Dem aktuellen Wochenend-Standard liegt wie immer der ImmobilienStandard bei. Der besteht aus ein paar Blättern Immobilien-Anzeigen, denen vorne mit zwei Seiten Text eine kleine Einleitung gegönnt wird. Diesmal hat sich der Architekt und Publizist Wojciech Czaja entschieden, die Titelseite der Beilage mit Feng-Shui-Verblödung zu füllen.
Unter dem Titel Mit dem Qi ab durch die Mitte bekommen die Leser dort eine unkritische Wiedergabe der Meinungen eines Feng-Shui Beraters und zweier Architekten vorgesetzt, unterbrochen durch ebenso unkritische Feng-Shui-PR des Autors selbst. Über all dem prangt in der Printausgabe riesengroß ein Bild des Hochfrequenz- Breitbandmessgerätes namens Lambda-Fox RFA3 vor dem Hintergrund eines lichtdurchfluteten Wohnraums. Der Subtext des Arrangements scheint zu lauten: ACHTUNG: Überall lauert ELEKTROSMOG! Die zugehörige Bildunterschrift besagt jedenfalls: “Feng-Shui ist keine Hexerei, sondern physikalisch messbar.” Ja, klar, und der Papst ist Buddhist.
“Physikalisch messbar” sind natürlich die elektromagnetischen Wellen,
nicht das Feng-Shui, und schon gar nicht das magische “Qi”, das
bestenfalls als Metapher für eine Art spirituelle Lebensenergie
durchgeht. Derlei Fantasien kennen wir aus der Traditionellen
Chinesischen Medizin, wo ja statt Bakterien und Viren auch ständig das
“blockierte Qi” an Krankheiten schuld sein soll. Wie dümmlich die
künstliche Verbindung von elektromagnetischen Feldern mit den
asiatischen Architekturtipps ist, ergibt sich bereits aus der Überlegung,
wie der alte chinesische Ahnenkult wohl zur Frequenzanalyse gekommen
sein mag. Im Untertitel des Artikels setzt sich der Bullshit jedenfalls munter
fort:
Mit der chinesischen Wissenschaft von Wind und
Wasser wird allerhand Schabernack getrieben. Gute und clevere Tipps
sind immer dabei. Aber nicht überall, wo Feng-Shui draufsteht, ist auch
Feng-Shui drin.
Man beachte: Nicht nur wird hier mit dem
Begriff “Wissenschaft” Schindluder getrieben, sondern man präsentiert
sich auch noch als eine Art Konsumentenschützer, der vor den
“unseriösen” Feng-Shui Beratern warnt und diesen einen “seriösen”
Berater, quasi einen Profi, entgegenstellt. Die naheliegende Frage, was
denn einen seriösen von einem unseriösen Pseudowissenschaftler
unterscheidet, klärt sich dadurch nicht.
Den Part des seriösen Experten spielt im Artikel der Feng-Shui Berater Manfred Kainz.
“Was
die Österreicher unter Feng-Shui verstehen, ist mitunter schlimm”, sagt
Manfred Kainz, professioneller Feng-Shui-Berater, “jeder, der einmal
ein Buch darüber gelesen hat, nennt sich bereits Berater und bietet
seine Dienste ahnungslosen Kunden an.”
Ein Skandal, fürwahr. Da kann Autor Czaja nur zustimmen:
Die
vielen banalen Tipps aus dem Internet haben in den letzten Jahren dazu
beigetragen, dass die chinesische Wissenschaft […] heute von vielen
belächelt wird.
Dass ausgerechnet die angebliche Wissenschaft
aus dem Land des Lächelns heute oft belächelt wird, lässt einem echten
Feng-Shui-Profi wie Manfred Kainz schon das Herz bluten. Der Experte weiß nämlich:
Feng-Shui lässt sich größtenteils physikalisch erklären und ist daher beileibe keine Hexerei.
Was die “physikalischen Erklärungen” angeht, so sind diese in Kainz’ regelmäßigen Publikationen im “Wellness-Magazin” allerdings eher nicht anzutreffen. Dort findet man dafür intellektuelle Tiefpunkte wie diesen:
Aus physikalischer Sicht können sich andere Stoffe in Wasser lösen und von diesem weitertransportiert und auch wieder abgegeben werden. […] Wasser nimmt Stoffe auf und damit auch deren Eigenschaften und Informationen.
Es folgt der übliche Ramsch von wegen Homöopathie, Masaru Emoto und was man aus den Untiefen der Wassergedächtnisfantasien eben so kennt. Die Praxistipps des Experten Kainz sind dabei auch nicht viel besser. Gegenüber der Eingangstüre, so meint er, sollte kein WC liegen. Klingt nicht unvernünftig, aber wer jetzt über die ästhetisch-olfaktorischen Ansprüche etwaiger Gäste argumentiert, der ist Feng-Shui mäßig gewaltig am Holzweg:
Gegenüber der Eingangstüre gelegen, zieht das WC das zur Türe hereinkommende gute Qi ab, es fließt in die Toilette und wird heruntergespült, sodass nur wenig davon in die Wohnräume weitergeleitet und schlechtes Qi aus dem WC mitverteilt wird. Das unreine Qi zirkuliert im ganzen Haus und verursacht Gesundheitsprobleme. Ein kleiner Spiegel innen und außen und an der Toilettentür verhindert diese negativen Auswirkungen weitgehend.
Wie man gutes von schlechtem Qi “größtenteils physikalisch” voneinander unterscheiden kann, darüber lässt sich Herr Kainz leider nicht näher aus. Auch der zweite im Standard vorgestellte Feng-Shuiker kann dem Leser dabei nicht weiter helfen. Der Architekt und “Geomant” Lutz Lehmann schreibt auf seiner Webseite Sätze wie
Man unterscheidet zwischen links- und rechtszirkularen Wasseradern,
was ihn zwar noch lange nicht als Feng-Shui-Auskenner, dafür aber recht eindeutig als Märchenonkel qualifiziert.
Wojciech Czaja assistiert im Artikel mit zwei wissenschaftlich klingenden Begriffen aus dem Fabelreich der Wünschelrutengeher:
Die wichtigsten Fragen im Feng-Shui drehen sich rund um die Geomantie und Radiästhesie, also um die Erdstrahlung und um die Globalgitternetzlinien, die die Erde umspannen
wozu Online-Standard-Kommentator “KaterTom” sehr treffend bemerkt:
Globalgitternetzlinien? Muss so was ähnliches sein wie die Höhenlinien, über die ich beim Bergwandern immer stolpere.
Spätestens mit dem Auftauchen der “Erdstrahlung” wird deutlich, worum es bei dem ganzen Unsinn eigentlich geht: Nicht um das traditionelle chinesische Feng-Shui, sondern darum, ein wenig das als “Baubiologie” getarnte Geomantengewerbe zu pushen, das zu einem großen Teil davon lebt, Menschen Strahlungsängste einzureden, um diese dann im Austausch gegen Bares wieder hinwegzuzaubern.
Freilich: dies ist nicht die einzige Branche, deren Geschäftsgrundlage Bullshit ist. Und Feng-Shui-Quatsch kann man sich hierzulande sogar in einem Universitätslehrgang von einem Wünschelrutengeher, einem Astrologen und einer Architektin mit falschem Doktortitel erklären lassen. Aber muss man ihn deshalb in einem sich selbst als Qualitätszeitung verstehenden Blatt auf einer dreiviertel Seite unkritisch bewerben? Man kann nur hoffen, dass sich da kein Trend abzeichnet.
Kommentare (36)