Der kritische Apotheker und Autor Dr. Edmund Berndt fragte sich, ob es zulässig ist, in Kindergärten Werbung für Homöopathie zu betreiben. Er begab sich auf eine Odyssee durch die heimische Bürokratie. Hier sein Abschlussbericht in Form eines offenen Briefs an die Leitung des Kindergartens Niklasdorf:
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Sehr geehrte Damen und Herren des Kindergartens in Niklasdorf!
Es wurde mir per Zufall zugetragen, dass in ihrem Kindergarten Werbeprospekte für Homöopathie der Fa. Peithner aufgelegen sind. Das war im Mai/Juni dieses Jahres. Die Umschlagseite des Werbeprospektes ist als Scan diesem Mail beigelegt [hier links abgebildet, Anm.]. Im Folgenden habe ich mich mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt. Im beigefügten PDF „Homöopathie im Kindergarten“ [siehe unten, Anm.] können Sie das nachlesen bzw. meine Argumentation dazu verfolgen.
Ich kenne Sie alle nicht, das sei vorrausgeschickt, um von vorne herein klarzustellen, dass ich nicht gegen Sie oder andere Personen irgendwelche persönlichen Vorbehalte hege. Ich glaube auch, dass Sie – wie man das so im positiven Sinne sagt – gute Arbeit zum Wohle der Kinder nicht nur als Beruf sondern auch mit einer gewissen Extraportion an Motivation und Berufung leisten und leisten wollen. Ich bin der Überzeugung, dass im Kindergarten, ein Begriff der von Friedrich Wilhelm August Fröbel im 19. Jahrhundert eingeführt wurde, ein Grundstein, wenn nicht gar die Basis, für die Zukunft der Kinder geschaffen wird, vor allem der Kinder, deren Elternhaus nicht die Möglichkeit hat, das zu bieten. Das ist der Grund, warum ich mich mit Homöopathie und Kindergarten auseinander gesetzt habe.
Vorab jedoch, bevor ich ihnen dieses E-Mail sende, habe ich versucht herauszufinden in wie weit es überhaupt statthaft ist, in Kindergärten Werbung und Arzneimittelwerbung im speziellen durchzuführen bzw. zu dulden. Leider musste ich bei meinen diesbezüglichen Recherchen feststellen, dass in allen diesbezüglich angesprochenen Ebenen (Bezirk, Land und div. Bundesministerien) man diesem Problem eigentlich machtlos gegenüber steht und auch sonst, so zumindest mein Eindruck, nicht Willens und in Lage ist, irgendwie nennenswert Einfluss nehmen zu können. Auch weltanschaulich, so der Eindruck meiner Auskunftsbemühungen, existieren keine verbindlichen Unterlagen. Man kann Kindergärtnern und Kindergärtnerinnen offenbar keine konkreten Vorgaben machen, welche Inhalte bezüglich Erhaltung und Ausbau unserer auf Aufklärung beruhenden Zivilisation zu vermitteln sind. Konkrete Empfehlungen gibt es offenbar nicht. Richtlinien habe ich dazu jedenfalls nicht erhalten.
Um es auf den Punkt zu bringen, Kindergärtner und Kindergärtnerinnen haben die Freiheit, den anvertrauten Kindern (und auch den Eltern, besonders den Müttern) nahezu alles und natürlich auch die vernunftferne Homöopathie näherzubringen.
Als Skeptiker werde ich mir erlauben das Problem „Homöopathie im Kindergarten“ auf https://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/ zur Diskussion öffentlich zugänglich zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Edmund Berndt
PS: folgende Personen bzw. Stellen waren in die Diskussion eingebunden und erhalten dieses E-Mail ebenfalls:
Mag. Regine Draschbacher, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 6 – Referat Kinderbildung und -betreuung; Ulrike Mayer, Bezirkshauptmannschaft Leoben, Büro des Herrn Bezirkshauptmannes Dr. Walter Kreutzwiesner; Birgit Schmid, Abteilung Jugendwohlfahrt, Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend; MMMag. Bernd Unterkofler, MBA, Büro des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen, Büroleiter Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (ab 1. Dezember Mag. Thomas Reichhart); BM Reinhold Mitterlehner; Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend; BM Dr. Claudia Schmied, Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur.
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[Beilage zum e-mail]:
Homöopathieprospekte im Kindergarten?
Die Betreuung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen hat zum Ziel, diesen nicht nur eine berufliche Ausbildung, sondern auch eine Bildung im klassischen Sinne der Aufklärung angedeihen zu lassen. Das beginnt schon im Kindergarten. Hier können bereits emotionale und intellektuelle Anlagen gefördert oder unterdrückt werden, die für die Entwicklung der Persönlichkeit einerseits und für die berufliche Zukunft andrerseits bedeutend sind. Allen Kindern sollte ermöglicht werden, später als Erwachsene mündig, selbstbestimmt und verantwortungsbewusst leben zu können.
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