Immer weniger Manager holen sich Rat bei Astrologen.
Stimmt das? Keine Ahnung, aber dazu später.
Astrologie also. Ich muss zugeben: Über Astrologie zu schreiben, fällt mir schwer. Astrologie ist hanebüchener Unsinn, was in halbwegs aufgeklärten Kreisen allerdings ohnehin eine Binsenweisheit ist. Man kann das ausführlich argumentieren, wie Florian Freistetter mehrfach gezeigt hat. Aber eigentlich fällt Astrologie bei mir in dieselbe Kategorie wie UFOs: zu blöd, um die Zeit für ernsthafte Kritik aufzuwenden.
Sicher, Astrologie war auch hier bereits desöfteren ein Thema, aber nur wenn es einen speziellen Anlass gab. Z.B. wenn Astrologen sich schweren Sprachmissbrauchs schuldig machen, wenn einem allzu klagsdrohfreudigen Astrologen ein wenig Streisand in die Augen gestreut werden muss, wenn ein honoriger Epidemiologe mit möglicherweise edlen Motiven astromedizinischen Stuss verzapft, oder wenn die WKO-Astrologen surreale Auftritte abliefern. Der Wiener Astronom und Skeptiker Stefan Uttenthaler tat sich sogar den Tag der Astrologie 2012 an und überlebte nur knapp. Am 21. Mai 2013 wird er übrigens in der VHS Liesing über Astrologie referieren – das nur als Vorankündigung, mehr dazu später. Der Physiker Florian Aigner wiederum schildert nebenan auf naklar.at! soeben seinen skeptischen Auftritt bei der Barbara Karlich Show. Bei der “Oprah von Liesing”, wie er sie so treffend charakterisiert, war u.a. auch Astrologie ein Thema.
Der jüngste Aufreger und eigentliche Impulsgeber für diesen Beitrag war allerdings ein Artikel im Standard, in dem der Astrologie unkritisch ein Podium geboten wurde. Veröffentlicht wurde er bereits am 11. Jänner, und ursprünglich wollte ich zeitnah dazu etwas schreiben, aber Kritisch gedacht ist ja bekanntlich eher monats- als tagesaktuell.
Immer mehr Manager holen sich Rat bei Astrologen ist der Anlass der Entrüstung betitelt, und darunter finden sich über 200 großteils wütende Kommentare. Ich weiß auch von einigen erzürnten Leserbriefen, die der Standard zu diesem Artikel erhielt. Astrologie ist Unsinn, war der Tenor dieser Reaktionen, und eine seriöse Tageszeitung sollte keinen Unsinn propagieren.
Das ist sicher richtig, aber in diesem Fall ärgerte mich etwas anderes mehr. Man kann nicht sinnvoll Unsinn schreiben, aber man kann über Unsinn sinnvoll schreiben, und im Prinzip ist die Mitteilung, dass sich immer mehr Manager Rat bei Astrologen holen, zwar bedauerlich, aber durchaus berichtenswert. Was mich stört, ist, dass diese Mitteilung offenbar von der Autorin des Artikels herbeifantasiert wurde, um die PR-Einschaltung für die vorgestellte Astrologin als “News” zu tarnen. Das ist bewusste Lesertäuschung und mit journalistischer Ethik nicht vereinbar.
Gut, man sollte die Kirche im Dorf lassen: Der Artikel erschien im Karriere-Teil des Standard. Dieser besteht im wesentlichen aus einer Menge Jobannoncen, die redaktionell durch mehr oder weniger zum Thema gehörige Artikelchen aufgelockert werden, die von vornherein eher den Charakter von Beiwerk haben und oft wie reine PR wirken. Trotzdem: der Astrologie-Artikel hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
Die Wirtschaftskrise hat den Zulauf bei den Astrologen verstärkt. Da ist auch Gabriela Maria Steiner, systemische Unternehmensberaterin, Astrologin und Coach sicher.
Diese mageren zwei ersten Sätze des Artikels bilden sozusagen den Beleg, auf den sich die im Titel ausgedrückte Behauptung stützt. Der zweite Satz mag der Wahrheit entsprechen, aber ob der Einleitungssatz stimmt, erfährt der Leser nicht. Wir wissen es auch nicht, und es ist zu bezweifeln, dass es die Autorin weiß. Es ist eine nackte Behauptung ohne Quellenangabe. Kann sein, kann sein auch nicht.
Der Rest des in Artikelform gegossenen Interviews verrät, dass Frau Steiner Leiterin der Sektion Wirtschaftsastrologie im Österreichischen Astrologenverband ist, dass sie auch Manager astrologisch berät, wie sie es aus ihrer Sicht tut, warum sie es aus ihrer Sicht tut, und dass sie aus ihrer Sicht “die Gabe [hat], Dinge ganzheitlich zu erfassen und empathisch zu sein, zwischenmenschliche Schwinungen aufzunehmen“. Dass sie auch das übliche Astrologengeschwurbel (“Erfahrungslehre“, “Analogien“, “Synchronizität“, “komplexe Zusammenhänge“) beherrscht, versteht sich von selbst, und es wird von der Redakteurin pflichtbewusst und distanzlos wiedergegeben.
Der Eindruck, der insgesamt erweckt wird, ist, dass Manager und Personalverantwortliche zunehmend die Astrologie zu Rate ziehen, sich von Bewerbern Geburtszeit und -ort nennen lassen und vor der Personalauswahl Astrologen konsultieren. Das alles wäre wie gesagt sogar berichtenswert, wenn es denn wahr wäre. Ob es das ist, werden wir nicht erfahren. Frau Steiner selbst hat, was die Objektivität ihrer Darstellungen betrifft, einen offensichtlichen Interessenskonflikt, und die Redakteurin hat für ihren Karriereteil-Lückenfüller verständlicherweise keine weitere Zeit mit Hintergrundrecherchen vergeudet. Ich glaube übrigens kein Wort davon. In vielen Jahren und unzähligen Gesprächen mit Freunden, Bekannten und Studenten über Job-Bewerbungen ist mir noch kein Fall untergekommen, wo jemand nach Geburtszeit und -ort gefragt worden wäre. Das mag es geben – es soll ja auch HR-Spinner geben, die über dem Lebenslauf eines Bewerbers ihr Pendel befragen – aber es ist wohl zum Glück ein quantitativ unbedeutendes Randphänomen.
Vom Standard gibt es übrigens auch durchaus erfreuliche Nachrichten. Im berüchtigten Gesundheitsressort ist eine kleine Serie über Pseudowissenschaften im Medizinbereich geplant. Einschlägige Wiener Skeptiker wurden bereits interviewt. Man darf gespannt sein.
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