Wenn auf Kritisch gedacht seit 8. Dez. 2011 nichts mehr erschienen ist, so kann das nur zwei mögliche Ursachen haben: (1) Der Blogger ist etwas überlastet mit 14 Wochenstunden Lehre im zweiten Halbsemester, seinen 5 Monate alten Zwillingen und dem Hauskauf samt Renovierung, der ihn gerade beschäftigt. Oder (2) die Pseudowissenschaft hat aufgegeben und in der Welt, speziell in Österreich, ist die Vernunft eingekehrt, weshalb es nichts mehr zu berichten gibt.
Leider kann ich Variante (2) nicht bestätigen. Im Gegenteil: seit Wochen trudeln immer mehr Hinweise auf obskuren Unsinn in meiner Inbox ein. (Danke an meine zahlreichen Informanten!) Anstatt einer tiefgründigen Analyse also an dieser Stelle nur ein paar Schmankerln…
Neueste Erkenntnisse
Dass Stradivari-Geigen im Blindversuch gar nicht so toll klingen, wie es der Mythos will, überrascht mich nicht besonders. Dass der Salzgehalt der Meere vom Sperma der Wale stammen soll dagegen umso mehr. Und warum ist Walsperma eigentlich salzig? Na weil Wale soviel salziges Meerwasser trinken, ist doch logisch! Apropos Logik: Der umstrittene Intelligenzforscher Richard Lynn wird sich auch mit dieser Studie nicht viele Freunde machen. Und noch weniger Freundinnen…
Astrologie
Astrologen, Wahrsager und Hellseher haben auch 2011 wie üblich völlig versagt. Muss man heute noch ernsthaft über Sinn oder Unsinn der Astrologie diskutieren? Offenbar muss man. Skeptiker und Science Buster Werner Gruber tat es kürzlich im Kurier, und im November lief sogar eine skeptisch besetzte einstündige Diskussion auf Okto. Die habe ich aber aus Zeitmangel noch nicht gesehen. (Wer sie bereits gesehen hat: Lohnt es sich?)
Weltuntergang
Der Maya-Kalender endet am 21.12.2012 nicht, und selbst wenn er es täte, wäre das der Welt eher wurscht. Sie geht 2012 also vermutlich noch nicht unter. Die Nr. 1 der Weltuntergangsseiten zeigt als Maya-Kalender eine Skulptur, deren Reproduktion seit Jahren bei mir zuhause an der Wand hängt. Es handelt sich um den Sonnenstein der Azteken.
Warum so viele Spinner den Weltuntergang 2012 herbeireden, darüber habe ich am 20. Dezember auf Ö1 geplaudert, und am 21. Dezember auf ORF 2. Die Sendungen gibt es inzwischen nicht mehr online, aber das macht nichts. Wer mehr über die Hintergründe des Weltnichtuntergangs 2012 wissen will, der wendet sich ohnehin besser an den Schmied als an den Schmiedl. Florian Freistetters Weltuntergangsbuch, in dem der Weltuntergang 2012 übrigens kaum eine Rolle spielt, liegt in der Amazon-Bestsellerliste der Kategorie Astronomie aktuell bereits in den Top 10, obwohl es erst im April erscheint. Respekt!
Nicht den Weltuntergang, aber immerhin den Untergang des Geldsystems prognostiziert der Experte für Rechnungswesen Prof. Franz Hörmann von der Wirtschaftsuni Wien. (Mon dieu, Nestbeschmutzung!) Das Geld werde komplett verschwinden, und zwar “noch heuer durch den kompletten Staatsbankrott.” Allerdings sagte er das im März 2011, womit er in der Prognosegüte den oben erwähnten Astrologen um nichts nachsteht. Seit seinem vielbestaunten Interview vom Oktober 2010 ist Kollege Hörmann YouTube-Star und gern gesehener Gast auf allerlei Veranstaltungen von teils obskuren Vereinen und Institutionen. In den seriöseren Medien und in den Wirtschaftswissenschaften sind seine Thesen … ähhhm … sagen wir: umstritten.
Wünschelruten
Die FH Weihenstephan-Triesdorf, die ich in meinem letzten Beitrag ob ihres Wünschelrutenkurses gescholten hatte, hat es in die Süddeutsche Zeitung geschafft. Marcus C. Schulte von Drach hat unter dem Titel “Lasst die Nymphen tanzen!” einen lesenswerten Artikel verfasst, der sehr viel Hintergrundinformation über den Unsinn der Rutengeherei enthält.
Den in den Unruhestand tretenden Leiter der Spittaler Wirtschaftskammer wird das nicht beeindrucken. Er wird sich, so die Kleine Zeitung, “verstärkt mit der Radiästhesie (Wünschelrutengehen und Pendeln) beschäftigen”. Wenn er das auf akademischem Boden tun will, muss er gar nicht nach Weihenstephan pilgern, sondern nur bis Wien. Wie ich mit Bestürzung feststellen musste, hat auch die BOKU jedes Sommersemster einen Wünschelkurs im Angebot. Aber wer weiß, vielleicht ist der ja immens kritisch? Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Flachhochschulen
Nicht nur die FH Weihenstephan-Triesdorf läuft in Gefahr, ihre Reputation zu schmälern. Auch an der FH Mittweida sollte man sich für die Zukunft folgendes zu Herzen nehmen: Wenn ein Absolvent der Handelsbetriebslehre in seiner Diplomarbeit unter Berufung auf unwissenschaftliche Marketingtexte einschlägig bekannter Pseudowissenschaftler ausufernd über “Magnetfeldverzerrungen” und deren angebliche “biologische Effekte” fantasiert, dann ist es der Qualitätssicherung wenig dienlich, wenn der Erstgutachter der Diplomarbeit ein Betriebswirt und der Zweitgutachter genau einer jener Pseudowissenschaftler ist.
TCM
Die Salzburger Nachrichten druckten kurz vor dem Jahreswechsel TCM-Märchen in der Rubrik “Wissen” ab. Schlimm – aber noch viel schlimmer ist, dass nicht einmal Nature es besser wusste. Die weltweit renommierteste wissenschaftliche Fachzeitschrift ließ sich von einer TCM-Pharmafirma eine ganze Beilage sponsern, die die “Traditionelle Asiatische Medizin” unkritisch verklärte. David Gorski feuert auf Science-Based Medicine eine verdiente Breitseite gegen die wissenschaftsferne Kommerzaktion ab.
Geheimwaffen
Erstaunlich viele südamerikanische Staatsführer leiden an Krebs. Venezuelas Präsident Chávez mutmaßt, die USA hätten eine geheime Krebswaffe eingesetzt. Als Chávez das letzte Mal über US-amerikanische Geheimwaffen fantasierte und HAARP für das Erdbeben in Haiti verantwortlich machte, verbreitete Claudia von Werlhof diese Wahnvorstellungen im deutschsprachigen Raum. Ob sie nun auch die geheime Krebswaffe aufgreift?
Seit dem Frühjahr 2010 sieht Werlhof sich durch Skeptiker und Medien verfolgt. Tatsächlich
wurde damals sogar in ihre Wohnung eingebrochen, “offenbar auf der Suche nach eventuellen Datenträgern über Haiti“, wie sie anlässlich ihrer Emeritierung 2011 erzählte. Gestohlen wurden dabei “zwei kleine Plastikringe, die als solche Datenträger erscheinen konnten“. Diese seien allerdings bloß “Raumenergie-Harmonisierer” gewesen, die ihre Homöopathin dort installiert hatte. Schade um die harmonische Raumenergie!
In Werlhofs 2010 gegründetem Verein sind geheime amerikanische Krebswaffen bisher kein Thema, sondern immer noch die “Skalar-Waffen” des cranks Thomas E. Bearden. Immerhin hat man inzwischen auch das Buch der Verschwörungstheoretikerin Rosalie Bertell übersetzt und nach längerer Suche einen auf Verschwörungen und Esoterik spezialisierten Verlag gefunden. Doch Oh Schreck! – der Verleger hat eine Vorbemerkung ins Buch geschmuggelt, in dem er der Autorin widerspricht und die Illuminaten als die wahren Bösewichte identifiziert. Und ich dachte immer, es seien die Freimaurer…? Wie dem auch sei, Bertells Buch wird offenbar fleißig gekauft: Es ist Nr. 1 Bestseller in der Amazon-Kategorie Geologie.
Homöopathie
Nicht ganz aktuell, aber trotzdem interessant: Am berüchtigten
Interuniversitären Kolleg in Graz, dessen Leiter Kaulquappen
homöopathisch wachsen ließ, beschäftigt man sich u.a. mit
“biophysikalischer Informationsübertragung”. Dieser für Globulifreunde
wissenschaftlich klingende Terminus, der gemeinhin als “Zauberei”
bekannt ist, muss in CAM-Kreisen als Erklärung für sämtliche nicht
reproduzierbaren Effekte herhalten. Nähert man sich dieser Art der
“Informationsübertragung” allerdings mit wissenschaftlichen Methoden, so
entpuppt sie sich stets als Rauschübertragung. Das weiß man zwar schon
seit Jahrzehnten, doch am Interuniversitären Kolleg will man nicht
aufgeben. Der Autor dieser Masterarbeit jedenfalls suchte lange und intensiv und fand heraus: “Außer Rauschen war im vom Sensor abgenommenen und zur Digitalisierung verstärkten Signal nichts zu finden.” Nicht einmal die Kaulquappen wollten mitspielen. Sie fraßen sich lieber gegenseitig auf.
Anno 2007 hatte Prof. David Colquhoun den Kampf gegen das akademische Homöopathie-Unwesen in UK aufgenommen. Jetzt hat er gewonnen. 2012 gibt es dort keine Homöopathie-Studien mehr, und auch der meiste andere Unsinn wurde eingestellt. Wir gratulieren!
Homöopathie, weiß die Kleine Zeitung zu berichten, hilft auch bei Pflanzen. Die befragten Experten müssen es schließlich wissen. Das ist beinharter investigativer Journalismus, meine lieben Zweifler und Spötter! Kommerzielle Interessen stecken da sicher keine dahinter. Allerdings stelle ich mir das homöopathische Erstgespräch schwierig vor. Meine Zimmerpflanzen kriegen jedenfalls keine Globuli! Die werden weiterhin ganz altmodisch mit Akupunktur behandelt.
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