Die Montagsakademie der Uni Graz ist ein ganz hervorragendes Konzept, das soll hier gleich vorausgeschickt werden. Seit sechs Jahren gibt es dort regelmäßig (immer an Montagen) öffentliche Vorträge von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Universitäten unter dem Motto “Bildung für alle durch allgemein verständliche Wissenschaft“.
Leider ist Ende Februar anscheinend einiges schief gegangen. Denn was der seit Jahren als “Ernährungsexperte” herumgereichte Herr Claus Holler da am 23.02. unter dem Titel “Gesundheit ist nicht teilbar – eine ganzheitliche Betrachtung der menschlichen Gesundheit” erzählte, das stand nach einem mir vorliegenden Erfahrungsbericht wohl eher unter dem Motto “Unbildung durch Pseudowissenschaft“. Bereits die Vorankündigung
Neue wissenschaftliche Messmethoden beweisen eindrucksvoll, dass die
Vitalität eines Lebensmittels sehr unterschiedlich sein kann.
musste jeden aufmerksamen Leser stutzig machen, ist doch bekanntlich die “Vitalität” eines Lebensmittels ein Konzept, das ausschließlich in Eso-Öko-Kreisen Verwendung findet.
Nun gut, diese Veranstaltung lief in Kooperation mit der “BIOVERSITÄT
2009“, einer Veranstaltungreihe von BIO AUSTRIA, wobei es sich wiederum um das “Netzwerk der Biobäuerinnen und Biobauern Österreichs” handelt. BIO AUSTRIA ist also u.a. eine Lobbyorganisation, deren Ziel
es ist, zum Wohle ihrer Mitglieder die Gleichung BIO = BESSER unters
Volk zu bringen. Die Frage ob das wirklich so ist, überlassen wir hier
anderen zur Beantwortung und halten nur fest, dass Lobbying für Bioprodukte
an sich nichts Verwerfliches ist. Verwerflich ist es allerdings, wenn
man zur Verbreitung dieser Botschaft nicht vor junk science
zurückschreckt, und ein netteres Wort fällt mir zur Beschreibung der
Studien des BIO AUSTRIA “Ernährungsexperten” Claus Holler leider nicht
ein.
Blicken wir zurück auf den Vortrag, den Holler anno 2006 im
Radiokulturhaus des ORF Wien halten durfte. Dort findet sich bereits in
der Einleitung der folgende bemerkenswerte Unsinn:
Es hat den Anschein, dass der in den differierenden
Schwingungen dieser unterschiedlichen Lebensmittelqualitäten verborgene
Informationsgehalt, der den Ordnungsgrad eines biologischen Systems
hebt oder verringert, bewusst oder unbewusst von den Tieren
wahrgenommen wird. Wie aus dem Physikunterricht bekannt ist, kann es
beim Aufeinandertreffen von Schwingungen zu Verstärkungs- oder
Auslösch-Phänomenen kommen. […] Entsprechend dem menschlichen
Frequenzspektrum von weniger als 1 Hertz bis über 1018 Hertz sind
Resonanzphänomene mit Lebensmitteln als sicher anzunehmen.
Da haben wir also unsere sattsam bekannten “Schwingungen“, die eine
“Information” transportieren, und zwar über “Resonanzphänomene“. Wer bei
solchem Geschwurbel ein deja-lu Erlebnis hat, der erinnert sich vielleicht an
unsere kürzlich hier stattgefundene Dekonstruktion
der Holopathie und ihres entsprechenden Voodoo-Gerätes namens
QuintStation. Oder an das pseudowissenschaftliche Gelaber des sich
selbst als “Energiemedizin” bezeichnenden magischen Zirkels, der bei
der GAMED und beim Interuni-Kolleg so hoch im Kurs steht. Und wo
Bachblüten und innere Organe irgendwelche genau definierten
“Frequenzen” abstrahlen, dort können das freilich auch Lebensmittel
tun. Herr Ober, ein Steak bitte, medium und 20 MHz!
Wer sich jetzt fragt, wie das denn physikalisch funktionieren soll, der wird von Herrn Holler folgendermaßen belehrt:
Die Grundlage dafür bildet die Fähigkeit des Wassers (im
Körper, in Lebensmitteln, etc.) Frequenzen zu speichern, die von der
Struktur der Wassermoleküle und deren Eigenschaften bestimmt werden. So
wirken die H2O-Moleküle als Dipole und senden ein spezifisches elektromagnetisches Schwingungsfeld ab, da ihre Atome frei schwingen können. Durch die Winkelanordnung wird das Schwingungsverhalten der Moleküle vorbestimmt, was den Informationsgehalt prägt (Köhler). Zusammenschlüsse von unterschiedlichsten Anzahlen an H2O-Molekülen bilden Cluster-Strukturen, die eine spezifische Frequenzabstrahlung haben. Auf diese Weise ist Wasser in der Lage, Informationen, d. h. Schwingungen bestimmter Frequenz zu speichern und diese Codierung auch wieder freizusetzen.
Bei dem hier zitierten “Köhler” handlt es sich um jenen Bioresonanz-Arzt namens Dr. Bodo Köhler, der bereits 1994 völlig ungehemmt über “Quantenmedizin” dilettierte. Wir haben es also – wenig überraschend – mit dem bei
Energetikern und Homöopathen beliebten Märchen vom Wassergedächtnis zu tun. Motto: Wassertank statt DVD! Aber das ist eine längere Geschichte…
Zurück zu den “neuen Messmethoden” des Herrn Holler, die da sind:
Da begegnen wir also unserem oben erwähnten Voodoo-Gerät, der “QuintStation“, die mit ihrem Schnäppchenpreis von € 31.200,- in keinem Haushalt fehlen sollte. Dann lernen wir die GDV kennen, eine computerisierte Variante der altbackenen und längst als Humbug bekannten Kirlianfotografie, und schließlich die Herzratenvariabilität (HRV). Bei letzterer handelt es sich zwar nicht grundsätzlich um ein Voodoo-Verfahren; dennoch erfreut sie sich besonders dort großer Beliebtheit, wo man auf valide und reliable Testverfahren wenig bis keinen Wert legt. Da man bis auf wenige Ausnahmen im Grunde nicht weiß, was die vielen aus der HRV abgeleiteten Parameter eigentlich über den Zustand des Menschen aussagen, eignen sich diese hervorragend, um nach der Messung im Datenhaufen signifikante Unterschiede hervorzukramen, auf die man dann triumphierend verweisen kann und die sich beinahe beliebig im Sinne des gewünschten Ergebnisses interpretieren lassen.
So darf es also auch nicht verwundern, wenn Claus Holler seinerzeit, als er noch beim Wiener Krankenanstaltenverbund tätig war, mit einer Reihe von Studien auf sich aufmerksam machte, die das Herz jedes Schamanen höher schlagen lassen.
Etwa mit jener Studie, in der er angeblich nachweisen konnte, dass der Einfluss des NARASAN-“energetisierten” Wassers auf den Menschen glatt besser ist als der von heiligem Mariazeller Wasser. Oder mit jener Studie, in der er messerscharf zeigte, dass irgendwas beim Menschen nach einer Sitzung “Pranic Healing” anders ist als vorher. Und dann half er auch fleißig dabei mit, nachzuweisen dass eine an der Decke hängende überdimensionale Alu-Schuhsohle dem Menschen gut tut, indem sie vor Erdstrahlen schützt. (Dieses als Gewowave bekannte Ärgernis überschwemmt in Folge seit Jahren die hiesigen Krankenhäuser – dazu bei Gelegenheit einmal mehr.) Der “Nachweis”, dass das Ding auch hervorragend mit Wunderwasser “informiert” werden kann, folgt gleich auf den Fuß.
Schließlich darf es auch nicht verwundern, dass Holler zur Freude des Herstellers verkündete, dass das “Kräutersalz Böhm” und das “Natursalz Böhm” doppelblind nachweisbar ganz tolle Salze seien. Nicht dass Sie jetzt denken, die armen Probanden mussten löffelweise Salz schlucken. Das Zeug kann laut Herrn Holler – eh klar – Informationen speichern und sendet seine magischen Schwingungen auch in den Körper, wenn man nur das mit Salz gefülltes Glas in der Hand hält. (Wahrscheinlich auch, wenn man nur ganz fest daran denkt.)
Die Grundlage dafür bildet die Fähigkeit des Salzes, Frequenzen zu speichern, die von der Struktur der Salzmoleküle und deren Eigenschaften bestimmt werden. So wirken die NaCl Moleküle als Dipole und senden ein spezifisches elektromagnetisches Schwingungsfeld ab, da ihre Atome frei schwingen können. Durch die Winkelanordnung wird das Schwingungsverhalten der Moleküle vorbestimmt, was den Informationsgehalt prägt.
Kommen Ihnen diese Sätze bekannt vor? Richtig, wir haben sie weiter oben schon gesehen, nur wurden in dieser neuen Version die Begriffe “Wasser” und “H2O” durch “Salz” und “NaCl” ersetzt. Copy-paste sei Dank!
Die österreichische Jugend ist allerdings nicht so einfach an der Nase herumzuführen, wie sich das manche vielleicht wünschen mögen. Dementsprechend lasen sich die Feedback-Kommentare nach einem Vortrag, den Claus Holler letztes Jahr vor einem einigermaßen perplexen Publikum der Pädagogischen Hochschule Hollabrunn halten durfte:
Wer solche Meriten vorweisen kann, der mag sich bei einem Biobauernverband vielleicht als Vorzeigeforscher qualifizieren, wenngleich die heimische Bioszene sich das meines Erachtens wirklich nicht verdient hat. Eine Montagsakademie, die den Menschen echte Wissenschaft nahe bringen will, sollte um diesen Typ von Vortragenden in Zukunft einen großen Bogen machen.
Kommentare (22)