Dr. Martin Graf (FPÖ) ist zwar dritter Präsident des Nationalrates, doch ich wage die Behauptung, dass seine Bekanntheit hierzulande hauptsächlich daher rührt, dass er in den Medien mit unschöner Regelmäßigkeit im Zusammenhang mit irgendwelchen rechtsbraunolympischen Geschmacklosigkeiten auftaucht. Aber Politik ist auf diesem Blog nur Thema, sofern sie sich mit Wissenschaft überschneidet. Das letzte Mal, als dies der Fall war – bei Minister Hahns (ÖVP) peinlicher Aberkennungsverweigerung des Ehrenkreuzes für den Wasseresoteriker Johann Grander – hatten wir (die GkD) als Initiatoren einer parlamentarischen Anfrage den Vorsitzenden des parlamentarischen Wissenschaftsauschusses als Mit-Anfragesteller auf unserer Seite. Dessen Name ist Dr. Martin Graf.

Man könnte also meinen, Martin Graf träte für die Wissenschaft ein. Doch das wäre vermutlich ein voreiliger und recht naiver Schluss. Denn Martin Graf stellt auch gerne parlamentarische Anfragen betreffend die skandalösen Vorgänge an der Urologie der Medizinuni Innsbruck (MUI). Dabei geht es ihm aber anscheinend gar nicht so sehr um die Wissenschaft. An der MUI gärt es seit über einem Jahr ganz gewaltig – Sie erinnern sich vielleicht daran, dass Nature im August 2008 “something rotten” in Austria diagnostizierte. Was da in Innsbruck vor sich hinrottet ist tatsächlich ein Medizin- und Wissenschaftsskandal, der schön langsam ins Surreale abdriftet. Um alle Details zu schildern, müsste man eine ganze Artikelserie darüber schreiben. Gottseidank hat das Laborjournal genau das getan – mittlerweile stehen wir bei Folge 17 von “Inkontinenz am Inn“.

Als die Zustände rund um die zusammengeschusterte Phase-III Studie der Urologen Bartsch und Strasser öffentlich bekannt wurden, war die Ethikkommission der MUI schon längst intensiv an der Arbeit. Die Folge waren in jüngster Zeit Dienstaufsichtsbeschwerden, polizeiliche Untersuchungen und staatsanwaltliche Ermittlungen.

Aber wie das in felix Austria halt vorkommen kann – diese Ermittlungen richteten sich nicht gegen Bartsch und Strasser, sondern gegen zwei Mitglieder der Ethikkommission. Und aus irgendeinem Grund spielt Martin Graf bei dieser Farce mittels parlamentarischer Anfragen fleißig mit.

Eines der beiden angegriffenen Mitglieder der Ethikkommission der MUI ist Univ.-Prof. Dr. Andreas Scheil, dem es jetzt langsam reicht. Sein folgender offener Brief ging an alle Abgeordneten zum Nationalrat und wurde auch im Laborjournal online veröffentlicht.

UB

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Offener Brief an den Dritten Nationalratspräsidenten Dr. Martin Graf

von Univ.-Prof. Dr. Andreas Scheil

(Innsbruck)

A. Charles Darwin verleumdet Prof. X und grüßt die Korruptionsstaatsanwaltschaft im

Namen von sechs Universitäten

Am 9.3.2009 „informiert” ein gewisser Charles Darwin per Email die Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien über die missbräuchliche
Verwendung von Einrichtungen der Medizinischen Universität Innsbruck
(MUI):

„Als weiteres Beispiel hat Prof. X sein Department an ein Biotechnikunternehmen vermietet und das Geld für private Zwecke verwendet.”

Zum Beweis legt Charles Darwin die Kopie des Vertrags zwischen Prof.
X und dem Unternehmen bei und verabschiedet sich mit: „Yours sincerely,
Medizinische Universität Innsbruck, Austria; UMIT, Austria; Ludwig
Maximilians Universität München, Germany; Universität Tübingen,
Germany; Katholieke Universiteit Leuven; Universitat de Barcelona,
Spain.”

Die schlichte Behauptung der Verwendung des Mietzinses für private
Zwecke durch eine Person, die wähnt, Charles Darwin zu heißen und die
Korruptionsstaatsanwaltschaft im Namen von sechs Universitäten grüßen
zu dürfen, genügt in Österreich, dass (auch) der Name von Prof. X auf
den Deckel eines Strafakts der Korruptionsstaatsanwaltschaft
geschrieben wird („wegen Untreue”).

B. Und was hat der Dritte Nationalratspräsident mit diesem Charles Darwin zu tun?

1. Prof. X und ich sind Mitglieder der Ethikkommission der MUI. Wir
werden von ihr als Leiter zweier Subkommissionen eingesetzt, die einen
Forschungsantrag (März 2007) wegen medizinischer, pharmakologischer und
rechtlicher Unklarheiten prüfen und für die Kommission einen
Entscheidungsentwurf ausarbeiten sollen.

Schon die Einsetzung dieser Subkommissionen löst ein wohl
beispielloses Kesseltreiben gegen eine unabhängige Ethikkommission aus,
die ausschließlich der Sicherheit der Teilnehmer an klinischen
Prüfungen von zB, wie hier, experimentellen Arzneimitteln und der
wissenschaftlich, rechtlich und ethisch einwandfreien medizinischen
Forschung an Menschen verpflichtet ist (es folgt eine Auswahl):

a. Bereits im Mai 2007 Drohungen mit einer Medienkampagne gegen die
Ethikkommission, mit dem Staatsanwalt und mit dem Landeshauptmann, wenn
die Ethikkommission nicht (positiv) entscheidet über den
verfahrensgegenständlichen Forschungsantrag.

b. Im Herbst 2007 Drohungen mit zivilrechtlichen Klagen gegen einzelne Mitglieder der Ethikkommission.

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