Gemittelte Werte aus drei Umfragen der Initiative "Wissenschaft im Dialog" mit jeweils tausend Befragten. "Weiß nicht" antworteten nie mehr als drei Prozent. (Quelle: Wissenschaftsbarometer 2014 bis 2016, Grafik: Mäder)

Die Öffentlichkeit wird regelmäßig gefragt, was sie von der Forschung hält und erwartet. Eine Antwort überrascht mich dabei immer wieder: Es kommt mir vor, als wiesen die Menschen damit die Wissenschaft in ihre Schranken. Aber vielleicht verstehe ich die Leute auch falsch.

 

Vertrauen wir zu sehr der Wissenschaft und nicht genug unseren Gefühlen und dem Glauben? Diese Frage wird schon seit vielen Jahren und in vielen Ländern in Umfragen verwendet. Die Antwort hängt natürlich damit zusammen, wie religiös die Menschen sind: In Spanien und Portugal stimmen doppelt so viele zu wie in Dänemark und den Niederlanden. Und in den westlichen Bundesländern stimmen mehr zu als in den östlichen. Aber das Überraschende ist, dass generell viele Menschen zustimmen: Im europäischen Durchschnitt sind es 37 Prozent, in Deutschland sind es 38 Prozent. Was macht sie so skeptisch? Und drücken sie überhaupt Skepsis aus oder vielmehr etwas anderes?

In Deutschland hat die Initiative „Wissenschaft im Dialog (WiD)“ in den vergangenen Jahren die Frage schon drei Mal gestellt. 2014 sagten 32 Prozent, dass wir zu sehr der Wissenschaft vertrauen würden und nicht genug den Gefühlen und dem Glauben. In diesem und im vergangenen Jahr waren es jeweils 38 Prozent. Auch unter den Befragten mit Abitur sind es konstant rund 30 Prozent. Und es ist nicht so, dass die anderen die Aussage ablehnen würden: Grob ein Drittel ist unentschieden, hat also zumindest Bedenken, die Gefühle und den Glauben abzutun.

Grenzen der Wissenschaft?

Aus Sicht von WiD ist diese Frage spannender als eine schlichte Frage danach, ob man der Wissenschaft vertraue. So schlicht gefragt, würden sicher viele Menschen zustimmen, vermutet Ricarda Ziegler von WiD. Sie sieht in den Antworten auch nicht unbedingt Skepsis aufblitzen: „Es kann auch sein, dass die Menschen sagen wollen: ‚Es gibt Fragen, auf die die Wissenschaft keine Antwort hat‘“, gibt sie zu bedenken. Der Wissenschaft zu vertrauen und trotzdem Raum für Gefühle und Glauben zu lassen, ergäbe demnach für viele Menschen keinen inneren Konflikt.

Ein bisschen Kritik schwingt aber schon mit, wenn man der Gesellschaft ein zu großes Vertrauen in die Wissenschaft attestiert. Nur worauf zielt diese Kritik? Eine Option wäre, dass sich die Politik von der Wissenschaft zu viel sagen lässt. Doch diese Option scheidet schnell aus, denn danach hat WiD gefragt: Nur etwa 20 Prozent sagen, dass die Wissenschaft einen zu großen Einfluss auf die Politik ausübe. Eine andere Option wäre, dass die Öffentlichkeit nach mehr Möglichkeiten der Beteiligung ruft. Dazu passt, dass 46 Prozent sagen, die Öffentlichkeit werde nicht genügend in Entscheidungen über Wissenschaft einbezogen. Die zweite Option gefällt mir persönlich, weil ich finde, dass gesellschaftliche Fragen nur von der Gesellschaft beantwortet werden können. Moralische Entscheidungen und die Prioritäten der Forschung ergeben sich nicht zwangsläufig aus wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Kosmologie kontrovers

Aber mir fällt noch eine dritte Option ein, um die Antworten zu interpretieren, und die irritiert mich: Die Menschen finden womöglich, dass für die ganz großen Fragen andere Instanzen zuständig sind als die Wissenschaft. Die Frage, ob man Wissenschaftlern in Fragen der Kosmologie folge, liefert einen Hinweis auf diese Interpretation: 32 Prozent der Menschen sind unentschieden, ob sie den Aussagen der Wissenschaftler zur Entstehung des Universums vertrauen. Hinzu kommen 17 Prozent, die den Aussagen misstrauen. Das finde ich viel für ein Fachgebiet, das – wie ich bisher dachte – eigentlich das Staunen des Publikums abonniert hat und nicht dessen Kritik.

Kommentare (26)

  1. #1 Josef König
    Bochum
    25. August 2016

    Lieber Alexander,

    über twitter bin ich an diesen Text geraten, und nach zweimaliger Lektüre frage ich mich, ob Du Dir über die Tragweite Deiner Sprache bzw. Deiner Worte im Klaren bist.

    Mir fällt gerade bei solch einem Thema auf, wie sehr hier mit Begriffen etwas zusammengefasst wird, das einer Differenzierung bedarf. Vielleicht sollte ich das folgende in Fragen formulieren:

    1) Von welcher Wissenschaft ist hier die Rede? Geht es um Kosmologie und Physik, um Chemie und Pharmazie, um Wirtschaftswissenschaft und Politologie, um Geologie und Bauingenieurwesen, um Psychologie und Medizin? Welche dieser “Wissenschaften” mögen die Befragen im Sinne gehabt haben, als sie ihre Kreuze in die dafür vorgesehenen, womöglich vorgefertigten Fragekästchen gemacht haben? Und wie viel wissen/wussten sie über diese Vorstellung von Wissenschaft, als sie die Kreuze machten?

    2) “Vertrauen” – wovon sprichst Du, wenn Du hier von “Vertrauen” sprichst? bzw. was stellten sich die Befragten unter “Vertrauen in die Wissenschaft” vor? Das selbe Vertrauen, dass sie veranlasst, der eigenen Freundin/Frau die Vollmacht über das eigene Konto einzuräumen? Das Vertrauen in den Arzt, der sie behandelt? In das Medikament, dass sie gerade nehmen müssen? In das autonom fahrende Fahrzeuge, in das sie sich setzen sollen? In die Atomanlage, die ihnen den Strom liefert? Oder vielleicht in den Artikel, der ihnen mitteilt, dass zwei bis drei Gläser Rotwein am Abend der Gesundheit förderlich sind? Und noch entscheidender: Wie viel Wissen setzt Vertrauen voraus? (womit ich hier gar nicht Lenin bemühen will)

    3) die “Gesellschaft” – welches Bild von “Gesellschaft” hat der Antwortenden? Wie abhängig ist sein Bild von der “Gesellschaft” von seiner sozialen Stellung und wie sehr beeinflusst diese seine Antwort, wenn er die Kästchen ausfüllt?

    4) “Gefühle” – “Glauben” – “moralische Entscheidungen” – wie unterscheiden sich die sozialen Räume der Erziehung der Befragten und wie beeinflussen sie somit die “Gefühle”, den “Glauben” die “moralischen Entscheidungen” der Personen, die die Antworten gegeben haben?

    Ich könnte hier noch so weiter verfahren und womöglich eine Frageliste erstellen, die weit differenzierter ist, als die gerade spontan gestellte. Aber ich könnte natürlich auch auf die Defizite “der Wissenschaften” wie der Veröffentlichungen der Wissenschaftskommunikatoren und Wissenschaftsjournalisten eingehen. Etwa, dass mir heute eine Studie vor die Augen kommt, die mir sagt, dass Stress ungesund ist, während eine parallele Studie genau das Gegenteil behauptet. Ich könnte fragen, wer sich überhaupt in “der Gesellschaft” vorstellen kann, dass Schrödingers Katze sowohl tot als auch lebendig ist? Wer kann sich was unter dem “Higgs Teilchen” vorstellen, wenn er schon kaum den Beipackzettel seines Medikaments versteht? Und um zum Schluss zu kommen: Wie viel “Empirie” oder “Glauben” steckt in der Kosmologie – in den “schwarzen Löchern”, “der dunklen Materie”?

    Wie Du siehst, gebe ich keine Antworten – ich habe sie nicht! Aber natürlich lebe ich – wie vermutlich viele, die vielleicht bewusst die Kästchen ausgefüllt haben – im Widerstreit von “Vertrauen” in die Wissenschaft und “Skepsis” gegenüber Wissenschaft, weil ich gar nicht anders kann. Oder um es anders zu sagen: Ich muss vielem Vertrauen – oder es einfach als wahr hinnehmen – weil ich weder die Zeit noch die geistige Fähigkeit und das Wissen habe, alles nachzuprüfen; aber ich muss gleichzeitig mir die Skepsis bewahren, weil ich weiß, dass die “Wissenschaften” von Menschen betrieben werden – und Wissenschaftler sind auch nur Menschen mit ihren Sehnsüchten, Eitelkeiten, Schwächen und Stärken.

    Viele Grüße
    Josef König

  2. #2 David Ernst
    Brüssel
    25. August 2016

    Es gäbe noch eine vierte, optimistische, Interpretationsmöglichkeit:
    Die Frage setzt vorraus, dass Vertrauen eine relevante Kategorie in der Wissenschaft ist. Die Befragten könnten dagegen protestieren und ankreuzen, dass man der Wissenschaft zu viel vertraut und dass man lieber verstärkt selber nachprüfen sollte.

    Ich denke aber leider auch, dass die dritte Interpretation zutrifft. Im Öffentlichen Diskurs werden was die “Grenzen der Wissenschaft” angeht leider oft die deskriptive und die normative Ebene vermischt.

  3. #3 Solkar
    25. August 2016

    “Vertrauen wir zu sehr der Wissenschaft und nicht genug unseren Gefühlen und dem Glauben?”

    “Grob ein Drittel ist unentschieden, hat also zumindest Bedenken, die Gefühle und den Glauben abzutun.”

    **Welchem** Glauben bitte?

    Und was genau sagt das NT (die Thora, der Koran, die Bhagavad Gita…) eigentlich über GW150914 oder über das Higgs-Boson, dem ich eher vertrauen könnte – so ich das denn wollte – als den wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Theorien dazu?

  4. #4 fherb
    25. August 2016

    @Josef
    Die Frage der Differenzierung solltest Du überwiegend den Leuten stellen, die die Befragungen geplant haben. Für Verallgemeinerungen und Unklarheiten wäre zuerst die Befragung zu befragen.

    @allgemein
    Man sollte nicht zuerst fragen warum die Menschen so und nicht anders über Wissenschaft denken, denn dann überspringt man wesentliche Teile der Kommunikationsebene. Denn welcher der Befragten wird wohl ja sagen, wenn man ihn fragen würde, ob er über Wissenschaft mit Wissenschaftlern direkt kommuniziert. Das muss aus praktischen Gründen ein Wert sein, der stark gegen Null strebt.

    Das Gefühl zur Wissenschaft wird über die Medien mit ihrer Wichtigkeits- und Untertonverzerrung aufgebaut.

    Direkte Wissenschaftsvermittlung ist über die Woche der Durchschnittskonsumenten rar. Es sei denn, sie suchen gezielt danach. Gehen wir mal davon aus, dass diese Menschen dann schon vorher zu den Aufgeschlossenen gehörten.

    Alle Anderen nehmen das Bauchgefühl über die Wissenschaft nicht aus Fakten. Sondern aus dem Bauchgefühl, dass die Medien zwischen den Zeilen verstärken. Skepsis als Unterton verkauft sich besser. Angsverbreitung als Unterton, und sei es nur in der Überschrift… verkauft sich besser.

    Auch gute Wissenschaftssendungen oder Blogs können das nichts gerade rücken, weil der Interessentenkreis nicht mit denen überein stimmt, die vorher nichts weiter als den Unterton verstanden haben.

    Und der Stammtisch ist dann nur noch der soziale Verstärkungsfaktor über die Essenz, die jeder Beteiligte vorher aus den Medien kennt.

  5. #5 fherb
    25. August 2016

    @Alexander

    Ich meine nicht unter Medien die speziellen Populärwissenschaftsmedien, sondern den Dudelfunk im Radio, mehr aber noch die Dudelprint- und Dudelfernsehmedien.

  6. #6 Dr. Webbaer
    25. August 2016

    Liest sich doch sehr gut, Wissenschaft wird womöglich angemessen in der Gesellschaft angenommen, die Einschätzungen, Fragen und Kommentare des werten hiesigen Inhaltegebers lesen sich zumindest hier ebenfalls gut.

    Die Wissenschaft ist nicht dafür da alle sich für erkennende Subjekte oder Gesellschaftsteilnehmer ergebende Fragen zu bearbeiten bis zu beantworten.

    Gerade, wenn es ins Meta geht, darf der wissenschaftlichen Arbeit auch mal ein wenig misstraut werden, letzte Fragen und so meinend.
    Die Gesellschaft begleitet die Wissenschaft, die sie oft sogar direkt finanziert, idealerweise angemessen skeptisch, gerne auch mal unangemessen, sofern sich dieser Drift in Grenzen hält.

    MFG
    Dr. Webbaer

  7. #7 Peter
    25. August 2016

    Komische Kommentare … die Frage stammt aus der referierten Umfrage “Wissenschaft im Dialog”, nicht vom Autor dieses Artikels … der weiß das also genauso wenig. Üblicherweise werden solche Fragen aus der Alltagssprache entlehnt; eine genaue semantische und inhaltliche Analyse ist deshalb sinnlos. Interessant sind die Gefühle und Assoziationen der Befragten. Ob die Ergebnisse solcher Fragen aber wirklich relevant sind, glaube ich nicht … Tatsächlich glaube ich, dass man völlig unterschiedliche Ergebnisse bekommt, würde man “Wissenschaft” präzisieren, z. B. in “Medizin” vs. Physik vs. Mathematik. Bei Medizin denken viele an “Pharma-Mafia” oder “Halbgötter in Weiss” (was beides mit Wissenschaft wenig bis nichts zu tun hat, aber man kann ja nicht alles haben …); bei Physiker vielleicht an die Atombombe (Dürrenmatt – kennt schließlich jeder Abiturient) und bei Mathematik an die Schulzeit und den mit Kurvendiskussion verbrachten peinvollen Stunden. Kein Wunder dass die Leute nicht “vertrauen” … Was käme bei – ups – Genetik? Oder – noch schlimmer – Chemie? (Monsanto! Kreisch!) … Dass nur 30% der “Wissenschaft” kritisch gegenüberstehen, überrascht mich da eher, die Leute denken offenbar differenzierter als ich das erwartet hätte. Aber vielleicht bin ich einfach von zu vielen geisteswissenschaftlich gebildeten Menschen umgeben … positiv denken die eher von Germanistik, oder Anglistik. Wissenschaft ist halt immer das, woran der Befragte grad denkt, dass es Wissenschaft sei.

  8. #8 user unknown
    26. August 2016

    Von der Leyen, Schavan, Guttenberg und viele mehr – schon vergessen?

    Was hat die Wissenschaft gemacht? 2 Doktortitel kassiert, einen bestätigt. Und die Gutachter? Nicht mal zur Diskussion darüber ist es gekommen.

    Wieso soll es bei den anderen Wissenschaftlern besser sein? Da schaut doch nur niemand nach.

  9. #9 Marcus Anhäuser
    26. August 2016

    Ich glaube, dass hat schlicht damit zu tun, dass die meisten Menschen nur wenig mit Wissenschaft zu tun haben (anders als hier bei den Scienceblogs). “Gefühle und Glaube” sind Parameter, die man sich selbst zuschreibt, mit dem jeder jeden Tag zu tun hat. Man hätte auch Fragen können: “Wem vertrauen sie mehr? Sich selbst oder anderen?”

  10. #10 MartinB
    26. August 2016

    Die Frage ist so unklar und unscharf gestellt, dass man meiner Ansicht nach alles und nichts reininterpretieren kann.
    Und die 3D-Darstellung der Titelgrafik werde ich in Zukunft in meinem Workshop zum wissenschaftlcihen Präsentieren zeigen – denn die ist unendlich viel schwerer zu lesen, als wenn man die Säulen einfach 2D nebeneinandergestellt und die unterschiedlichen Gruppen farbig markiert hätte.

  11. #11 Alexander Mäder
    26. August 2016

    Möglicherweise meinen die Befragten ganz unterschiedliche Dinge mit ihren Antworten: Sie denken an diese oder jene Wissenschaft, verstehen unter Vertrauen dieses oder jenes. Trotzdem steckt Musik drin, denn das Muster der Antworten ist recht beständig – über die Zeit und über Nationen hinweg. Mein Gefühl sagt mir, dass die Frage einen Punkt trifft, über den es sich zu reden lohnt. Daher vielen Dank für die Interpretationsvorschläge!

  12. #12 Solkar
    26. August 2016

    @MartinB wg #9
    Die “Umfrage” ist in der Tat so plump angelegt und aufbereitet, dass ich mich frage, ob hinter der Plumpheit nicht Absicht steckt.

    Schon der Name der durchführenden Initiative, nämlich “Wissenschaft im Dialog”, ist reichlich plakativ – da sind auf der einen Seite des “Dialoges” sich selbst , und nur sich selbst, als wissend Verstehende und auf der anderen Seite – ja, wer eigentlich?

    Der als latent unwissend zu postulierende *kleine Mann auf der Straße*? Dem man schon durch eine derart plumpe Ansprache bedeutet, dass er eben auf der anderen Seite des intellektuellen Zaunes verortet ist?

  13. #14 Dr. Webbaer
    26. August 2016

    @ Herr Mäder :

    Ihnen generell vielen Dank für Ihre Nachrichten, sehr nett, Sie haben etwas zu sagen (zumindest aus Sicht Ihres Kommentatorenfreundes).

    MFG + schönes Wochenende schon mal,
    Dr. Webbaer

  14. #15 Josef König
    26. August 2016

    @fherb natürlich kann und muss man die Fragen an diejenigen zurückspiegeln, die die Umfrage gemacht haben. Da gebe ich Ihnen recht. Aber wenn man nur (!) diese Ergebnisse hat, muss man sich fragen, ob sie diese Mühe der Interpretation rechtfertigen?

    @alexander Ist da wirklich so viel Musik drin? Oder nicht einfach das “übliche” Maß an Vertrauen und Misstrauen, das Menschen der “Wissenschaft”, der “Politik”, den “Medien”, den “Kirchen”, den “Parteien” etc. entgegenbringen. Solche Vergleiche mit aggregierten Zahlen fänd ich aussagekräftiger.
    Andererseits, wenn mit dem Bildungsstand das Vertrauen in die Wissenschaft steigt, wie die Graphik suggeriert, hätte eine Verstärkung der Kommunikation über Wissenschaft einen Wert … und unsere Arbeit wäre rechtfertigt.

  15. #16 Solkar
    26. August 2016

    @Alexander Mäder wg. #13

    Es macht aber die Sache nicht besser, wenn sich ausgerechnet Wissenschaft im Dialog kommunikative Stilblüten Dritter samt des impliziten Gesellschaftsbildes zu eigen macht.

  16. #17 Nicole
    26. August 2016

    @ alexander mäder:
    Danke für den link zum eurobarometer.
    Ich bin gerade sehr erstaunt darüber, dass 57% der Österreicher es nicht notwendig finden sich über Wissenschaft zu informieren und ö. damit im europ. Spitzenfeld liegt! Da hätte ich nicht gedacht!

  17. #18 Chemiker
    26. August 2016

    Vertrauen wir zu sehr der Wissen­schaft und nicht genug unseren Gefühlen und dem Glauben?

    Diese Frage kann man nicht ernst nehmen — da kann jeder hineinlesen, was er oder sie will. Antworten sind daher zufällig und bedeutungslos.

    Das fängt mit vertrauen an. Ist damit gemeint, daß man vertraut, ob etwas wahr ist („Ich vertraue darauf, daß das Urknall­modell die Früh­geschichte des Kosmos brauch­bar be­schreibt (und nicht der Schöpfungs­mythos einer Religion“)? Oder soll man das Vertrauen als Hand­lungs­anwei­sung deuten („Ich ver­traue darauf, daß das AIDS-Problem von der Medizin gelöst werden wird (und nicht durch Beten und Keuschheit)“?

    Und was ist mit Wissenschaft gemeint? Physik, Biologie, Archäo­logie, Linguistik, VWL, Jus oder Gender Studies? Da würden meine Antworten sehr unter­schied­lich ausfallen.

    Und Gefühle? Die sind etwas Persönliches und schlecht Definier­bares. Bei der Ent­schei­dung, was ich heute kochen will, werde ich mehr meinem Appetit folgen als einer Auflistung der in den letzten Tagen zugeführten Vitamine und Spuren­elemen­te — und bei der Frage, ob ich einen Arbeits­platz annehme oder nicht, wir das Bauch­­gefühl vielleicht eine größere Rolle spielen als objektive Daten (Ein­kom­men, Auf­stiegs­möglich­keit). Aber das sind Frage­stellun­gen aus dem persön­lichen Lebens­umfeld, und je weiter sich die Thematik davon ent­fernt, umso wichtiger werden empiri­sche Befunde und (wenn eine Theorie vor­han­den ist) deduktive Schlüsse.

    Ganz schlimm wird es aber bei Glauben. Mög­licher­weise sind damit reli­giöse Über­zeugun­gen ge­meint, aber wie sieht das mit all­gemei­nen Welt­anschau­un­gen aus, und wo ist die Grenze (Deismus)? Ich glaube z.B. an den Humanismus, und zwar in einem Ausmaß, daß man mir das wahr­schein­lich mit keinem noch so guten Argu­ment aus­­reden könnte (wenn es denn ein solches gäbe). Da die Natur­wissen­schaft keine ethi­schen Aus­sagen macht, muß ich mir jeden ethischen Rat wohl oder übel aus dem „Glauben“ holen, da könnte ich der Wissen­schaft selbst dann nicht vertrauen, wenn ich es wollte.

    Diese Frage ist so schlecht gestellt, daß jede Antwort und ihr Gegenteil gleich gut drauf passen.

  18. #19 Dr. Webbaer
    27. August 2016

    @ Chemiker :

    Vertrauen wir zu sehr der Wissen­schaft und nicht genug unseren Gefühlen und dem Glauben? [Wissenschaftsbarometer 2014 bis 2016]

    Diese Frage kann man nicht ernst nehmen — da kann jeder hineinlesen, was er oder sie will.
    […]
    Diese Frage ist so schlecht gestellt, daß jede Antwort und ihr Gegenteil gleich gut drauf passen.

    Teilweise: Zustimmung.
    Andererseits war dies wohl eine Art Gefühlsfrage, um Einstellungen und eben Gefühle fassbar zu machen.
    “So ganz grob”, Stimmungslagen betreffend, hierfür womöglich geeignet.

    MFG
    Dr. Webbaer

  19. #20 Joseph Kuhn
    27. August 2016

    “eine Art Gefühlsfrage”

    Das war es wohl, aber man sollte die erfragten “Gefühle” halbwegs eindeutig interpretieren können, d.h. die Interpretation sollte nicht selbst wiederum zur Gefühlsfrage an die Forscher werden.

  20. #21 DH
    27. August 2016

    Wie Chemiker finde ich auch , daß die Frage etwas unklar gestellt ist.
    Aber selbst wenn man sie so nimmt , ist das wirklich so ein schlechtes Ergebnis?
    Spontan hab ich selber die Frage so verstanden , daß es um die Frage “Instinkt oder nicht” geht , im wesentlichen.

    Wenn ich da nicht der einzige bin , wäre alles Andere als das obenstehende Ergebnis bedenklich- schließlich gäbe es auch keine Wissenschaft ohne Instinkt .

    Wissenschaft ist nicht die vorderste Kraft , was neue , vorwärtsgerichtete Ideen angeht , auch wenn das oft so gesehen wird. W. kann sehr stark von dem beeinflusst sein , was gerade gesellschaftlicher Mainstream ist , auch ohne totalitäre Strukturen.
    Also ist es gut , wenn da auch viel Skepsis vorherrscht , Friedhofsruhe , und sehr hohe Zustimmungswerte , wären weit bedenklicher.

  21. #22 Gerald Fix
    29. August 2016

    #11 Möglicherweise meinen die Befragten ganz unterschiedliche Dinge mit ihren Antworten: Sie denken an diese oder jene Wissenschaft

    Das nehme ich auch an – die wenigsten Menschen misstrauen den Erungenschaften der Festkörperphysik oder bezweifeln die Existenz der Schwerkraft. Doch wieviele Menschen trauen den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Ökonomie der Finanzwirtschaft oder den neuesten Theorien der Erziehungswissenschaftler? Und das kann man nicht mal auf den gegensatz Sozial- und Naturwissenschaften reduzieren; die wissenschaftliche Erkenntnis, ob Cholesterin schädlich sei, wechselt gefühlt im 5-Jahres-Takt.

  22. #23 GuteFrage
    29. August 2016

    Es erstaunt sie wirklich, dass die Menschen nicht zu 100% der Wissenschaft vertrauen? Ich finde es gut, Wissenschaft ist wichtig, aber es ist nur ein Teil im Leben.

    Klar man könnte bei der nächsten Urlaubplanung wissenschaftlich vorgehen, aber wer macht denn so etwas? Da kommt es doch mehr auf die Erfahrung, Bauchgefühl und die Meinung aus dem Bekanntenkreis an.

    Wie geht die Wissenschaft vor:
    Wenn festgestellt wird, es gibt nur graue Katzen. Dann wird wissenschaftlicht geschlussfolgert es muß dunkel sein, solange bis jemand eine Katze findet, die nicht grau ist.

  23. #24 Jakob B.
    30. August 2016

    Ein Kritikpunkt an der Fragestellung wurde glaube ich noch nicht genannt:
    Stellen wir uns jemanden vor, der aus einem sehr abergläubigen Land immigiert. In seinem Herkunftsland, hat derjenige die Frage, mit Blick auf seine “verrückten” Landsleute mit “stimme nicht zu” beantwortet. In Deutschland angekommen ist er entsetzt von der rationalen, “gefühlskalten” Gesellschaft und beantwortet die Frage mit “stimme zu”. Er hat seine Einstellung nicht geändert und er trägt dennoch dazu bei, dass unsere aufgeklärtere Gesellschaft als Wissenschaftsfeindlicher wahrgenommen wird als die unaufgeklärte Gesellschaft in seinem Heimatland.

    Das ist wie bei den Statistiken zur relativen Armut. Wenn Menschen bei steigender Kaufkraft plötzlich als arm gelten, nur weil der Rest der Bevölkerung noch schneller an Kaufkraft gewonnen hat, dann sagt die Statistik nichts über tatsächliche Armut aus, sondern über die Ungleichverteilung des Wohlstands. Versteht mich nicht falsch: Ich bezweifel nicht, dass es eine zu hohe Wissenschaftsfeidlichkeit und zu viel Armut in D gibt, aber Statistiken, die zeitliche Entwicklungen in diesem Bereich darstellen sollen, sollten als Vergleichmassstab nicht den aktuellen Durschnitt der Bevölkerung verwenden.

  24. #25 tomtoo
    30. August 2016

    Wieder mal so eine Umfrage die mich an der Wissenschaft (der Umfagenden) (ver)zweifeln lässt.

  25. #26 Laie
    30. August 2016

    Es gibt so Fragen, die nicht immer eindeutig mit Ja oder Nein beantwortet werden können, da es von Zeit, Ort und den beteiligten Personen abhängt.

    Ähnlich: “Vertrauen Sie dem Wetter, dass es schön bleibt?”

    Man kann die Frage nur beantworten, wenn man alle Einzelheiten kennt, und dann ist das auch wieder nur örtlich oder zeitlich oder sonst wie begrenzt.

    Denn von der Fehlbarkeit sind auch Wissenschafter nicht zur Gänze ausgeschlossen, obwohl sie danach trachten, Fehler in der Methodik und Durchführung zu vermeiden, und wenn sie gegenüber Geldgebern nicht beeinflussbar sind. (Gekaufte Studien soll es ja hin- und wieder wo geben)