Wirkt Homöopathie eigentlich noch besser, wenn die Urtinktur beim “Potenzieren” mit Granderwasser verdünnt wird? Fragen wie diese boten sich letzte Woche im Österreichischen Wirtschaftsmuseum an, als der Vortragsabend am Mittwoch versprach, insgesamt vier Stunden lang hintereinander gleich über zwei esoterische Dauerbrenner zu informieren: Homöopathie und Granderwasser. Wer so etwas durchstehen will, braucht eiserne Nerven. Rudolf Kuchlbacher hat sie bewiesen. Er war dort, und hier ist sein Bericht.
Ein Gastbeitrag von Rudolf Kuchlbacher
Österreichisches Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum, Mi, 29.02.2012, 17:00 Uhr: “Die Homöopathie könnte bald überflüssig sein.”
Mit dieser Einleitung des Vortrags zur Homöopathie von Frau Dr.
Laschkolnig könnte man als Skeptiker doch ganz zufrieden sein. Der
Fairness halber aber hier noch die Fortsetzung des Zitats:
Jeder muss halt für sich das Richtige herausfinden – ob
das jetzt die Homöopathie ist oder ein Schamane oder Geistheilung. Oder
einfach nur richtiges Einatmen der kosmischen Energien…
Aber der Reihe nach…
Direktor Hans Hartweger, mit schmuckem, rot blinkendem Mascherl bewehrt,
fragt ins Publikum, wie spät es denn sei. Und es sollte auch ein Abend
voller Fragen bleiben.
Zumindest diese wurde noch beantwortet und schnell wurde klar, was
einigen Skeptikern vor Beginn der Veranstaltung noch Verwunderung
abgerungen hatte: Warum wird in diesem Haus, das ansonsten sehr interessante Vorträge und Vortragende
zu bieten hat, der Pseudomedizin und Parawissenschaft eine Bühne
geboten? Direktor Hartweger outet sich als fast glühender Verehrer von
Frau Laschkolnig und erzählt begeistert von eigenen Erfahrungen mit der
Homöopathie. Auch Granderwasser hat’s ihm angetan – ist doch der
Kaffeeautomat in der Kantine seit neuestem mit Grander-“Technologie”
ausgestattet.
Auftritt Dr. Laschkolnig
Zu Beginn malt die studierte Medizinerin vor mittlerweile vollem Saal in dunklen Farben:
Wir leben in einer schlimmen Zeit. Die Finanzwelt bricht
zusammen, der Euro, der Missbrauch in der Kirche und der Politik. Ich
höre auch viele Geschichten von Schwierigkeiten im Beruf und Beziehungen
– denn wie außen so auch innen, das ist ja klar.
Gut. Als jemand, der einen Vortrag dieser Art zum ersten Mal ertragen
miterleben durfte, hatte ich mir einen etwas rosigeren Einstieg
erwartet, aber sei’s drum. Frau Laschkolnig bietet ja auch gleich eine
Hypothese an, warum wir Menschen mit all diesen schwierigen Umständen zu
kämpfen hätten, aber davon auch profitieren könnten:
Das Magnetfeld der Erde hat sich verändert. Es gibt jetzt mehr Sonnenstürme und deshalb mehr Heilungsenergien.
Nicht gut. Die Erde besitzt ein (ja – veränderliches) Magnetfeld
und es gibt auch (immer wieder) Sonnenstürme – aber weder befinden wir
uns momentan in einer Phase besonders starker Sonnenaktivität (siehe zum
Beispiel hier), noch erfährt das Magnetfeld der Erde dadurch nachhaltige Veränderungen.
Von wachsenden Füßen und Energieschubsen
Dr. Laschkolnig erzählt in weiterer Folge von einer Begebenheit die … naja, sagen wir mal, nicht als besonders
glaubwürdig einzustufen ist: Ihr rechter Fuß war immer schon eineinhalb
Nummern kleiner als ihr linker, was natürlich enorme Probleme beim
Schuhkauf verursacht. Doch plötzlich, eines schönen Tages in einem
Schuhgeschäft bei der Anprobe zweier gleich großer Schuhe, passten sie
beide perfekt!
Und da hab ich mich dann im Nachhinein erinnert –
monatelang hat’s im rechten Knöchel immer wieder vibriert. Das sind die
Energien, und die schau’n d’rauf, dass ich wieder auf zwei gleich großen
Füßen geh…
Frau Laschkolnig, auch ich kaufe mir ab und an
neue Schuhe. Und ich gehe jetzt einmal davon aus, dass das auch andere
Menschen tun. Ich für meinen Teil habe in den letzten paar Jahren
erlebt, dass mir sogar Schuhe der Größen 41 bis 43,5 passen. Und wann
muss ich damit rechnen, nur noch in Geschäften mit Übergrößen einkaufen
zu gehen, falls das Universum mit seinen rätselhaften Energien
beschließt, auch meine Füße wachsen zu lassen?
Aber es geht weiter – und zwar endlich mit Homöopathie:
Es hat ja schon jeder gehört, dass da nix drinnen ist – aber
es ist ein Schubs drin. Die Energie. Und die Menschen können dann
weiter springen.
Es folgen einige Striche und Wellenlinien
zur “Lebensenergie” auf einer Flipchart und endlich eine Hypothese für
die Quelle der Macht Energie:
Die Lebensenergie ist abhängig von der Energie bei der
Zeugung. Wir brauchen nicht viel von außen. Und was macht das
(homöopathische, Anm.) Mittel? Es gibt uns einen Schubs!
Aha.
Aber gleich darauf erzählt Frau Laschkolnig – und darüber war ich (kaum
zu glauben) noch erstaunter – von möglichen Komplikationen und
Nebenwirkungen der Homöopathie (außerhalb der Erstverschlimmerung,
welche sie ja ausdrücklich als gut empfindet):
Aber er (der Schubs, Anm.) kann auch darüber hinaus schießen
– vor allem bei einer Hochpotenz. … C30 jeden Tag – da kann es sich
dauerhaft verschlechtern. Da war der Schubs dann zu kräftig.
Was uns krank macht
Nachdem sich unser Körper ja
daran erinnert, wie er sich selber heilt
wäre es ja nun mal interessant zu wissen, was uns eigentlich krank
macht. (Frau Laschkolnig scheint’s auch nicht zu wissen, weil sie an
dieser Stelle einmal mehr den Publikumsjoker zieht und eine Dame eine
Reihe vor mir – wie übrigens auch auf alle anderen Fragen Laschkolnigs –
mit der Sicherheitsvariante “Energie” antwortet.) Nun gut:
Falsche Gedanken. Ja. Man hat herausgefunden, dass unsere Gefühle die DNA beeinflussen.
Herausgefunden? Von wem? Und wo? Fragen über Fragen… Weiter geht’s mit Stress und Angst:
Wenn man Kindern Angst macht, schädigt man ihr Imunsystem,
aber zum Glück gibt’s hier in der Homöopathie ganz wunderbare Mittel.
Auch mit der Atmung kann man jeden Angstzustand überwinden. Aber nicht
nur die neuen Energien atmen – man muss die Atmung fühlen!
Wär
ja mal was Neues: Nach (Level 1) den Lichtessern nun (Level 2)
Energieatmer. (Level 3 will ich mir lieber mal nicht vorstellen…)
Verdünnen und Verschütteln
Nach einer kurzen Erklärung über Wünsche ans Universum, die laut Laschkolnig heute anders funktionieren als früher…
die (Wünsche Anm.) sind heute schon vorher da, bevor ich sie formuliere
… kommt eine eher beiläufige Einführung in die geheimnisvolle Welt des Potenzierens mit D- und C-Potenzen.
D23 ist die Loschmidtsche Zahl. Die gibt an, wie sich Moleküle in der Flüssigkeit verhalten. Bei D23 ist dann nix mehr drin.
Mitnichten. Das
ist die Loschmidtsche Zahl. (Die übrigens auch etwas anderes bedeutet.)
Und auch bei einer D23 Potenz ist noch haufenweise “was drin” – nur
halt nichts von dem, was von Homöopathen behauptet wird, dass drin zu
sein hätte.
An dieser Stelle beschleicht einen der aufmerksamen Zuhörer ein Verdacht
– es wird die Frage geäußert, warum man denn ein verdünntes
homöopathisches Mittel einnehmen sollte, wenn man dieselbe Substanz auch
im Alltag zu sich nimmt.
Frau Laschkolnig kontert geschickt, denn fast hätte sie es nicht erwähnt:
Das Verdünnen ist zu wenig – es wird auch verschüttelt! Beim
Verschütteln wird die Energie reingegeben. Aber nicht nur einfach so in
der Luft (verschütteln, Anm.), sondern richtig fest – das ist wichtig!
Alles klar, oder?
Die “besten” Potenzen, im Sinne von
die Leute sind ganz wild drauf,
lägen im Bereich von C1000 bis C100000. Die nächste Frage ergibt sich fast wie von selbst:
Wenn nix drinnen ist, was verschütteln die dann?
Ab
diesem Zeitpunkt wird gefühlsmäßig einfach jede Frage vom begeisterten
Publikum um mich herum nur noch mit “Energie” beantwortet. Als Erklärung
(und dies gleich zwei Mal an diesem Abend) muss wieder einmal Masaru Emoto ran:
Wasser reagiert auf Gedanken. Er hat das ganz klar nachgewiesen.
Unter einem Nachweis würde ich mir zumindest etwas anderes vorstellen.
Woher weiß man, welches Mittel hilft?
Falls sie meinem
bescheidenen Bericht bis hierhin gefolgt sind, ist es völlig überflüssig
zu erwähnen, was als Antwort auf diese Frage vielerorts kam. (Wobei ja
für mich persönlich “Energie” hierauf eher unpassend erscheint, aber was
weiß ich schon…) Natürlich wäre die richtige Antwort in Richtung “Arzneimittelprüfung”
gegangen, aber Frau Laschkolnig erklärt zuvor noch das magische
Ähnlichkeitsprinzip. Und magisch wird’s hier allemal, wenn sie an dieser Stelle sogar Harry Potter als Zeugen zur Wahrhaftigkeit dieses uralten Prinzips anführt.
Kritik
Nach persönlichen Schilderungen über Arzneimittelprüfungen mit
hochpotenziertem Plutonium und Zurschaustellung völliger Unkenntnis des
Herstellungsverfahrens desselbigen werden nicht nur diesbezüglich die
kritischen Stimmen aus dem Publikum spürbar mehr:
“Aber an Plutonium kommt man nicht so einfach ran!?” (Das müssten Sie
mit der Apotheke besprechen.) “Wird Homöopathie von allen Kassen
bezahlt?” (Nein) “Wie viel kostet eine Sitzung bei Ihnen?” (280 Euro)
“Werden beim Potenzieren nicht auch die Verunreinigungen mitpotenziert?”
(Ja eh, aber man nimmt ja kein verunreinigtes Wasser.) Gibt es Wasser
ganz ohne Verunreinigungen? (Ich glaube nicht, dass das Publikum das
jetzt diskutieren möchte.) Die Wirkungsweise der Homöopathie ist bis
heute noch nicht nachgewiesen! (Frau Laschkolnig erzählt von jemandem,
der gehört hat, dass ein Chemiker mit Hochpotenzen experimentiert hat,
der gesehen hat, dass die Hochpotenzen “was tun”.)
Letzten Endes kam dann doch noch die Standard-“Argumentation”:
Es gibt immer solche Studien, die was beweisen, und solche,
die nichts beweisen. Ich sitze in meiner Praxis und mache das seit 25
Jahren, da ist mir egal was irgendwer sagt.
Die Schulmedizin ist bei chronischen Erkrankungen nicht gerade berühmt. Die werden von der Schulmedizin hervorgerufen.
Die Frage der Masse und der Gravität[sic] ist auch noch nicht erklärt.
Es ist nicht so, dass das richtige Mittel immer gefunden
wird. Es gibt auch Hindernisse. (Kaffee, Alkohol, schulmedizinische
Mittel, …)
Manchmal reicht auch schon ein gutes Gespräch
Frau Laschkolnig erzählt zum Abschluss, dass sie auch sehr gerne
Schamanen besucht und sich anhört “was beim Bewusstsein weitergeht”.
Jedenfalls zu Gute halte ich der ganz und gar nicht unsympathisch (aber
furchtbar unterinformiert) wirkenden Dame, dass sie – auch gegen Ende
des Vortrages – keinerlei Missionierungsversuche unternimmt:
Homöopathie ist eine gute Möglichkeit für die, die es wollen – manchmal reicht auch schon ein gutes Gespräch.
Wenn
man zumindest schon mal so weit gekommen ist, die Homöopathie als nur
eine Möglichkeit unter vielen zu sehen, und anscheinend jede dieser
Möglichkeiten ein helfendes Element in sich birgt, so könnte man doch
auch irgendwann zum Schluss gelangen, das manchmal in obigem Satz durch ein nur zu ersetzen. Und mit einem Schlag ist nicht nur die Homöopathie überflüssig…
Granderwasser
Mit etwas Verspätung wurde schließlich der Abend von Heinz Breuer und
einem Vortrag zu den vielfältigen Anwendungsgebieten von Granderwasser
fortgesetzt. Man wurde den Eindruck nicht los, dass es sich um einen
sehr gut einstudierten Vortrag eines überzeugten und (überzeugend wirken
wollenden) Verkäufers handelte, der es nicht besonders gern sieht, wenn
seine wortreichen Erklärungen mit Zwischenfragen gestört werden.
Gegen Ende des Vortrages kam es aber doch zu einer Diskussionsphase, in
der sich allerdings schnell herausstellte, dass sich eine Kommunikation
mit Herrn Breuer äußerst schwierig gestalten kann. Grund dafür war die
Tatsache, dass er Begriffe wie “Leben”, “lebendiges”, “Forschung” oder
“Wissenschaft” sehr fantasievoll und völlig nach eigenen Ansprüchen
verwendet und nach Belieben umdefiniert.
Da Herr Breuer in seiner Diktion darauf beharrte, dass es sich im Falle von Granderwasser
um “Wissenschaft” und nicht um Esoterik handelt, bleibt mir nur noch,
darauf hinzuweisen, dass das Oberlandesgericht Wien die Sache
letztendlich etwas anders beurteilte:
“Grander-Wasser bzw. Grander-Technologie ist aus dem Esoterik-Milieu stammender, parawissenschaftlicher Unfug”
ist eine zulässige Meinungsäußerung.
Rudolf Kuchlbacher
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