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Ist das Betrachten von Grausamkeiten selbst eine Grausamkeit?

fragt Linda Hentschel in der Einleitung des von ihr herausgegebenen Bandes. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp rief einst zum Bild-Boykott auf.

Wenn das Töten eines Menschen den Zweck hat, seinen Tod zum Bild werden zu lassen, dann ist das Betrachten dieses Bildes unabdingbarer Akt der Beteiligung.

Dann würde der Betrachter zum Täter, aber das Bilderverbot erscheint beim Grad, mit dem Nachrichten von Visuellem durchtränkt sind, illusorisch.
Der Band zur Bilderpolitik ist alles andere als ein Handbuch zur Herrschaft durch Bilder, eher ein Gegen-Buch. Doch manchmal gleicht das Dagegen dem Dafür. Und so erfahren wir ausführlich, wie es gemacht wird, das Regieren mit Bildern.
Visuell zu regieren heißt, so die Herausgeberin Linda Hentschel mit Bezug auf Foucault, sich dem richtigen Verfügen über mediale Bilder anzunehmen, um sie einem angemessenen Zweck zuzuführen.

Bilder sind nicht passiv. Ethische und ästhetische Erniedrigung zeigt sich nicht nur in Bildern, sondern sie geschieht auch durch Bilder.
Judith Butler geht auf diesen Umstand in ihrem Text Folter und die Ethik der Fotografie ausführlich ein. Sie zeigt am Beispiel der Fotografien von Abu Ghraib, dass Fotograf und Fotografierter im selben Rahmen handeln. Dass daher der fotografierte Soldat für das Bild posiert, die Kamera die Folter auf eine Art veranlasst.

Das Foto verlängert das Ereignis, es hält es fest. Als wollte der Fotografierte sagen: Danke dass du meinem Triumph ein Denkmal setzt!

Die Sorglosigkeit, mit der die Dokumente gemacht wurden und zirkulierten, zeigt sie als Teil einer Alltäglichkeit, in der Folterbilder neben einer Menge andere Schnappschüsse stehen. Die Digitalisierung des Bösen vervielfacht die Banalität des Bösen.

Butler sieht diese Lage in einem größeren Kontext von Normen und Rahmungen. Sie beginnt mit der eingebetteten Berichterstattung beginnen, die die Produktion der Kriegsbilder kontrolliert. Das Dilemma der kontrollierten Bilder entsteht nicht mit der Deutung und dem Kontext des Fotos, sondern liegt bereits darin,

dass das Auftragsfoto, das den staatlichen Erfordernissen entspricht, seine eigene Deutung konstruiert. (…) Das heißt, wir interpretieren die Interpretation, die uns aufgezwungen wird.

Beide, die Folterbilder wie auch die amtlichen Bilder eingebetteten Journalisten, entstehen im selben Geflecht von Normen und Rahmungen, deren Zweck es ist, das Leid der Anderen verschwinden lassen.

In mancher Hinsicht erscheinen die meisten der Beiträge des Buches wie ein Kommentar zu dem Text von Butler. Linda Hentschel zeigt am Beispiel militärischer Bildmotive, wie moderne Regierungstechnologien mit einer Art von visuellem Risikomanagement der Sichtbarkeitsverhältnisse Macht ausüben. Silke Wenk liest asymmetrische Kriege und mit asymmetrischen Geschlechterverhältnisse und deren Bildern parallel. Tom Holert analysiert am Beispiel einer Fotostrecke von Todd Heisler die Heimkehr der toten Soldaten in Särgen als ein Lexikon der Passionen Frauen werden dabei in der Doppelrolle als Soldatinnen und Kriegerwitwen zu Trägern einer Ästhetik des Nationalen. Am Beispiel der Bildern männlicher Helden macht Godehard Janzing auf eine eigentümliche Umkehrung aufmerksam.

Im Bild des reflexiven oder gebrochenen Helden vermag die repräsentierte Nation symbolisch von der Täter- auf die Opferseite zu wechseln.

Nicholas Mirzoeff liest das Lager als das Panopticon unserer Zeit und unternimmt damit den nicht recht überzeugenden Versuch, einen ohnehin überstrapazierten Begriff Agambens ins Visuelle auszudehnen.

Dagegen zeigt Michaela Wünsch sehr gewitzt an einer Reihe von Horror-Filmen des Regisseurs George Romero, wie die Figur des Zombies sich dem medialen Regime des Fernsehens anpassen und dabei unregierbar wird. Ebenfalls sehr originell geht Hendrik Blumentrath von der Jahresausstellung der Royal Academy 1901 aus. In der Krise der klassischen Schlachtengemälde zeigt sich, wie der Feind am Rand des Empires unsichtbar wird. Aber auch das Porträt der Queen gibt keinen Halt mehr, denn es ist zu einem rein repräsentativen Ausstellungsstück ohne Souveränität geworden.

Insgesamt durchzieht die Aufsätze des Buches recht homogen ein Denken, das fast durchgehend mit den Begriffen der angelsächsischen visual oder cultural studies operiert. Das ist kein Nachteil, zeigen sich doch als gut geeignet, um die politische Bildproduktion im Umfeld der jüngsten Kriege zu erhellen.

Linda Hentschel (Hg.): Bilderpolitik in Zeiten von Krieg und Terror. Medien, Macht und Geschlechterverhältnisse. bbooks Berlin 2008, 240 Seiten, 19,90€

Bild: Todd Heisler: Finale Salute, 2005