Medizin findet nicht im luftleeren Raum statt, und das gilt für die Schulmedizin wie für ihre schillernden Ränder. Wissenschaftlichkeit ist der wichtigste Prüfstein, an dem gemessen werden kann, ob Heilungs- oder gar Heilsansprüche objektiv gerechtfertigt sind oder ob sich hinter ihnen nicht ausschließlich ideologisch verbrämte ökonomische Interessen verbergen.
Doch kehren wir zum Ausgangspunkt zurück. Was tut die Firma Heel, die die Professur finanziert? Fragen wir sie selbst, und anschließend die Presse:
„Heel gehört in Deutschland zu den führenden Unternehmen in der naturheilkundlichen Gesundheitsversorgung mit Arzneimitteln. Ziel der Organisationseinheit Heel Deutschland ist es, homöopathische Kombinationsarzneimittel zu entwickeln und zu vertreiben, um die Gesundheit von Mensch und Tier in Deutschland zu verbessern.“[8]
„Schon der Firmengründer, der Berliner Arzt Hans-Heinrich Reckeweg, experimentierte mit diesen Tinkturen, kombinierte sie und entwickelte so die Lehren Samuel Hahnemanns weiter [zur Homotoxikologie, seiner eigenen Variante der Homöopathie]. 1936 gründete er Heel und stellte Arzneimittel her, die anders als traditionelle homöopathische Produkte gleich aus mehreren Wirkstoffen bestanden. Solche sogenannten Komplexprodukte produziert Heel bis heute.
Nach dem Krieg baute Reckeweg sein Werk in Baden-Baden wieder auf. Heute ist Heel Teil der Vermögensholding Delton, die dem Milliardär und BMW-Großaktionär Stefan Quandt gehört. Das Unternehmen beschäftigt weltweit 1200 Mitarbeiter, 750 davon arbeiten im Stammwerk Baden-Baden. … Heel ist nach dem Marktführer Boiron aus Frankreich der zweitgrößte europäische Hersteller homöopathischer Arzneimittel.“[9]
Das Homöopathikum Vertigo Heel® ist das marktführende Produkt gegen Schwindelzustände.[10]
Kommen wir zum Schluss: die Finanzierung der Professur stellt sich als eine weitsichtige unternehmerische Entscheidung dar. Es sieht so aus, als wäre die Gefahr gering, dass zukünftige Arbeitsergebnisse des Institutsleiters der Vermarktung der Produkte von Heel hinderlich werden könnten. Ist es das, was gemeint ist, wenn von „Drittmitteln für die universitäre Forschung“ die Rede ist? War die Stelle eigentlich ausgeschrieben?
Dr. Matthias Mindach
[1] https://www.psychophysik.com/h-blog/?p=9380. Die Website der Universität selbst weist zwar auf die „Beijinger Deklaration der Weltgesundheitsorganisation (WHO)“ hin, nach der „natürliche und traditionelle Medizinsysteme bevorzugt beforscht und auf ihre Nützlichkeit hin untersucht werden sowie dort – wo sinnvoll – in die medizinische Versorgung der Mitgliedsländer integriert werden sollen“, aber dieses Programm ist erstens dem Institutsleiter selbst nicht genehm, und zweitens blieb so kein Platz mehr, die Finanzierung dieses Instituts zu erwähnen. Mir ist das übrigens auch nicht genehm, aber aus anderen Gründen. Kürzer und schlagender als Mark Crislip kann man die „Integrative Medizin“ kaum charakterisieren: „If you integrate fantasy with reality, you do not instantiate reality. If you mix cow pie with apple pie, it does not make the cow pie taste better; it makes the apple pie worse.“
[3] Walach H: „Integrative Medizin“ – die Kolonialisierung des Anderen und die Notwendigkeit des ganz Anderen. Forsch Komplementmed 2010;17:4–6
[4] Ein Verweis auf: “Walach H et al: Circular instead of hierarchical – methodological principles for the evaluation of complex interventions. BMC Med Res Methodol 2006;6:29“, wo die Sinnhaftigkeit der Evidenzhierarchie (z. B.: kontrollierte Untersuchungen gelten mehr als Einzelfallberichte oder unbelegte Expertenmeinung) in Frage gestellt wird.
[5] Schon der Philosoph Paul Feyerabend formulierte: „Und wie oft geschieht es doch, dass das stolze und dünkelhafte Urteil eines Fachmanns von einem Laien zurechtgewiesen wird!“ (Wider den Methodenzwang, S. 394f). Feyerabend wurde übrigens zum Gefangenen seiner eigenen Philosophie, indem er sich von der Erdbebenvorhersage eines Laien terrorisieren ließ.
[6] Im Osten ist es eher noch schlimmer: „One of the curses of India, as of other poor countries, is the quack medicine man, who fleeces the sufferer by promises of miraculous healing.“ (Christopher Hitchens)
[7] „Homoeopathy has proved lucrative, and so long as it continues to be so will surely exist,—as surely as astrology, palmistry, and other methods of getting a living out of the weakness and credulity of mankind and womankind.“ (Oliver Wendell Holmes, Medical Essays, Preface to the New Edition, 1891)
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