Die folgende Beschwerde (inklusive neun Dokumente, die hier ausgelassen werden) schickte eine kritische Grazer Konsumentin Anfang Jänner an das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK). Die GkD schließt sich vollinhaltlich an und veröffentlicht die Beschwerde hier als “offenen Brief”. Das BMASK hat mitgeteilt, dass es die Beschwerde prüft und sobald wie möglich antworten wird. Wir werden die Antwort des BMASK ebenfalls in diesem Blog veröffentlichen.
Ulrich Berger
Nachtrag vom 14.8.2013: Das BMASK hat schlussendlich in unserem Sinne reagiert.
Sehr geehrte Damen und Herren des Konsumentenschutzes!
Hierzulande treibt der Schamanismus, ein religiöses Lebenskonzept der Naturvölker, seltsame Blüten bei der Ausbildung der Lebens- und Sozialberater. Dass dabei auch Gesetze gebrochen und die mannigfachen Interessenslagen von Konsumenten missachtet werden, wird jedoch gerne verschwiegen.
Um diesen offenkundigen Missstand aufzuzeigen, wende ich mich als Konsumentin an die Sektion Konsumentenschutz im Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit der begründeten Beschwerde, die ich erstens mit den nachfolgenden rechtlichen Bestimmungen untermauere und in der ich zweitens anhand einer Homepage den vorliegenden Sachverhalt konkretisieren kann.
Es dürfte bekannt sein, dass die Ausübung der Tätigkeit des Lebens- und Sozialberaters in Österreich ein “gebundenes bewilligungspflichtiges” Gewerbe ist, das 2002 in ein “reglementiertes” Gewerbe umgewandelt wurde. Von meinem rechtlichen Standpunkt aus gesehen sind die folgenden gesetzlichen Regelungen heranzuziehen (siehe Anlage):
– Gewerbeordnung §119 (2002)
– Bundesgesetzblatt BGBl. II Nr. 140/2003 Änderung 2006
Für die Genehmigung eines Lehrgangs hat lt. Gewerbeordnung § 119 Abs. 5 der Fachverband des Allgemeinen Gewerbes eine Zertifizierungsstelle einzurichten. Die Genehmigung ist lt. Gewerbeordnung § 119 Abs. 5 Z 3 auf Antrag zu erteilen, wenn das Ausbildungscurriculum die vorgeschriebenen Lehrinhalte aufweist. Und diese vorgeschriebenen Lehrinhalte ergeben sich aus dem BGBl II Nr. 140/2003 und 2006: Für den Lehrgang der Lebens- und Sozialberatung werden im § 5 Abs. 3 die Gegenstände des Lehrganges einschließlich der im betreffenden Gegenstand zu behandelnden Themen und die Mindestanzahl von Stunden festgelegt.
“Schamanismus” für sich alleine ist lt. WKO vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung 1994 ausgenommen, weil diese Tätigkeit von einem mystisch-religiösen Konzept getragen wird. Bei der Ausübung des Energetikergewerbes handelt es sich der Gewerbeordnung zufolge um ein freies Gewerbe.
Nach der Skizzierung der rechtlichen Lage möchte ich nun überleiten zum konkreten Sachverhalt, der sich aus der Homepage der IACFS Akademie für Schamanismus GmbH ergibt.
Im vorliegenden Fall hat die Zertifizierungsstelle der WKO Oberösterreich der IACFS Akademie für Schamanismus GmbH einen Lehrgang für Lebens- und Sozialberatung mit der Lehrgangsnummer ZA-LSB 231.0/2012 genehmigt.
Dieser problematische Lehrgang der IACFS Akademie setzt sich aus vier einzelnen Schamanen-Lehrgängen (Shaman.Practitioner, Shaman.Master, Shaman.Leader, Shaman.Coach) zusammen. Laut Homepage des Anbieters wird jedoch die zweifelhafte Behauptung aufgestellt, dass alle vier Lehrgänge zusammen die in Österreich gesetzlich geregelte Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater ergeben, welche die Absolventen berechtigt, den Beruf als Lebens- und Sozialberater auszuüben!
Ebenso von diesem Anbieter wird auch auf seiner fragwürdigen Homepage darauf hingewiesen, dass erstmals und einzigartig in Österreich an der Schamanismus-Akademie die staatlich geregelte Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater erfolgt.
Des Weiteren wird behauptet: Nach der Absolvierung der ersten beiden Schamanen-Lehrgänge ist man ausgebildeter Energetiker und darauf aufbauend erreicht man mit den zwei weiteren Schamanen-Lehrgängen die vollständige Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater.
Meines Erachtens stehen die auf der Homepage genannten bestreitbaren Aussagen hinsichtlich der Erlangung der Berufsberechtigung, vornehmlich zur Ausübung des Lebens- und Sozialberaters, im Widerspruch zu den oben erwähnten gesetzlichen Bestimmungen.
Relevant dabei ist auch, dass das mystisch-religiöse Konzept Schamanismus im genannten Bundesgesetzblatt unter den Lehrinhalten keinerlei Berücksichtigung findet. Und somit sind die Inhalte dieser vier Lehrgänge, ausgewiesen auf der Homepage, nicht von der Intention des Gesetzgebers bei der Ausbildung umfasst.
Die Achtbarkeit des Berufsbildes wird vom Gesetzgeber deshalb entsprechend gewahrt, weil der „Lebens- und Sozialberater“ in Österreich für jene Konsumenten, die psychische Hilfestellung benötigen, eine vierte Säule (neben Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiatern) darstellt. Lebens- und Sozialberatung sollte die professionelle Beratung und Betreuung von Menschen in Problem- und Entscheidungssituationen sein, weil sie dazu beiträgt, belastende oder schwer zu bewältigende Situationen zu erleichtern, zu verändern und einer Lösung zuzuführen.
Auch die Interessenslage der Konsumenten dürfte unter mannigfachen Aspekten zu wahren und zu beurteilen sein, wobei ich hier nur zwei Aspekte nennen möchte:
Gerade jene Konsumenten, welche sich in psychisch schwierigen Situationen befinden, sind als besonders schutzwürdig zu erachten. Somit sind diese Schutzbedürftigen seitens des Konsumentenschutzes vor derartigen unlauteren Methoden entsprechend zu schützen.
Unter einem weiteren Aspekt wird meiner Meinung nach die Beurteilung der bewussten Irreführung des strittigen Ausbildungsinstitutes vorzunehmen sein, wenn dort bei den Konsumenten als Auszubildenden der Anschein konkret erweckt wird, dass mit derartigen gesetzwidrigen Ausbildungsinhalten – wie es beim Schamanismus der Fall ist – die gewerberechtliche Erlangung des Lebens- und Sozialberaters erzielt werden kann.
Angesichts dieses „krankhaften“ Auswuchses, der mit dem Schamanismus einhergeht, ersuche ich das Konsumentenschutzministerium, meinen Beschwerdeinhalt juristisch zu klären und mich auch davon in Kenntnis zu setzen, ob nicht derartige unlautere Methoden rechtlich zu unterbinden sind.
Zu guter Letzt darf ich mich für Ihre Bemühungen im Voraus bedanken und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
[eine kritische Grazer Konsumentin]
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