In der aktuellen Ausgabe von Homeopathy finden sich „in einem seltsamen Fall von Synchronizität“ (Herausgeber Peter Fisher im Editorial, (10)) gleich zwei Arbeiten, die zumindest teilweise auf der verallgemeinerten Quantentheorie aufbauen und Auswege aus diesem Dilemma vorschlagen.
Der erste Beitrag (11) stammt von Francis Beauvais, einem früheren Mitarbeiter von Jacques Benvéniste. Beauvais gibt freimütig zu, dass Benvénistes Versuche nie unter doppelblinden Bedingungen reproduziert werden konnten (12). Die Ursache sieht er mittlerweile in einer Art verallgemeinerter Verschränkungen zwischen aktiven und inaktiven Proben – dem gleichen Mechanismus, der auch RCTs homöopathischer Behandlungen zum Scheitern verurteilt. Basierend auf der schwachen Quantentheorie entwirft er ein einfaches Modell einer homöopathischen Doppelblindstudie. Nach einigen Rechenschritte wird eine kleine Veränderung des RCT-Protokolls vorgeschlagen, die Skeptiker kaum stören wird und sich ohne weiteres mit nur geringem Zusatzaufwand realisieren lässt. Beauvais hat hohe Erwartungen an seine Methode und schreibt in der Zusammenfassung:
„Comparing in situ randomization/unblinding vs. centralized supervision of clinical trials could be the equivalent of the Aspect’s [sic] experiment for quantum theories of homeopathy. Thus, positive results in homeopathy blind RCT using the in situ methodology would be not only a means to circumvent the gold standard, but also a very strong argument in favor of nonlocal theories for homeopathy.“
Zur Erläuterung: In den Experimenten von Alain Aspect et al. wurde die quantenmechanische Verschränkung zum ersten Mal nachgewiesen – diese Versuche und darauf aufbauende Verbesserungen gehören zu den wichtigsten Schlüsselexperimenten der modernen Physik, auch wenn der Nobelpreis dafür noch aussteht.
Ob Beauvais‘ Vorschlag ein Schritt in die richtige Richtung ist oder unter den gleichen Problemen leidet wie zahlreiche andere Beiträge aus Homeopathy kann nur eine detaillierte Analyse zeigen.
Beauvais’ Modell
Beauvais‘ Modell einer homöopathischen Doppelblindstudie basiert auf einem Mach-Zehnder Interferometer (MZI).
Licht kann darin über zwei Pfade zu zwei unterschiedlichen Detektoren gelangen. Betrachtet man das Licht als Welle, kommt es nach der Zusammenführung zu Interferenz zwischen den Teilen des Strahls, die auf unterschiedlichem Weg zum Detektor gelangt sind, und der obere der beiden Detektoren sieht 100% des Signals. Betrachtet man das Licht hingegen als Teilchen, gibt es keine Interferenz und beide Detektoren registrieren jeweils 50% des Signals. Interferenz erfordert kohärentes Licht. Jegliche Art von Messung, ob ein Photon den einen oder anderen Pfad genommen hat, zerstört diese Kohärenz. Eine sehr überraschende Eigenschaft des Mach-Zehnder-Interferometers ist, dass die Interferenz zwischen den beiden Teilstrahlen selbst dann nicht verschwindet, wenn die Lichtquelle soweit abgeschwächt wird, dass zu einem gegebenen Zeitpunkt nur ein einzelnes Photon im Interferometer sein kann. Wie beim bekannteren Doppelspalt-Versuch interferiert das Photon nicht mit einem anderen Photon, welches den anderen Pfad genommen hat, sondern mit sich selbst.
Beauvais‘ Analogie zwischen einer RCT und dem MZI beruht darauf, dass in beiden Fällen scheinbar zwei „Entscheidungen“ getroffen werden müssen:
Das Photon kann einen von zwei Pfaden nehmen und auf einen von zwei Detektoren fallen. Patient und Homöopath können der Verum- oder der Placebogruppe zugeordnet werden, und ihr Zustand kann sich verbessern oder nicht.
Statt vier möglicher Ergebnisse gibt es beim MZI jedoch nur zwei Detektoren. In seinem Modell muss Beauvais diesen Schritt erzwingen, indem er die Ergebnisse nur als „concordant pairs“ (CP) und „discordant pairs“ (DP) registriert – stimmt das Ergebnis mit der Erwartung überein, dass Verum zu Verbesserung führt und Placebo nicht (CP), oder ist es gerade umgekehrt (DP)? Ob das Homöopathikum nichts genutzt oder das Placebo geholfen hat, macht per Definition nun keinen Unterschied mehr.
Eine weitere, sehr wichtige Diskordanz: In der quantenmechanischen Beschreibung des Interferometers sind beide „Entscheidungen“ gleicher Natur. Das Photon kann von einem halbdurchlässigen Spiegel reflektiert oder durch ihn transmittiert werden. Es ist also ganz natürlich, dass diese Möglichkeiten miteinander verrechnet werden können. In der klinischen Studie gibt es eine zufällige Entscheidung, ob ein Patient Placebo oder Verum bekommt. Wie aber verhält es sich mit dem nächsten Schritt, nämlich der Entwicklung des gesundheitlichen Zustandes des Probanden? Warum nur zwei Möglichkeiten? Es könnte ihm nach Verabreichung des Mittels ja auch schlechter gehen, oder nur ein kleines bisschen besser… Wäre da nicht ein Kontinuum an Möglichkeiten (der Grad der Verbesserung) die bessere Beschreibung? Und wie will man das mit der Placebo/Verum-Entscheidung verrechnen? Misst man das überhaupt in den gleichen Einheiten?
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