Das Foto macht auf den ersten Blick nicht viel her, deshalb wollte es der Reclam-Verlag wohl auch nicht drucken. Aber ich zeige es hier, weil es in der Einleitung meines Büchleins „100 Seiten Astrophysik“ eine wichtige Rolle spielt: Es ist das einzige Bild von der Oberfläche des großen Saturnmonds Titan – entstanden, kurz nachdem die Raumsonde Huygens dort im Januar 2005 aufgesetzt hatte. Ich hatte mich – als Volontär der Berliner Zeitung – auf dieses Ereignis gefreut. Die Einleitung meines Buchs gibt es hier als Leseprobe. In diesem Blogbeitrag will ich etwas mehr zum Foto erzählen.
Nach der Landung hatte ich Horst Uwe Keller vom Kamerateam der Sonde gefragt, ob es noch mehr Fotos von der Oberfläche gebe. Er erklärte mir, dass während des Sinkflugs viele Aufnahmen entstanden seien. Huygens hatte sich dabei gedreht, so dass die Kameras Panoramabilder der Landschaft aufnehmen konnten. Doch nach dem Aufprall – Huygens rutschte dabei noch knapp einen halben Meter zur Seite – lag die Sonde still und funkte immer das gleiche Bild. Eine Stunde lang, bis die Batterien leer waren. „Gab es weitere Erkenntnisse?“, fragte ich. „Kleine Männchen sind nicht durchs Bild gelaufen“, antwortete Keller damals. Heute weiß man, dass aber der Schatten des Fallschirms durchs Bild huschte. (Esa und Nasa haben Animationen der Landung erstellt: hier ist eine davon.)
Das Terrain, in dem Huygens landete, wirkt irdisch – und ist doch fremd. Es erinnert an eine Geröllwüste und ist tatsächlich eine staubige Gegend, denn die Sonde wirbelte bei der Landung gefrorene organische Partikel auf. Die Temperatur liegt bei minus 180 Grad und die Szenerie ist in ein orangefarbenes Dämmerlicht getaucht, weil der Titan weit von der Sonne entfernt und von einem dichten Schleier umhüllt ist. Beim Landeanflug konnte man dunkle Streifen und Täler sehen, so dass hier früher einmal Methanströme unterwegs gewesen sein müssen. Die faustgroßen abgerundeten Steine könnten aus den nahe gelegenen Hügeln heruntergespült worden sein. Sie bestehen möglicherweise aus Wassereis oder einer Mischung aus Wasser und gefrorenen Kohlenwasserstoffen. Die Sonde scheint eine feste Kruste durchbrochen zu haben, bevor sie im weichen Untergrund einsank (nur 15 Zentimeter tief, denn sie war so gebaut, dass sie in einem See schwimmen würde). Nach der Landung sagte John Zarnecki aus dem Huygens-Team, der Boden erinnere an Crème brûlée.
Die Analyse der Bilder war übrigens nicht einfach, denn Huygens hat bei seiner Landung gewackelt, außerdem kam die Hälfte der Bilder nicht an, weil ein Funkkanal ausfiel. Die Forscher mussten also puzzeln, bis sie bei jedem Foto wussten, was es zeigt. Und natürlich hat die Mission viele weitere Daten geliefert, die auch mehr Erkenntnisse über den Titan bergen als das Foto direkt nach der Landung (hier geht es zu einer Top 10 aus Sicht der Esa). Aber für mich bleibt vor allem dieses Bild in Erinnerung, und der Reclam-Verlag hatte mich um eine persönliche Einführung in das Thema gebeten.
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