“Hokuspokus an der Hochschule” titelte gestern die Welt und berichtete unter anderem über den Maulkorberlass an der Universität Viadrina, seit einiger Zeit auch bekannt als “Hogwarts an der Oder“. Dort ist jenes berüchtigte Institut angesiedelt, dessen Leiter, Prof. Harald Walach, das diesjährige “Goldene Brett vorm Kopf” mit nach Hause nehmen durfte.
Bettina Reiter ist eine Wiener Psychoanalytikerin und war sechs Jahre lang Geschäftsführerin der GAMED, eines Vereins von Esoterik-affinen Medizinern. Berührungsängste mit Pseudowissenschaft kann man ihr also eher nicht nachsagen. Da sie außerdem eine Bekannte von Harald Walach ist, bat dieser sie, ihn bei der Verleihung des Goldenen Bretts 2012 zu vertreten und dort seine “Dankesrede” zu verlesen, was sie auch tat. Das alleine war Frau Reiter allerdings zu wenig. Sie übte sich danach noch in beleidigtem Skeptikerbashing in Form eines “Besinnungsaufsatzes”, den der Standard am 27. Oktober veröffentlichte. Eine Reaktion darauf gab es bereits von Florian Aigner. Im heutigen Standard ist nun auch meine Replik auf Frau Reiters Lamento in gekürzter Fassung erschienen. Die Redaktion hat dafür den schönen Titel “Lobbyisten des Humbugs“ gewählt.
Hier die Langfassung meiner Replik:
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Auf einem der Fotos, die nach der Verleihung des Negativpreises “Das Goldene Brett vorm Kopf” an Harald Walach von der Europa-Universität Viadrina veröffentlicht wurden, sieht man “zwei Drittel oder 95 Gewichtsprozente der Science Busters”, wie Moderator Martin Thür vorrechnete. Der Wiener Skeptiker Heinz Oberhummer und sein nicht nur ob seiner Leibesfülle beeindruckender Kabarettpartner Werner Gruber halten sich darauf ein großes goldenes Brett vor den Kopf. Ob diese selbstironische Geste Bettina Reiter, die den von der “Gesellschaft für kritisches Denken” gestifteten Preis stellvertretend für Herrn Walach entgegen nahm, zum Schmunzeln gebracht hätte, darf bezweifelt werden. Zu verbittert wirkt ihr Rundumschlag gegen die “shitstormmäßig aufgeregte” und “selbstgewisse uninformierte Skeptikermannschaft”, der im Standard-ALBUM vom 27.10.2012 zu lesen war. Da werden Kritiker zu “Anschwärzern”, deren Laudationes in “denunziatorischem Ton” vorgetragen werden. Da wird der Schriftstellerin El Awadalla, die mit dem Ausdruck “Patienterl” die herablassende Haltung der Ärztekammer gegenüber Patienten zum Ausdruck brachte, unterstellt, sie selbst äußere diese Herablassung. Da dürfen die “kritischen Denker” mit Erstaunen über sich vernehmen, dass sie die Leiden der Patienten schlicht nicht kümmerten.
Reiters Verteidigung der Ärztekammer, die mit ihren Spezialdiplomen manch esoterischer Paramedizin ein quasi amtliches Siegel ausstellt und es damit ins Finale geschafft hatte, macht einen weiten Bogen um die Begründung der Jury. Die von Reiter angeführten “Kräuter”, “Shiatsu” und “Akupunktur” werden darin nämlicht mit keinem Wort erwähnt. Sehr wohl aber etwa die Kinesiologie und andere widerlegte Verfahren aus der esoterischen Ecke. “Was die Diplome mit Wissenschaft zu tun haben, ist nicht so recht klar”, meint Frau Reiter. Eben gar nichts, und das war genau unser Punkt.
Die “Gesellschaft für kritisches Denken”, also die Wiener Skeptiker, bieten allen drei Finalisten im Vorfeld der Preisverleihung die Möglichkeit, einen Vertreter zu entsenden, falls sie nicht persönlich erscheinen können. Harald Walach, der von der Jury für seine Beiträge zur Akademisierung der Esoterik als preiswürdig befunden worden war, hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Als Vorstand der Wiener Skeptiker hatte ich Frau Reiter begrüßt, und, da ihr Mann im überfüllten Saal neben seiner Frau zu sitzen wünschte, meinen Platz neben ihr geräumt und dafür meine eigene Frau alleine sitzen lassen. Eine “grobe Unhöflichkeit” ortete Frau Reiter seitens des Veranstalters, wie ihrem “Besinnungsaufsatz” zu entnehmen ist. Allerdings nicht gegenüber meiner Frau, sondern gegenüber ihr selbst, meint sie. Das mag zwar für Dabeigewesene etwas verwirrend sein, aber für den Leser ist es zweckdienlich. Denn der kleine Seitenhieb dient offenbar nur zur Einstimmung auf die im Brustton der Überzeugung vorgetragene Kernbotschaft: Harald Walach, dem Preisträger, wird von seinen dünngeistigen Kritikern durch und durch Unrecht getan. Wir, die Skeptiker, seien im Grunde ahnungslos, würden lediglich nachplappern, was deutsche Medien so schreiben, und sähen in unserem inquisitorischen Eifer überall “Teufelswerk”, wo nicht die kalte Schulmedizin am Werke sei. Ist das tatsächlich so? Hat Professor Walach das Goldene Brett am Ende gar nicht verdient?
Nun, um das zu beurteilen, dazu sollte man zumindest unsere offizielle Würdigung des Werks des Preisträgers gelesen haben. Falls Frau Reiter das getan hat, dann sieht sie jedenfalls großzügig darüber hinweg. Kein Wort zur Anstellung eines Astrologen als Gastprofessor an Walachs Institut. Kein Wort zur Kooperation mit dem esoterischen Ärzteverein, der einen inzwischen als Betrüger verurteilten Scharlatan hofierte. Kein Wort zu den geplanten und erst nach öffentlicher Kritik wieder abgesagten Lehraufträgen für einen weiteren Astrologen und eine Wünschelrutengängerin. Auch der von Walach verantwortete Masterstudiengang, in dem genau jene Paramedizin gelehrt wird, die der Globulihersteller Heel verkauft; Walachs von Heel bezahlte Stiftungsprofessur und seine Unterstützung eines von Heel gesponserten Homöopathie-Lobbyisten sind für Frau Reiter kein Thema. Stattdessen kapriziert sie sich auf die esoterische Masterarbeit über das Hellsehen mittels sogenannter Kozyrev-Spiegeln, die Walach approbiert und als hervorragend gelobt hatte. Diese, so Reiter, hätte “erwartungsgemäß keinen Hinweis auf außersinnliche Wahrnehmung” ergeben. Das ist – gelinde gesagt – merkwürdig, denn der Autor der Masterarbeit schreibt genau das Gegenteil.
Die Brandenburgische Hochschulstrukturkommission, die einstimmig die Auflösung von Walachs Institut und Studiengang empfahl, müsse von Skeptikern unterwandert sein, meint Frau Reiter, und ebenso die Süddeutsche, der Spiegel, die ZEIT und überhaupt alle Kritiker des unschuldigen Herrn Professors. “Die Dummheit ist ansteckend” konstatiert sie, und beleidigt damit nicht nur die Wiener Skeptiker, sondern auch die Mitglieder der Hochschulstrukturkommission und die Journalisten der deutschen Leitmedien. So viele starke Worte und so sehr am Kern der Sache vorbei, das macht stutzig. Tatsächlich kann man hier die Ausläufer eines Prozesses beobachten, der schon seit der ersten öffentlichen Kritik an Walachs Wirken vor über zwei Jahren im Gange ist. Es handelt sich um den verbissenen Versuch der Verschleierung des gigantischen Humbugs, der hier auf akademischem Boden produziert wurde. Das begann mit einer Flut von Gegendarstellungen des Heel-gesponserten Walach und seiner Mitarbeitern und setzt sich dieser Tage auf einem Blog des oben erwähnten Heel-gesponserten Homöopathie-Lobbyisten fort, der jene Journalisten, die es gewagt hatten, über die Verleihung des Goldenen Bretts zu berichten, namentlich nennt und als “Depperl” und “Idioten” verunglimpft. Dazwischen steht eine – erfolglose – Verleumdungsklage, die Walach gegen den Autor dieser Zeilen angestrengt hat.
Freilich, was hier verschleiert werden soll, ist derart grotesker pseudowissenschaftlicher Unsinn, dass er einen ganzen goldenen Bretterstapel verdient hätte. Wenn Frau Reiter im letzten Standard-Album eine Seite vor ihren Artikel zurückblättert, so findet sie dort eine großartige Reportage von Andrea Roedig über die Esoterik als Massenphänomen im Alltag. Die Autorin beobachtet abschließend, dass die Vokabel “Vernunft” auf der “Liste der meistzitierten Worte ziemlich weit nach unten gerutscht” sei. Wie recht sie damit hat.
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