Wie in meinem Holopathie-Beitrag bereits angekündigt war, ist für kommenden Montag Abend ein “Gesundheitsgespräch” zum Thema Schulmedizin versus alternative Methoden – was heilt besser? in der Wiener Urania geplant. Gesundheitsminister Alois Stöger wird auch dabei sein. Ursprünglich hätte der Holopathie-Erfinder, -Anwender und -Vermarkter Dr. Christian Steiner dort die Alternativmedizin vertreten sollen. Doch dann schrieb ein garstiger Wiener Skeptiker einen Blogbeitrag zur Voodoo-Technik der Holopathie und schickte eine e-mail mit einem Hinweis darauf ans Büro von Minister Stöger. Kurze Zeit später ließ dieser die Organisatoren der Veranstaltung wissen, Dr. Steiner sei als Diskussionspartner unerwünscht.
Daraufhin begaben sich die Organisatoren auf die Suche nach einem ersatzweisen Vertreter der Alternativmedizin, möglichst einer Person ohne einschlägige Voodoo-Erfahrung. So jemanden zu finden, ist in Österreich nicht einfach, wie wir wissen. Schließlich wurde man aber doch fündig und so wird Minister Stöger am Montag voraussichtlich mit Prof. Dr. Wolfgang Marktl an einem Tisch sitzen, dem Präsidenten einer Vereinigung namens Wiener Internationale Akademie für Ganzheitsmedizin, kurz GAMED.
Prof. Marktl ist Leiter der Abteilung Umweltphysiologie und
Balneologie an der Meduni Wien. Von Voodoo-Kram á la Dr. Steiner
trennen ihn Welten. Er ist kein praktizierender Alternativmediziner und
auch an seiner Forschungstätigkeit ist nichts auszusetzen. In den
letzten Jahren ist er in wissenschaftlichen Publikationen u.a. Fragen wie diesen nachgegangen:
- Does aerobic training improve mental stress tolerance in job situations? (Nein)
- Does aerobic training enhance effects of spa therapy in back pain patients? (Nein)
- Does oxygenated water support aerobic performance and lactate kinetics? (Nein)
Zugegeben, Marktl hat ein Buch mitherausgegeben, das den etwas irritierenden Titel Wasser: Heilmittel – Lebenselixier – Informationsträger trägt. Wasser als Informationsträger, das ist bekanntlich eine Homöopathenfantasie. Aber sei’s d’rum – ich habe das Buch nicht gelesen und werde nicht über seinen Inhalt spekulieren.
Nun ist Prof. Marktl aber wie bereits erwähnt auch Präsident der GAMED. Als solchem missfiel es ihm sehr, dass das Kursangebot dieses Vereins in einem kritischen Artikel in der Wiener Zeitung erwähnt wurde, der den Untertitel Wie Mediziner mit Esoterik zertifiziert punkten können trug. Die Veranstaltungen der GAMED hätten nichts mit Esoterik zu tun, verteidigte er deren Angebot.
Bei Alternativmedizin im Zusammenhang mit Esoterik denken viele spontan an Dinge wie z.B. Kristalltherapie. Ein passend ausgewählter Kristall wird dem Patienten auf den Nabel gelegt, sendet dort seine “heilsamen Schwingungen” aus, die von den erkrankten Organen des Patienten dankbar angenommen werden und die Selbstheilungsprozesse in Gang setzen. So oder so ähnlich lesen sich die esoterisch-pseudowissenschaftlichen Erklärungsversuche für den Placeboeffekt der Kristalltherapie.
Ein weiteres Beispiel ist die sogenannte “Neue Homöopathie” nach Körbler. Sie braucht keine unendlich verdünnten Wirkstoffe mehr, sondern setzt ganz unverblümt auf Esoterik und Magie. Krankheiten und Störungen werden mit dem “Biotensor”, einer Metallwünschelrute, diagnostiziert, und statt Globuli zum Schlucken bekommen sie geometrische Figuren auf die Haut gemalt. Die Therapie erledigen deren “feinstoffliche Schwingungen” – Heilen mit Strichcodes nennen die Neuen Homöopathen das. Eine Vertreterin dieser Richtung ist z.B. Dr. Claudia Hannemann.
Was viel weniger bekannt ist, ist die Tatsache, dass dieselben esoterischen Konzepte wie in der Kristalltherapie und der Neuen Homöopathie sich auch in vielen technisierten Bereichen der Alternativmedizin verstecken – etwa in der Bioresonanz. Die Bioresonanz und die mit ihr eng verwandte Elektroakupunktur nach Voll (EAV) verwendet zur Diagnose und zur Therapie elektronische Apparate, die angebliche “Organschwingungen” über Hautelektroden abnehmen und dann je nach Ausgestaltung entweder “invertieren” und in den Körper zurücksenden oder passende Homöopathika bzw. Bachblüten ermitteln bzw. sogar selbst durch “Bestrahlung” herstellen, worauf dem Körper die “heilende Information” per Schwachstrom, Magnetfeld oder sonstwie übermittelt wird. Ein besonders “modernes” Beispiel kennen wir bereits – die oben erwähnte Holopathie.
Bioresonanzgeräte sind Voodoo-Technik. Das ist so klar erwiesen, dass es innerhalb der medizinischen Wissenschaft keinen Zweig gibt, der an Bioresonanz auch nur anstreifen will. Die Geräte messen teils den Hautwiderstand, teils sind sie Rauschgeneratoren – ihre Diagnosen liegen samt und sonders im Zufallsbereich und können durch Würfeln substituiert werden. Etwaige angebliche Therapieeffekte sind dem natürlichen Krankheitsverlauf geschuldet (Regression zum Mittelwert) oder Placebo- und Kontexteffekte. Alle seriösen Studien laufen auf diese Resultate hinaus. Die Konsequenz ist, dass Bioresonanz durch große finanzielle Kosten und deutliche Gefahren (Fehldiagnosen, unnötige Behandlungen, Therapieverschleppung) glänzt, was den geringen Placebonutzen einer solchen Voodoo-Therapie deutlich überwiegt. Das gilt auch für die bloße Bioresonanzdiagnose – sie kann nicht einmal einen Placeboeffekt aufweisen und ist nichts anderes als eine gigantische Abzocke.
All das ist allen Personen und Institutionen bekannt, die sich näher damit befasst haben. Etwa dem Verein für Konsumenteninformation (VKI), der vor “haarsträubenden Diagnosen” und “dubiosen Geschäften” warnte. Oder der Fachkommission der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI), die “diagnostischer und therapeutischer Unsinn” konstatiert. Oder der Süddeutschen Zeitung, die “reine Spekulation und Irreführung” am Werke sieht. In den USA ist konsequenterweise der Einsatz von EAV- und Bioresonanzgeräten seit 13 Jahren verboten. Bei uns bekommen sie mit ein wenig Glück eine Zertifizierung als Medizinprodukt.
Dass die abstrusen Messgeräte der Bioresonanz stark an das berüchtigte e-Meter der Scientology erinnern, ist kein Zufall. Es ist weithin bekannt, dass die Gründerväter der Bioresonanz, Dr. Franz Morell und Hans Brügemann, hochrangige Scientologen waren. Das setzt sich in die Gegenwart fort, etwa bei Dr. Siegfried Kiontke, dem Erfinder eines Voodoo-Gerätes namens MitoPlus. Kiontke ist nicht nur Klimawandelleugner und AIDS-Zweifler, sondern auch “Operierender Thetan” der Stufe VIII, was bei den Scientologen so eine Art Heiligenstatus ist.
Ein weiterer Star der internationalen Bioresonanzszene ist Dr. Bill Nelson, der sich “Professor” nennt und das “Quantum QXCI” sowie das “EPFX-SCIO System” entwickelt hat. Ob Bill Nelson Scientologe ist, weiß ich nicht. Aber die Seattle Times weiß, dass er ein amerikanischer Justizflüchtling ist. Seit 1996 lebt er in Ungarn, weil in den USA ein Haftbefehl wegen schweren Betrugs auf ihn wartet. Auf Nelsons Wundermaschinen angesprochen, meinte ein FDA-Direktor “This is pure, blatant fraud. The claims are baloney.”
Auffällig ist bei Bioresonanz-Anhängern auch der Hang zu platter Pseudowissenschaft. Dort werden munter “Skalarwellen”, “Informationsfelder”, “Orgonstrahlen” und “Biophotonen” ins Spiel gebracht. Als Überbegriff muss “Energiemedizin” oder, noch schlimmer, “Quantenmedizin” dienen. Ein eindrucksvolles Beispiel liefert der Wiener Bioresonanztherapeut Dr. Norbert Maurer (“Impfungen können krank machen!“) in der Leseprobe aus seinem Quantenmedizin betitelten Buch, die auf seiner Webseite in der Rubrik “SIENCE” (sic!) zum download angeboten wird. Sinnbefreite Sätze wie etwa
Schwingungen haben Informationscharakter, sonst wäre es nicht möglich, z.B. Informationen im Radiowellenbereich zu transportieren.
stehen dort stellvertretend für das intellektuelle Debakel der “Quantenmedizin”.
Was das alles mit der GAMED zu tun hat? Nun ja, wenn man sich z.B. das Kursprogramm des Lehrgangs Integrative Medizin 2008 der GAMED ansieht, dann findet man dort einen Kurs über “Elektrophysiologische Testverfahren“. Diesen Ausdruck gibt es sonst nur in einem spezifischen Gebiet der Neurologie. Doch diesen Kurs unterrichtet Dr. Norbert Maurer, der “Quantenmediziner”, und es ist unschwer zu erraten, dass das, was dort euphemistisch als “elektrophysiologische Testverfahren” umschrieben wird, nichts anderes ist als die Voodoo-Diagnostik der Bioresonanz.
Und wenn man sich das Programm des Energiemedizin-Symposiums 2004 der GAMED unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Wolfgang Marktl zu Gemüte führt, so findet man dort neben eindeutig esoterisch-pseudowissenschaftlichen Workshops wie “Kirlianfotografischer Nachweis homöophatischer Hochpotenzen” eine Reihe von Vortragenden mit bekannten Namen.
Z.B. die Strichcodeheilerin Dr. Claudia Hannemann:
Oder den Ober-Scientologen Dr. Siegfried Kiontke:
Und nicht zuletzt den Justizflüchtling und mutmaßlichen Betrüger “Prof.” Bill Nelson:
Weitere einschlägige Beispiele aus Bioresonanz, EAV und anderen Voodoo-Verfahren zu finden fällt nicht schwer. Es ist allerdings richtig, dass diese “wissenschaftliche” Veranstaltung der GAMED bereits fünf Jahre alt ist. Hat sich die GAMED seither bemüht, sich von Esoterik und Voodoo abzugrenzen? Das Gegenteil ist anscheinend der Fall. Seit neuestem ist ein GAMED-Energethiker-Zertifikat in Arbeit. Aber nicht nur zertifiziert sollen die Energethiker werden, sondern auch ausgebildet. Etwa zum “Sakralenergetiker”.
Was Sakralenergetik sein soll, erklärt der verlinkte Infofolder:
Die Sakralenergetik “lehnt sich an die Naturwissenschaften an“. Offenbar so stark, dass diese umfallen. Ein “schwingendes, energetisches Regelfeld” – solch metaphysisches Geschwurbel kennen wir bereits zur Genüge. Pseudowissenschaft vermengt mit Esoterik, Worthülsen und frei erfundene Verfahren bar jeder Wirkung jenseits von Placebo. Das ist das Arbeitsfeld der Energethiker, die sich mit “th” schreiben, weil sie ihr angeblich ethisches Tun betonen wollen.
Das Gewerbe der Humanenergethik wurde geschaffen, um der wachsenden Nachfrage nach esoterisch-spirituellen “Behandlungen” ein entsprechendes Angebot entgegen zu setzen. Energethiker kann jeder werden, der Knackpunkt ist aber der “Kurpfuschereiparagraph”. Der Energethiker darf nämlich keine Tätigkeiten ausüben, die unter den Ärztevorbehalt fallen. Das betrifft
jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird
Die entscheidenden Worte sind dabei “auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete“, denn das bedeutet, dass Energethiker unwissenschaftliche, pseudowissenschaftliche und esoterische Behandlungskonzepte nicht nur einsetzen dürfen, sondern sich sogar auf genau diese beschränken müssen, wollen sie nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Der Energethiker und Rechtsanwalt Dr. Manfred Schiffner macht das eindringlich an den höchstgerichtlichen Entscheidungen zu den Fällen Irisdiagnose und Geistheilung klar. Mit seiner Holistic Akademie will er übrigens ebenfalls Energethiker zertifizieren.
Was Prof. Marktl und die GAMED betrifft, so kann niemand einen privaten Verein daran hindern, Pseudowissenschaften zu fördern oder esoterischen Humbug zu propagieren. Es ist auch nicht verboten, Esoterikern, Scientologen und mutmaßlichen Betrügern ein Podest zu bieten. Aber wie ein an einer staatlichen Universität tätiger habilitierter Wissenschaftler es mit seinem Berufsethos vereinbaren kann, seinen guten Namen für derlei herzugeben, das ist mir persönlich schleierhaft. Ich habe Prof. Marktl in einer e-mail um eine Stellungnahme ersucht, die ich gegebenenfalls hier veröffentlichen würde.
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