämlich ein neues Ziel gesucht: Gentechnisch veränderte Lebensmittel. Und wenn sie damit fertig ist, wird sie sich auf das nächste Ziel stürzen. Dabei könnte es sich bereits um genetisch veränderte Menschen handeln. Wie man ein menschliches Gen verändert, habe ich hier bereits beschrieben.

Es wird nicht mehr lange dauern, bis das erste Kind zu Welt kommt, das im Zuge einer IVF genetisch verändert wurde, um ihm eine vererbbare Krankheit zu ersparen. Viele der Kritikpunkte die man dabei nennen wird, kennen wir von der IVF Debatte: Unnatürlich, Fehlbildungen, katastrophale gesellschaftliche Folgen, wo soll das alles nur hinführen? Ich bin allerdings überzeugt, dass auch diese Kritik verstummen wird, sobald ein paar Millionen solcher Menschen herumspazieren und man derartige genetische Eingriffe, genau wie es heute bei IVF der Fall ist, als medizinische Routinemaßnahmen betrachten wird. Seht ihr das auch so?

Kommentare (19)

  1. #1 Ludger
    24. Juli 2016

    Wirklich ein denkwürdiges Jubiläum!
    zwei Anmerkungen dazu:

    “Das einzige was bis heute kritisiert wird ist die Tatsache, dass man bei einer IVF mehrere Eizellen befruchtet, wovon aber nur zwei in die Frau eingesetzt werden. Den Rest friert man weg, nutzt sie für die Forschung oder schmeißt sie in die Tonne. Die anderen moralisch/ethischen Punkte sind aber weitgehend in Vergessenheit geraten.”

    Das gilt vielleicht in Großbritannien , Belgien oder Israel und einigen anderen Ländern. In Deutschland gilt das Embryonenschutzgesetz ( https://www.gesetze-im-internet.de/eschg/__1.html ). Darin heißt es eindeutig:

    Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – ESchG)
    § 1 Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken

    (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

    1.
    auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt,
    2.
    es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt,
    3.
    es unternimmt, innerhalb eines Zyklus mehr als drei Embryonen auf eine Frau zu übertragen,
    4.
    es unternimmt, durch intratubaren Gametentransfer innerhalb eines Zyklus mehr als drei Eizellen zu befruchten,
    5.
    es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen,
    […]

    Insofern haben sich die Moralvorstellungen der christlichen Kirchen bei der Gesetzesformulierung in Deutschland durchgesetzt. Was daran liegt, dass man hier eine Zygote für einen vollwertigen Menschen gehalten hat. Siehe auch (PID-Diskussion: https://scienceblogs.de/bloodnacid/2011/11/11/eine-zygote-ist-keine-person/
    In Deutschland sind Maßnahmen der künstlichen Befruchtung keine volle Kassenleistung (seit Horst Seehofer + Ulla Schmidt), obwohl die ungewollte Kinderlosigkeit als Krankheitwert anerkannt ist und die IVF für viele Formen der ungewollten Kinderlosigkeit die adaequate und erfolgreiche Behandlungsform ist. Für die betroffenen Paare kommen pro Versuch einige 1000 € Therapiekosten zu (50% der Gesamtkosten). Bin zwar in Rente, aber es treibt mich immer noch auf die Palme.

    • #2 Martin Moder
      24. Juli 2016

      Gute Punkte. Mit den Möglichkeiten, was mit den Embryonen geschieht, habe ich mich auf kein bestimmtes Land bezogen, sondern wollte generell anmerken, was damit gemacht werden kann. In Österreich ist es besonders clever gehandhabt. Da darf man die überschüssigen Embryonen zwar nicht für die Forschung verwenden, dafür kann man welche aus dem Ausland importieren lassen und an denen dann Stammzellforschung betreiben.

  2. #3 fherb
    24. Juli 2016

    “Seht ihr das auch so?”

    Ich, für mich: Ganz klar ja.

    Mit der Produktion von Schwarzen Löchern, die am CERN stattfinden soll, und uns dann auffrwssen, ist eh alles egal, was sonst noch passiert. 😉

  3. #4 Peter Weismann
    24. Juli 2016

    Es gibt den berühmten Spruch, dass nicht alles gemacht werden muss, was man machen kann. Das sehe ich bei der Gentechnik als sehr wichtigen Leitfaden an.
    Doch einen Schritt zurück.
    IVF kommt vollkommen ohne Gentechnik aus und ist auch heute schon unnötig. Der Kinderwunsch entsteht doch häufig aus gesellschaftlichem Druck und der baut auf religiösen Zwängen auf und so ist der Gedanke an “seid fruchtbar und mehret euch” nichts anderes, als der Auftrag zu grenzenlosem Wachstum und dies kann auf einer begrenzten Welt niemals gut gehen. Auch der Schutz der Familie als Keimzelle einer Gesellschaft, also als Reproduktionsinstitution, leitet sich direkt aus diesem Auftrag ab. Statt dem nachzugeben und anzuhängen, sollten wir uns doch endlich weiterentwickeln und beliebige Konstruktionen menschlichen Zusammenlebens akzeptieren und nicht eine unangemessene und willkürlich geschaffene zu exponieren und dann durch welche Methoden auch immer zu reparieren, wenn ihre vermeintliche Funktion gestört ist.
    Mittels Gentechnik Erbgut zu verändern, um so einen Vorteil für das spätere Leben zu erhalten, ist eine verlockende Perspektive. Generell und im Zusammenhang mit IVF. Allerdings müssen wir zugeben, dass wir die sehr komplexen Zusammenhänge noch nicht verstehen. Im allgemeinen bedeutet das nicht, dass wir etwas nicht trotzdem durchführen und nutzen. Die technische Komponente ist hier eher unbedeutend.
    Wir alle benutzen Lichtschalter, um elektrischen Strom fließen zu lassen und dann Photonen auf ihre abenteuerliche Reise mit Lichtgeschwindigkeit zu schicken. Wir haben das Wesen des Lichts noch nicht vollständig verstanden, aber niemand sorgt sich um die Folgen dieser Technologie. Sie steht auch allen offen, sie ist nicht nur Schamanen oder Adeligen vorbehalten, sie kann von Schwarz und Weiß und Arm und Reich genutzt werden und funktioniert für alle gleich.
    Dieser Punkt gilt nicht bei der Anwendung von Gentechnik.
    Das hat nicht die Gentechnik und die Wissenschaft so gewollt, das ist eine Folge dessen, dass mit Gentechnik finanzielle Interessen im Raum stehen. Nein, nicht im Raum, sondern im Mittelpunkt.
    Gemeinsam mit der extremen Komplexität des Themas, macht mich das sehr besorgt und nachdenklich und ich wünsche mir nicht, dass hier alles umgesetzt wird, was machbar ist.

    Dazu will ich ein wildes Beispiel konstruieren:
    “Blaue Augen”.
    durch einen Modetrend geraten “blaue Augen” in den Fokus und werden heftig nachgefragt. Ein Unternehmen hat ein Patent für besonders schöne “blaue Augen” und kann die entsprechende Veränderung in der DNA herbeiführen (oder gegen Erwerb einer Lizenz das notwendige Wissen abtreten).
    1.) wir wissen nicht, welche Folgen “blaue Augen” evtl auf die Entwicklung eines Menschen in einem bestimmten sozialen Kontext haben kann. Es wird nicht nur die Augenfarbe geändert, sondern eine sehr viel weiter reichende Entscheidung getroffen.
    2.) “blaue Augen” kann zu einem sozialen Merkmal werden, weil nicht alle sich eine solche Behandlung leisten können. Dies kann zu unterschiedlichsten Verwerfungen innerhalb einer Gesellschaft werden
    3.) natürlich vorkommende “blaue Augen” könnten als Verletzung der Patent- oder Lizenzbestimmungen auftreten.
    4.) wir wissen nicht, welche anderen Eigenschaften evtl im Zusammenhang mit “blauen Augen” stehen, wenn wir nur den kurzen Abschnitt auf einer DNA ansehen. (der Punkt ist mit “blauen Augen” vielleicht unverständlich. Erst seit kurzem erlernen wir, welche Auswirkungen etwa die Darmflora hat oder den Einfluss von Symbionten auf unserer Haut oder generell von Lebewesen mit fremder DNS in uns und auf uns. Der Einfluss der Wahrnehmung unserer Umgebung ist sicher nicht zu leugnen und diese Wahrnehmung geschieht nicht nur durch die eigenen Sinne sehr unterschiedlich, sondern sie steht in komplexer Interaktion mit zahlreichen Lebewesen. Wir wissen hierzu noch viel zu wenig. Deshalb können wir uns auch nicht vorstellen, welchen Einfluss die Änderung eines kurzen Abschnittes der DNA tatsächlich auf das Gesamt-Konstrukt hat.)
    5.) “Blaue Augen” könnten zu einer Norm werden und die vorhandene (natürliche) genetische Vielfalt einschränken. Im Extremfall könnte nicht nur “blaue Augen” nachgefragt werden, sondern ein Paket an Änderungen zu einem Standard-Norm-Menschen (-Huhn, -Kuh, -Hund etc) führen. Schließlich will niemand (der sich das leisten kann) nur die zweitbeste Form der möglichen Veränderungen kaufen.

    Das sind einige Punkte, die mir schnell einfallen. Einen letzten möchte ich ergänzen: die Menschheit pflanzt sich ohne technische Eingriffe und “Verbesserungen” im Erbgut in beachtlichem Maße auf diesem Planeten fort. Wir haben IVF und Gentechnik bisher nicht gebraucht um als Art geradezu erschreckend erfolgreich zu sein.
    Die individuelle Fall-Betrachtung führt zu einer unangemessen sentimentalen Sicht.

  4. #5 Roland B.
    24. Juli 2016

    “Insofern haben sich die Moralvorstellungen der christlichen Kirchen bei der Gesetzesformulierung in Deutschland durchgesetzt. ”
    Wen wundert’s, wo das Primat der christlichen Kirchen ja schon im Grundgesetz festgelegt ist. Nicht nur in Bezug auf den staatlichen Einzug der Mitgliedsbeiträge, sondern schlimmer noch dadurch daß der – natürlich christliche – Religionsunterricht das einzige Fach ist, das grundgesetzlich verpflichtend festgelegt ist. Auch wenn man als Einzelner sich abmelden darf, die Schulen müssen anbieten, anders als etwa Mathematik, Deutsch, Naturwissenschaften und andere Fächer. An den Universitäten geht’s dann weiter, dogmatische Instanzen dürfen entscheiden, wer Professor werden darf (in bestimmten Fachbereichen, ganz so schlimm wie im Mittelalter ist es nicht mehr), um ihre Lehre zu verbreiten.
    Die Unterschiede zu “islamischen Staaten” sind natürlich noch sehr deutlich, aber ein richtig freier laizistischer Staat werden wir wohl noch lange nicht werden.

  5. #6 Roland B.
    24. Juli 2016

    @Peter Weissmann: Auch wenn ich den Argumenten gegen gentechnische Katalogbestellungen bei Kindern zustimme, “Kinderwunsch entsteht doch häufig aus gesellschaftlichem Druck und der baut auf religiösen Zwängen auf und so ist der Gedanke an “seid fruchtbar und mehret euch” nichts anderes, als der Auftrag zu grenzenlosem Wachstum und dies kann auf einer begrenzten Welt niemals gut gehen.” scheint mir eine nicht-realistische Einschätzung zu sein. Gläubige aus Gruppen, die diesem “Seid-fruchtbar-und-übernehmt-die-Welt”-Gedanken zustimmen, sind doch wohl eher sehr skeptisch eingestellt gegenüber allen nicht-natürlichen Fortpflanzungsmethoden.
    Und was die Überbevölkerung angeht: Ich glaube nicht, daß es da etwas nützt, wenn eine vergleichsweise geringe Anzahl von Paaren in reichen Ländern, die alle eher ein Problem mit der Bevölkerungsverminderung haben, zusätzliche Kinder bekommen. Der Zuwachs findet anderswo statt, wird von IVF nicht beeinflusst.
    Adoptionen wären natürlich auch machbar und sinnvoll, das ist aber wohl rechtlich oft noch komplizierter geregelt als eine künstliche Befruchtung oder Leihmutterschaft,

  6. #7 tomtoo
    25. Juli 2016

    Man hatt ein spermium und eine eizelle ausserhalb ihres gewohnten habitas vereinigt.

    wo issem da gentechnik ?

  7. #9 Withold Ch.
    25. Juli 2016

    Selbstverständlich ist IVF aus Sicht der Wissenschaft und des medizinischen Fortschrittes phänomenal und positiv, die vielen kleinen Schritte, die schliesslich zu einer erfolgreichen Methode führten, sind beeindruckend.

    Und die Kirche sollte nicht so tun, als würde bei jedem (natürlichen) Zeugungsakt Sphärenmusik ertönen und Weihrauchschwaden durch die Schlafzimmer wabern …

    Wenn jetzt ein Fazit gezogen wird, sollte allerdings auch erwähnt werden, dass IVF zu einem “riesigen Geschäft” geworden ist, eine teure Methode ist, die sich wohl nur einkommensstarke und vermögende Paare leisten können, und dass höchstens 2% (? – gibt es dazu genaue Zahlen?) aller geborenen Kinder auf diese Art und Weise gezeugt worden sind.

    Klar, das führt zu ethisch-moralischen Fragestellungen, dh wie sehr (immer noch) aus der Not der Menschen Profit geschlagen werden darf, wie sehr gleichzeitig andere wissenschaftlichen Forschungen anscheinend (?) vernachlässigt werden, zB zu neuen Impfstoffen wegen der drohenden Wiederkehr von Seuchen und zu neuen Antibiotika wegen der zunehmenden Resistenz.

  8. #10 Peter Weismann
    25. Juli 2016

    #6 Roland B.
    “Der Zuwachs findet anderswo statt, wird von IVF nicht beeinflusst.”

    Da stimme ich zu, auch den Gedanken vor dem Zitat.
    Weder technisch noch quantitativ ist IVF bedeutend, doch genau deshalb könnte man sie auch sein lassen und damit nicht noch katastrophale Signale senden.

    Dort, wo Kinderreichtum im Übermaß erzeugt wird, erfolgt dies oft aus einer vermeintlichen Versorgungsnotlage heraus, die aber nicht analytisch betrachtet wird, sondern eben von übernommenen und nicht weiter hinterfragten, rituell und religiös geprägten Leitbildern stammt. In meinem Beitrag zitierte ich zwar einen Spruch, der auch mir aus der christlichen Weltsicht bekannt ist, doch ich meinte nicht nur diese eine Religion.
    Experten sind sich weitgehend einig, dass Bildung, vor allem der weiblichen Bevölkerung, das Kardinal-Rezept gegen übereifrige, sinnlose und gar schädliche Fortpflanzung darstellt. Ich finde das sehr anmaßend, wenn wir selbst in unserer keinesfalls durch äußere Nöte bedrängten Gesellschaft dies nicht schaffen und stattdessen sogar “künstlich” nachhelfen, irrationale Kinderwünsche zu erfüllen.
    Damit setzen wir kein Zeichen in die Richtung, dass wir Frauen und Paare auch kinderlos akzeptieren, sondern verharren in einem (für mich) falschen Weltbild.

    Obschon das folgende nun das Thema arg strapaziert, mag es doch meinen Standpunkt verdeutlichen. Es ist nämlich keinesfalls in meinem Sinne, einem Kinderwunsch dann alternativ durch Adoption von Kindern aus anderen Teilen der Welt zu entsprechen. Die maximale Tragfähigkeit für eine Bevölkerungsdichte sollte von wissenschaftlichen Erkenntnissen bestimmt werden. Dabei sind Grundsätze der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. In Europa haben wir die gleiche Bevölkerungsdichte, wie in China, das damit bekanntlich schon Probleme hat. In Deutschland leben auf einer Vergleichsfläche nochmal etwa doppelt so viele Menschen, also doppelt so viele, wie in China oder im Durchschnitt Europas. Psychologische und psychosomatische Folgen zu dichter Bevölkerung, aber auch die Schwierigkeit der Ver- und Entsorgung so vieler Menschen pro Flächeneinheit, sollten Kenngrößen bei der Bestimmung der maximal tolerierbaren Anzahl von Menschen sein. Nicht der Gedanke an Brutsozialprodukt und Steueraufkommen, an Arbeitskräfte und Konsumenten und auch nicht der individuelle Wunsch nach einem Kind.

    Es gibt ganz sicher andere Komponenten bei der Bildung des Kinderwunsches, als nur und ausschließlich religiöse Motive. Da schränkte ich oben zu sehr ein. Es dürfte sicher nicht abwegig sein, auch evolutionäre Mechanismen einzuschließen. Doch wir erkennen, dass wir da als Art zu gut funktionieren und damit ein bedrohliches Szenario erschaffen, dass wir zu viele Menschen für diesen Planeten sind. Daraus müssen wir meiner Ansicht nach Konsequenzen ziehen und zwar bei uns selbst angefangen.
    Auch hier wieder ein Spruch aus dem Christentum: “macht euch die Erde untertan!”
    Das kann nur gelingen, wenn wir sie nicht zuvor leichtsinnig und übereifrig kaputt machen.

  9. #11 Peter Weismann
    25. Juli 2016

    “Entsorgung so vieler Menschen”
    Uuups!
    Zitat aus meinem letzten Beitrag und so habe ich das durchaus nicht gemeint, sondern natürlich die Entsorgungsprobleme der Produkte und Abfälle so vieler Menschen auf engem Raum.

  10. #12 Ludger
    25. Juli 2016

    Withold Ch.
    25. Juli 2016 #9:

    “Wenn jetzt ein Fazit gezogen wird, sollte allerdings auch erwähnt werden, dass IVF zu einem “riesigen Geschäft” geworden ist, eine teure Methode ist, die sich wohl nur einkommensstarke und vermögende Paare leisten können, und dass höchstens 2% (? – gibt es dazu genaue Zahlen?) aller geborenen Kinder auf diese Art und Weise gezeugt worden sind.”

    Soll das mit dem “riesigen Geschäft” irgendein Argument sein? Zu den besonders wohlhabenden Arztgruppen gehören die Orthopäden. Wollen wir deswegen deren medizinisches Angebot einschränken?
    Weiter: “2% aller geborenen Kinder ” bezogen auf was? Die “baby-take-home-Rate” aller mit IVF-Methoden behandelter Paare (nicht aller Zyklen mit Behandlung!) liegt bei ungefähr 30% der Paare. je größer das Durchschnittsalter der Paare, um so schlechter wird diese Zahl. Der Hauptgrund für die Zunahme der IVF-Indikation ist der gesellschaftlich begründete späte Kinderwunsch jenseits des 30.Lebensjahres. Das Durchschnittsalter der Mütter bei der Geburt des ersten Kindes hat sich seit 1965 von ca. 24 Jahren ( https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61556/alter-der-muetter ) auf knapp 30 Jahre ( https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Geburten/Tabellen/GeburtenMutterAlterBundeslaender.html ) entwickelt. In der Statistik sind die Teenagerschwangerschaften nicht herausgerechnet! Das ist ein gewaltiger Umbruch, der überhaupt nicht bis ins allgemeine Bewusstsein vorgedungen ist.

  11. #13 Earonn
    25. Juli 2016

    @Peter Weismann

    Es gibt ganz sicher andere Komponenten bei der Bildung des Kinderwunsches, als nur und ausschließlich religiöse Motive. Da schränkte ich oben zu sehr ein. Es dürfte sicher nicht abwegig sein, auch evolutionäre Mechanismen einzuschließen.

    Ja, es gibt andere: manche Paare möchten einfach gerne ein “eigenes” Kind.

    Wenn wir die Überbevölkerung einschränken wollen, brauchen wir uns nicht gegen IVF wenden, sondern müssen “nur” den allgemeinen Bildungsgrad in diversen Ländern verbessern. Erfahrungsgemäß geht mit besserer Bildung und besserer Arbeit auch ein Geburtenrückgang einher.

  12. #14 Withold Ch.
    26. Juli 2016

    @ Ludger # 12

    Soll das mit dem “riesigen Geschäft” irgendein Argument sein? …

    Es ist eine Tatsache neben andern. (Siehe Artikel FAZ)

    Und was ist daran falsch, sich Gedanken zu machen darüber, ob und wie wissenschaftliche Forschung und neue medizinische Technologien anschliessend (und laufend) hoffentlich zum Wohle aller kommerzialisiert werden?

    Wie im Text oben ja schön dargestellt, ist IVF ein weiteres Beispiel in der Geschichte der Wissenschaft und des Fortschritts, wie sich fast alle sich zuständig fühlenden moralischen Instanzen, allen voran die Kirche, geirrt haben.

    Und die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass sie auch den weiteren, oben erwähnten Enwicklungen (CRISPR) hinterher hinken werden.

    Das heisst ja zum Glück nicht, dass sich Wissenschaftler irgendwie schuldig fühlen müssten, dass althergebrachte moralische Institutionen nicht mehr Ernst genommen werden können, und Recht und Politik in normativer Hinsicht ebenfalls kaum Schritt halten können mit den neuesten Forschungen und Entwicklungen, – nur, wer soll da nicht in erster Linie mitwirken am Aufstellen von zeitgemässen, ethisch-moralischen Leitplanken, wenn nicht auch die Wissenschaftler!

    Zugespitzt formuliert: Es ist zu anzunehmen, dass “Skandalöses” nicht im Labor passiert, sondern vielmehr bei der Umsetzung und Anwendung in unserer ebenfalls überkommenen Art des mehr gegen- als miteinander Wirtschaftens.

    (Übrigens, danke für die Links, auch zur PID-Diskussion vor Jahren …)

  13. #15 Ludger
    26. Juli 2016

    In dem verlinkten FAZ-Artikel wird die Reproduktionsmedizin als “Befruchtungs-Industrie” bezeichnet. Die Bedeutung des Wortes “Industrie”:

    Bedeutungen:
    [1] Wirtschaft: Gesamtheit aller Betriebe und Firmen im Bereich der maschinellen und automatisierten Warenproduktion ”

    Das passt auf eine medizinische Therapieform nun gar nicht. Der gut recherchierte Artikel der FAZ wurde offenbar mit etwas reißerisch-unpassender Wortwahl aufgemöbelt. Die FAZ-Redaktion sollte sich schämen, mit diffamierenden Formulierungen die Verkaufszahlen zu puschen.

  14. #16 tomtoo
    26. Juli 2016

    Ich glaube man sollte erst einmal strikt zwischen einer technolgie und dem einsatz derselbigen trennen. als bsp. ultraschall bildgebung (erkennung eines lebertumors) und dem einsatz zur identifikation weiblicher föten und deren gezielten ermordung (ja das ermorden ist provokant).
    Insofern ist die technologie neutral. Die nutzung jedoch nicht.
    Währe also nur noch die frage inwiefern ist die gesellschaft neutral ? Und wer bitte ausser die gesellschaft soll das beantworten ?
    Blieben ja die geistesswissenschaftler sollte doch ihr job sein oder ? die erfahrung zeigt das die ihren job wohl doch nicht so neutral ausführen. Also doch nur die gesellschaft mit allem leid für das individium das wir kennen.

  15. #17 Earonn
    27. Juli 2016

    @tomtoo #16
    Und was sollen “Geisteswissenschaftler” (von denen es mehrere Ausrichtungen gibt) jetzt machen?
    Gesellschaftliche Schieflagen können letztlich nur von der Gesellschaft gelöst werden, im Bereich der Ethik kann die Wissenschaft da zwar forschen, aber letztlich ja niemanden zwingen. Es mag Ihnen bekannt sein, dass wir auch schon längst nachgewiesen haben, warum Kooperative die bessere Strategie für die Art Homo Sapiens ist, und trotzdem verstoßen viele dagegen.

    @Ludger
    Volle Zustimmung. Das “Industrie” soll doch lediglich Bilder von Fließbandproduktionen etc. auslösen, die natürlich niemand für Menschen will (während wir kein Problem damit haben, dass jährlich zig Millionen neuer Modelle “vom Band laufen” und das auch recht gut funktioniert).

  16. #18 tomtoo
    30. Juli 2016

    @earonn
    so locker wie sie das raushauen fragt man sich als steuerzahler warum x prozent für geisteswissenschafler abgezweigt werden sollten ?

  17. #19 Davo
    2. August 2016

    Unsere Tochter ist IVF und es war unser Herzenswusch, dieses Kind zu haben.
    Niemand hat uns unter Druck gesetzt, wir waren einfach reif dafür, es war ein Gefühl, ein Kind haben zu wollen.
    Ohne IVF wäre unser Leben unvollständig und trauriger. Das ist es schon ein wenig, weil es mit einem zweiten Kind nicht (mehr) geklappt hat.
    Mit ein wenig Wehmut und Sehnsucht sehen wir im Bekanntenkreis viele Geschwisterkinder groß werden und wünschten unserer Tochter auch ein kleines Geschwisterchen schenken zu können.
    Ich (und da spreche ich sicher für meine Frau mit) finden eine Ansicht, dass IVF primär dazu geeignet ist, ein Kind wegen des sozialen Drucks zu “züchten”, zum Kotzen.
    Es gibt unzählige durch IVF beglückte Paare, die ein Kind wollten um des Kindes willen wollten.
    Kinder durch IVF als Statussymbol (vielleicht noch als IVF propagiert, weil’s doch so teuer ist) wird es wohl nur wenige geben.
    Wer sich also selber kein Kind durch IVF wegen des Sozialstatus “erkauft” hat, der möge doch bitte “mal die Fresse halten”.