[Nachträglicher Hinweis vom 18.02.2009: Die drei hier verlinkten und weitere acht Videos zur Holopathie wurden gestern Nacht aus YouTube entfernt. Ob das aus juristischen Gründen oder aus Schamgefühl geschah, entzieht sich meiner Kenntnis.]
Wenn mich jemand fragt, wo ich aufgewachsen bin, dann antworte ich meistens “in Klagenfurt”. Aber eigentlich stimmt das nicht. Genaugenommen bin ich nämlich im Herzen von Viktring aufgewachsen, einem kleinen Örtchen, das direkt im Süden an Klagenfurt anschließt. Ein paar hundert Meter südöstlich von meinem Elternhaus ist jene Stelle, an der Jörg Haider 2008 tödlich verunglückte. Ein paar hundert Meter nordwestlich wiederum ist die Orionstraße, wo die Praxis von Dr. Christian Steiner liegt. Dr. Steiner ist zwar nicht so berühmt wie Jörg Haider es war, aber das kann sich ja noch ändern. Steiner ist immerhin der Erfinder der Holopathie.
Falls Sie noch nicht wissen, was Holopathie überhaupt sein soll, dann können Sie auf Steiners Webseite nachlesen, oder in den Werbetexten der unzähligen Ärzte und Heilpraktiker, die dieses alternativmedizinische Diagnose- und Therapieverfahren anwenden. Dort liest sich das etwa so:
Die Holopathie ist ein modernes, in Österreich entwickeltes Verfahren zur professionellen ganzheitlichen Behandlung von akuten und chronischen Krankheiten, Schmerzzuständen und Befindlichkeitsstörungen. Die Holopathie […] beruht auf bewährten Prinzipien der Ganzheitsmedizin […]. Sie verbindet diese erprobten Prinzipien zusammen mit modernster Computertechnik in einer neuen, umfassenden Synthese. Das Resultat: Gezielte, ursachenorientierte energetische Therapien, die in vielen Fällen auch dann noch helfen können, wenn bisherige Behandlungen versagt haben. Die Therapie ist für jeden Patienten individuell maßgeschneidert und frei von Nebenwirkungen.
Für die Angehörigen der Generation YouTube hat Dr. Steiner die Grundprinzipien der Holopathie auch fernsehgerecht aufbereitet:
Das klingt alles wirklich toll. Doch wenn man die diversen Texte zum Verfahren der Holopathie genauer anschaut, die Hintergründe studiert und sich die verschiedenen Videos von Dr. Steiner zu Gemüte führt, dann kann man sich am Ende ein Bild davon machen, was wirklich hinter diesem Verfahren steckt. Die Holopathie ist ein Eintopf aus sämtlichen gängigen alternativen und esoterischen Heilmethoden, die am Markt für Placeboverfahren zu haben sind. Das Rezept dafür ist ungefähr folgendes:
Man nehme einen ordentlichen Batzen Homöopathie und rühre diesen mit reichlich Bioresonanz und Elektroakupunktur nach Voll an, würze mit Organschwingungen und gebe eine Prise Akupunkturmeridiane hinzu. Das ganze ordentlich durchrühren, homöopathisch potenzieren und mit Elektronik und Informatik anreichern. Am besten noch heiß auf einer verschwurbelten Basis aus Burkhard Heim’scher Kryptophysik servieren und dazu von “neuesten Erkenntnissen der Quantenphysik” schwafeln.
Selbstverständlich tauchen die Begriffe “diagnostische Validität” und “spezifische Wirksamkeit” in all den ganzheitlich dahinschwingenden Holopathie-Werbetexten nicht auf. In den medizinischen Datenbanken existiert keine Holopathie und eigene Studien haben deren Apologeten auch nicht vorzuweisen. Aber dafür jede Menge “gute Erfahrungen”. Zwar findet sich im Kleingedruckten aus juristischen Gründen meist der Hinweis, das ganze Brimborium wäre “wissenschaftlich nicht anerkannt”, doch ist dies in Alternativmedizinkreisen ja beinahe schon ein Qualitätsausweis. Von den “jahrelangen Forschungen”, die Dr. Steiner angeblich zur Entwicklung der Holopathie führten, ist wenig bekannt. Einem 2001 mit ihm geführten Interview kann man aber immerhin entnehmen, dass dabei anscheinend auch Versuchspersonen den “Schwingungen” von Zyklon-B ausgesetzt wurden. Da lacht das Herz jeder Ethikkommission.
Die Leidtragenden sind im doppelten Wortsinn die Patienten, die wohl meist im Glauben kommen, hinter der eindrucksvollen Computer- und Magnetfeldtechnik verstecke sich ein wirksames und erprobtes Diagnose- oder Heilverfahren der modernen Hightech-Medizin. Aber leider: wie der altbackene Vorgänger der Holopathie, die Bioresonanz, liefert die Diagnostik mittels Messgriffel an eingebildeten Meridianen ein durch mehr oder weniger starkes Aufdrücken desselben auf die Haut wunderbar leicht manipulierbares wünsch-dir-was-Ergebnis, das dann, begleitet von bedächtigem Kopfnicken und argwöhnischem Stirnrunzeln in die Empfehlung einer holopathischen Schwingungstherapie mündet [Videolink 1, 2]. Um rund € 100 pro Stunde ist man als Patient mit dabei. Für die Wirtschaftskammer ist dabei alles in Ordnung, dort fällt die Placebo-Abzocke unter das Energethiker-Gewerbe – wahrscheinlich gibt es bald geförderte WIFI-Kurse dafür.
Die Zielgruppe von Dr. Steiners Voodoo-Verfahren sind neben den Patienten aber auch die Anwender selbst, die dazu eine sogenannte QuintStation kaufen und diverse Schulungen besuchen müssen. Die QuintStations werden von der Firma QuintSysteme vertrieben, die Dr. Steiner gemeinsam mit dem Informatiker Klaus Dillinger gegründet hat. So eine QuintStation gibt es freilich nicht umsonst. Wie man einer Korrespondenz entnehmen kann, die der Wiener Psychologe und ehemalige Holopathie-Anwender ohne ärztliche Ausbildung Alexander H. Gaischin mit Klaus Dillinger geführt und dankenswerterweise auf seiner Webseite gespeichert hatte, war eine QuintStation 515 inkl. Software Ende 2007 zum Schnäppchenpreis von € 31.200 zu haben. Billiger gab’s da schon die weiteren Highlights aus der Werkstätte der Voodoo-Technik, die auf die Namen QuintDrink, QuintProtect, QuintFilm oder QuintChip hören – allesamt irgendwas mit “einprogrammierten homöopathischen Schwingungen”.
Der arme Holopathie-Anwender, der sich in das unternehmerische Risiko des Ankaufs einer Holopathiemaschine zum Preis eines Neuwagens gestürzt hat, muss dann freilich alles tun, um die finanzielle Last kleinweise auf seine Patienten zu überwälzen. Dafür ist anscheinend keine Werbemaßnahme absurd genug. Der Wiener Medizinalrat Dr. Maher Damen-Barakat z.B. entblödete sich nicht, in einem Interview mit dem renommierten Fachmagazin “Ihr Einkauf” davon zu schwadronieren, dass mittels Holopathie auch solche Kleinigkeiten wie Brust-, Lungen-, Darm- und Magenkrebs “teilweise geheilt werden konnten”.
Die Zahl der Holopathie-Anwender ist einstweilen munter im Steigen begriffen und das Geschäft mit der Voodoo-Technik läuft anscheinend wie geschmiert. Der einzige Patzer, der der holopathischen Gemeinschaft rund um Dr. Christian Steiner passiert ist, war der, als vor vier Jahren irgendjemand die grandiose Idee hatte, das esoterische Therapiekonzept in einer kontrollierten, randomisierten und doppelt verblindeten Studie an Patienten mit chronischer Polyarthritis zu testen. Das Resultat des Versuchs war eine Dissertation an der Medizinischen Universität Innsbruck, in der Dr. Heike Larcher feststellte, dass die holopathische Therapie mittels QuintStation glücklicherweise keinerlei Nebenwirkungen, aber unglücklicherweise auch keinerlei spezifische Wirkungen hat:
Hinsichtlich des Hauptzielkriteriums DAS28 zeigten sich weder zwischen noch innerhalb der beiden Behandlungsgruppen signifikante Unterschiede.
Dr. Christian Steiner ist übrigens als Vertreter der Alternativmedizin in jenem “Gesundheitsgespräch” in der Wiener Urania vorgesehen, das der Verband der pharmazeutischen Industrie gemeinsam mit der Tageszeitung Die Presse organisiert. Gesundheitsminister Stöger soll auch dabei sein, und der Titel der für den 9. März 2009 anberaumten Veranstaltung lautet “Schulmedizin versus alternative Heilmethoden – was heilt besser?”. Dr. Heike Larcher wurde meines Wissens nicht eingeladen.
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