Die Öffentlichkeit wird regelmäßig gefragt, was sie von der Forschung hält und erwartet. Eine Antwort überrascht mich dabei immer wieder: Es kommt mir vor, als wiesen die Menschen damit die Wissenschaft in ihre Schranken. Aber vielleicht verstehe ich die Leute auch falsch.
Vertrauen wir zu sehr der Wissenschaft und nicht genug unseren Gefühlen und dem Glauben? Diese Frage wird schon seit vielen Jahren und in vielen Ländern in Umfragen verwendet. Die Antwort hängt natürlich damit zusammen, wie religiös die Menschen sind: In Spanien und Portugal stimmen doppelt so viele zu wie in Dänemark und den Niederlanden. Und in den westlichen Bundesländern stimmen mehr zu als in den östlichen. Aber das Überraschende ist, dass generell viele Menschen zustimmen: Im europäischen Durchschnitt sind es 37 Prozent, in Deutschland sind es 38 Prozent. Was macht sie so skeptisch? Und drücken sie überhaupt Skepsis aus oder vielmehr etwas anderes?
In Deutschland hat die Initiative „Wissenschaft im Dialog (WiD)“ in den vergangenen Jahren die Frage schon drei Mal gestellt. 2014 sagten 32 Prozent, dass wir zu sehr der Wissenschaft vertrauen würden und nicht genug den Gefühlen und dem Glauben. In diesem und im vergangenen Jahr waren es jeweils 38 Prozent. Auch unter den Befragten mit Abitur sind es konstant rund 30 Prozent. Und es ist nicht so, dass die anderen die Aussage ablehnen würden: Grob ein Drittel ist unentschieden, hat also zumindest Bedenken, die Gefühle und den Glauben abzutun.
Grenzen der Wissenschaft?
Aus Sicht von WiD ist diese Frage spannender als eine schlichte Frage danach, ob man der Wissenschaft vertraue. So schlicht gefragt, würden sicher viele Menschen zustimmen, vermutet Ricarda Ziegler von WiD. Sie sieht in den Antworten auch nicht unbedingt Skepsis aufblitzen: „Es kann auch sein, dass die Menschen sagen wollen: ‚Es gibt Fragen, auf die die Wissenschaft keine Antwort hat‘“, gibt sie zu bedenken. Der Wissenschaft zu vertrauen und trotzdem Raum für Gefühle und Glauben zu lassen, ergäbe demnach für viele Menschen keinen inneren Konflikt.
Ein bisschen Kritik schwingt aber schon mit, wenn man der Gesellschaft ein zu großes Vertrauen in die Wissenschaft attestiert. Nur worauf zielt diese Kritik? Eine Option wäre, dass sich die Politik von der Wissenschaft zu viel sagen lässt. Doch diese Option scheidet schnell aus, denn danach hat WiD gefragt: Nur etwa 20 Prozent sagen, dass die Wissenschaft einen zu großen Einfluss auf die Politik ausübe. Eine andere Option wäre, dass die Öffentlichkeit nach mehr Möglichkeiten der Beteiligung ruft. Dazu passt, dass 46 Prozent sagen, die Öffentlichkeit werde nicht genügend in Entscheidungen über Wissenschaft einbezogen. Die zweite Option gefällt mir persönlich, weil ich finde, dass gesellschaftliche Fragen nur von der Gesellschaft beantwortet werden können. Moralische Entscheidungen und die Prioritäten der Forschung ergeben sich nicht zwangsläufig aus wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Kosmologie kontrovers
Aber mir fällt noch eine dritte Option ein, um die Antworten zu interpretieren, und die irritiert mich: Die Menschen finden womöglich, dass für die ganz großen Fragen andere Instanzen zuständig sind als die Wissenschaft. Die Frage, ob man Wissenschaftlern in Fragen der Kosmologie folge, liefert einen Hinweis auf diese Interpretation: 32 Prozent der Menschen sind unentschieden, ob sie den Aussagen der Wissenschaftler zur Entstehung des Universums vertrauen. Hinzu kommen 17 Prozent, die den Aussagen misstrauen. Das finde ich viel für ein Fachgebiet, das – wie ich bisher dachte – eigentlich das Staunen des Publikums abonniert hat und nicht dessen Kritik.
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