Der kritische Apotheker und Autor Dr. Edmund Berndt fragte sich, ob es zulässig ist, in Kindergärten Werbung für Homöopathie zu betreiben. Er begab sich auf eine Odyssee durch die heimische Bürokratie. Hier sein Abschlussbericht in Form eines offenen Briefs an die Leitung des Kindergartens Niklasdorf:
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Sehr geehrte Damen und Herren des Kindergartens in Niklasdorf!
Es wurde mir per Zufall zugetragen, dass in ihrem Kindergarten Werbeprospekte für Homöopathie der Fa. Peithner aufgelegen sind. Das war im Mai/Juni dieses Jahres. Die Umschlagseite des Werbeprospektes ist als Scan diesem Mail beigelegt [hier links abgebildet, Anm.]. Im Folgenden habe ich mich mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt. Im beigefügten PDF „Homöopathie im Kindergarten“ [siehe unten, Anm.] können Sie das nachlesen bzw. meine Argumentation dazu verfolgen.
Ich kenne Sie alle nicht, das sei vorrausgeschickt, um von vorne herein klarzustellen, dass ich nicht gegen Sie oder andere Personen irgendwelche persönlichen Vorbehalte hege. Ich glaube auch, dass Sie – wie man das so im positiven Sinne sagt – gute Arbeit zum Wohle der Kinder nicht nur als Beruf sondern auch mit einer gewissen Extraportion an Motivation und Berufung leisten und leisten wollen. Ich bin der Überzeugung, dass im Kindergarten, ein Begriff der von Friedrich Wilhelm August Fröbel im 19. Jahrhundert eingeführt wurde, ein Grundstein, wenn nicht gar die Basis, für die Zukunft der Kinder geschaffen wird, vor allem der Kinder, deren Elternhaus nicht die Möglichkeit hat, das zu bieten. Das ist der Grund, warum ich mich mit Homöopathie und Kindergarten auseinander gesetzt habe.
Vorab jedoch, bevor ich ihnen dieses E-Mail sende, habe ich versucht herauszufinden in wie weit es überhaupt statthaft ist, in Kindergärten Werbung und Arzneimittelwerbung im speziellen durchzuführen bzw. zu dulden. Leider musste ich bei meinen diesbezüglichen Recherchen feststellen, dass in allen diesbezüglich angesprochenen Ebenen (Bezirk, Land und div. Bundesministerien) man diesem Problem eigentlich machtlos gegenüber steht und auch sonst, so zumindest mein Eindruck, nicht Willens und in Lage ist, irgendwie nennenswert Einfluss nehmen zu können. Auch weltanschaulich, so der Eindruck meiner Auskunftsbemühungen, existieren keine verbindlichen Unterlagen. Man kann Kindergärtnern und Kindergärtnerinnen offenbar keine konkreten Vorgaben machen, welche Inhalte bezüglich Erhaltung und Ausbau unserer auf Aufklärung beruhenden Zivilisation zu vermitteln sind. Konkrete Empfehlungen gibt es offenbar nicht. Richtlinien habe ich dazu jedenfalls nicht erhalten.
Um es auf den Punkt zu bringen, Kindergärtner und Kindergärtnerinnen haben die Freiheit, den anvertrauten Kindern (und auch den Eltern, besonders den Müttern) nahezu alles und natürlich auch die vernunftferne Homöopathie näherzubringen.
Als Skeptiker werde ich mir erlauben das Problem „Homöopathie im Kindergarten“ auf https://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/ zur Diskussion öffentlich zugänglich zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Edmund Berndt
PS: folgende Personen bzw. Stellen waren in die Diskussion eingebunden und erhalten dieses E-Mail ebenfalls:
Mag. Regine Draschbacher, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 6 – Referat Kinderbildung und -betreuung; Ulrike Mayer, Bezirkshauptmannschaft Leoben, Büro des Herrn Bezirkshauptmannes Dr. Walter Kreutzwiesner; Birgit Schmid, Abteilung Jugendwohlfahrt, Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend; MMMag. Bernd Unterkofler, MBA, Büro des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen, Büroleiter Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (ab 1. Dezember Mag. Thomas Reichhart); BM Reinhold Mitterlehner; Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend; BM Dr. Claudia Schmied, Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur.
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[Beilage zum e-mail]:
Homöopathieprospekte im Kindergarten?
Die Betreuung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen hat zum Ziel, diesen nicht nur eine berufliche Ausbildung, sondern auch eine Bildung im klassischen Sinne der Aufklärung angedeihen zu lassen. Das beginnt schon im Kindergarten. Hier können bereits emotionale und intellektuelle Anlagen gefördert oder unterdrückt werden, die für die Entwicklung der Persönlichkeit einerseits und für die berufliche Zukunft andrerseits bedeutend sind. Allen Kindern sollte ermöglicht werden, später als Erwachsene mündig, selbstbestimmt und verantwortungsbewusst leben zu können.
Wirklich verantwortungsbewusst kann aber nur dann gehandelt werden, wenn die Folgen von Entscheidungen mit hinreichender Gewissheit abzusehen sind. Diese hinreichende Gewissheit setzt ein naturwissenschaftliches Basiswissen, Skepsis und Verständnis voraus. Daher gibt es keine Bildung und Ausbildung ohne Naturwissenschaft bzw. naturwissenschaftliches Grundwissen.
Das Gegenteil wäre der Fall, wenn eine bloße Betreuung und Verwahrung der Kinder im Kindergarten und nachfolgenden Bildungseinrichtungen gefragt ist. Auch könnten Kindern und Jugendlichen lediglich bestimmte Verhaltensweisen und/oder Fertigkeiten angelernt werden, um sich später zu bewähren und selbständig leben zu können. Dazu wird in aller Regel nur eine entsprechend qualifizierte Ausbildung oder ein Anlernen notwendig sein, um eben beschäftigt werden zu können. Das ist jedoch nicht „Bildung“ im klassischen Sinn. Bildung und Ausbildung sind nicht das gleiche. Sie sollten einander ergänzen.
Die Kriterien, Ansichten und Lebensphilosophien, mit denen die Welt erklärt werden kann, können sehr unterschiedlich sein. Die selektive Wahrnehmung und die Eigenheit unseres Gehirns, aufeinanderfolgende Ereignisse zwingend nur als Verknüpfung von Ursache und Wirkung anzusehen, erlauben es jedem eine private bzw. subjektive „Logik“ zu entwickeln. Diese Logik ist scheinbar aber nichts desto weniger praktisch erfolgreich. So kann man sich die Welt auch mit den verschiedensten magischen, esoterischen und abergläubischen Vorstellungen „subjektiv“ erklären und hinter den Dingen Zusammenhänge sehen, mit denen man mehr oder weniger erfolgreich auf die Zukunft schließen kann. Der Mondkalender und das Tageshoroskop sind so verführerische simple und daher besonders einleuchtende Regeln, um ohne weiteres Nachdenken entscheiden zu können. Besonders attraktiv sind anscheinend einfache, klare, alles erklärende „Grundsätze“, die jeder versteht und die nicht so kompliziert und unverständlich wie Wissenschaft sind. Auch Religionen, besonders fundamentalistische, geben ein Weltbild mehr oder weniger zwingend vor. Wenn man darüber ernsthaft nachdenkt, sind Konflikte mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften unausweichlich und auch nicht wirklich auflösbar. Rational aufgelöst werden diese Konflikte nicht, sie werden nur teilweise oder überhaupt nicht wahrgenommen. Eine naturwissenschaftliche Erkenntnis wird einfach zur beliebigen und persönlichen Meinung erklärt, die man teilen kann oder auch nicht.
In der Vergangenheit, in vorwissenschaftlicher Zeit, war es auch gar nicht anders möglich, als sich die Welt irgendwie beseelt und zweckgerichtet vorzustellen. Die Tücke des Objekts war existenziell ernst zu nehmen. Alles schien beseelt zu sein und das Unerklärliche wurde „sinnvoll“ durch den unerforschlichen Ratschluss eines Gottes. Es immer noch so zu sehen und sich so zu verhalten, als ob es keine Entwicklung, keinen gesicherten naturwissenschaftlichen Wissenszuwachs gäbe und auch heute noch fest an unmögliche, magische Zusammenhänge zu glauben, bedeutet unseren heutigen Wissensstand zu ignorieren, zu negieren und zu verkennen. Anstelle einer wissenschaftlich gesicherten Kausalität wird das magische Wirken von Geistern und dergleichen mehr angenommen. Diese alleskönnenden guten oder bösen Geister von ehedem werden hinter modernen Begriffen versteckt. Man spricht jetzt von Energien, Kraftfeldern, Quanten, Blockaden usw.
Wer heute noch die „Theorie“ vertritt, die Erde sei eine Scheibe, wird mehrheitlich als Narr angesehen, aber wer heute noch nach der antiken 4-Säfte-Lehre therapeutische Maßnahmen setzt, hat keine derartige Ächtung zu befürchten, obwohl die 4-Säfte-Lehre als Erklärungsmodell genauso überholt ist wie die Theorie, dass die Erde eine Scheibe wäre.
Niemand kann zur Annahme eines rationalen Verständnisses gezwungen werden. Praktisch lässt sich das an der ausufernden esoterischen Szene und vor allem auch in der alternativen, komplementären und ganzheitlichen Medizin- und Heilszene, an Wunderheilern und dubiosen Heilpraktikern beobachten. Hier herrschen immer noch und schon wieder unwissenschaftliche Überzeugungen und Erklärungen vor, die heute im Lichte der Naturwissenschaft einfach als magisch zu bezeichnen sind. Man könnte fast meinen, dass sich Aberglaube und Esoterik vorzugweise in die Medizin zurückgezogen haben und von dort aus sich anschicken, die Errungenschaften der Aufklärung und der Naturwissenschaften rückgängig zu machen. In den Naturwissenschaften wie z.B. in Chemie und Physik sind überholte Vorstellungen aus der Alchemie oder das Perpetuum mobile längst passee.
Auf nach unseren heutigen Kenntnissen unzweifelhaft magischen Vorstellungen fußen die Homöopathie und viele andere Verfahren und Mittel der alternativen, komplementären und ganzheitlichen Medizin. Hier boomt moderne Pseudowissenschaft und mit ihr das Kauderwelsch aus verfälschten und verdrehten Begriffen, die aus Wissenschaft und Forschung zum „Eindruckschinden“ entlehnt werden. So wird eine Wirkung erklärt, die gar nicht vorhanden ist und der Magie wird ein moderner Hochglanz aufpoliert. Die Existenz von Feen, Elfen, Schutzengeln etc. erscheint vielen plausibel. Der Glaube an Symbolisches, wie die Erschaffung der Welt buchstäblich in 7 Tagen, erfreut sich steigender Beliebtheit. Das Markenzeichen und die Attraktivität von Scheinmedizin und Pseudowissenschaft ist, dass hier alles einfacher, verständlicher, biologischer und natürlicher ist. Um Anerkennung bemüht, wird jedoch Wissenschaftlichkeit und Bestätigung durch angeblich positive Studienergebnisse behauptet.
Kindergarten, Schule und Hochschule etc. sollten das Hinführen und Näherbringen eines Weltbildes, das auf den Errungenschaften der Aufklärung und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen fußt, zum Ziel haben. Auf diesen mühsam erarbeiten Grundlagen beruht unsere Zivilisation. Auch im Kindergarten sollte darauf geachtet werden. Wenn das jedoch nicht gewünscht wird, erübrigt sich jedes weitere Nachdenken über Bildung, Ausbildung usw.
Stein des Anstoßes ist, dass im Kindergarten der Gemeinde Niklasdorf Werbebroschüren für Arzneimittel angeboten wurden. Konkret war eine Werbebroschüre für homöopathische Arzneimittel bzw. Homöopathie der Firma Peithner aufgelegt bzw. wurde das Auflegen derselben geduldet.
Ich finde dieses Vorkommnis nicht in Ordnung.
Zum einem ist Werbung für Arzneimittel grundsätzlich streng reglementiert. Die Reglementierung der Arzneimittelwerbung soll eben vor Kauf und Anwendung nicht notwendiger Medikamente schützen. Es ist im Sinne eines Patientenschutzes nicht gewünscht, dass per Werbung Beschwerden herauf beschworen und dazu auch noch gleich die entsprechenden Medikamente zum Kauf angeboten werden. Noch bedenklicher ist es, wenn Kinder und Jugendliche angesprochen werden. Ich gehe davon aus, dass mit Vorschulkindern keine kritische eingehende Diskussion über welche Arzneimittel auch immer geführt werden kann, weil ihnen dazu noch das Verstehen fehlt.
Zum anderen handelt es sich hier um eine Werbebroschüre für Homöopathie. Entgegen landläufiger Meinung ist Homöopathie nicht grundsätzlich eine harmlose medizinische Modeerscheinung, für die aus diesem Grunde keine Werbebeschränkungen gelten sollten. Homöopathie beruht auf veralteten, transrealen Vorstellungen, die religiösen Dogmen gleichen. Ihr die gleiche Kausalität, den gleichen Stellenwert wie den sonst gültigen medizinischen Erkenntnissen zuzuerkennen ist fatal.
So birgt die Anwendung der Homöopathie mannigfache indirekte Gefahren. Der unbedingte vernunftferne Glaube an die nebenwirkungsfreie Wirkung der Homöopathie und die geschürte Angst vor konventioneller Medizin und Medikamenten verführt oft genug, notwendige Behandlungen zu unterlassen. Warum sollte man sich konventionell medizinisch behandeln lassen, wenn es doch eine angeblich bestens wirksame und sanfte Alternative gibt? Durch dieses irrationale Verhalten müssen immer wieder Kinder unnötigerweise Schmerzen und Leid erdulden. Sie können sich dagegen nicht wehren, und nicht selten kommt es zu bleibenden Schäden. Davon erfährt man nichts. In die Medien kommen nur diesbezügliche tödliche Zwischenfälle.
Trotzdem wird die Homöopathie aber als wirksame Alternative bzw. Ergänzung vermarktet, die grundsätzlich sanft, harmlos und in jeder Hinsicht nebenwirkungsfrei ist. Die Wirksamkeit wird lediglich mit Anekdoten und entsprechend kruden pseudowissenschaftlichen Erklärungen beschworen.
Auch nach mehr als 200 Jahren existieren keinerlei einwandfreie und stichhaltige Beweise für eine spezifische Wirksamkeit. Sowohl die historischen Vorstellungen als auch die gegenwärtigen Erklärungen zur Wirkung der Homöopathie stehen in fundamentalen Widerspruch zu allen gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Lehre des Herrn Hahnemann ist eine für die Medizin unfruchtbare Theorie, eine Irrlehre. Es gibt daher keinerlei Erkenntnisse, die mit Hilfe der Homöopathie gefunden wurden. Alles, was wir heute über „Leben“, „Gesundheit“ und „Krankheit“ im weitesten Sinne wissen, wurde mit Hilfe der Naturwissenschaften erforscht und aufgeklärt. Der Beitrag der Homöopathie zur Entwicklung der Medizin ist null.
Das Credo der Homöopathie „similia similibus curentur“ („Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt“) ist ganz in der Tradition der magischen Signaturenlehre. Nach dieser Signaturenlehren zeigt uns die Natur durch Ähnlichkeiten die z.B. heilende Wirkung einer Pflanze, eines Steines oder eines Tierorgans an. Dass hier die angesprochenen Ähnlichkeiten absolut willkürliche Annahmen aus menschlicher Sicht und menschlicher Erwartungen sind, bedarf hoffentlich keiner weiteren Erläuterung und liegt auf der Hand. Die Signaturenlehre ist nichts weiter als eine esoterische Pseudowissenschaft, die durch nichts belegt werden kann und allen Erkenntnissen widerspricht.
Das homöopathische Potenzieren hat seinen Ursprung in der magischen alchemistischen Vorstellung, dass in den Ausgangsmaterialien ein geistartiges Wirkprinzip, eine Heilkraft ähnlich der immateriellen Lebenskraft , der „Vis vitalis“, existiert, die durch bestimmte Prozeduren wie etwa dem wiederholten Verdünnen mit nachfolgendem Schütteln herausgeholt werden kann und muss, um so in reiner immaterieller Form noch besser Heilung zu bewirken. All das ist, wie wir heute wissen, esoterischer vernunftferner Nonsens. Im Klartext: Es gibt keine kausale Wirksamkeit der Homöopathie. Alle Nachprüfungen ergeben immer wieder, dass es egal ist, welche Mittel welcher Hochpotenz gegen welche Krankheit auch immer wie oft eingenommen werden. Homöopathie wirkt nicht mehr und nicht weniger als ein Placebo. Und die Wirkung eines Placebos bzw. der Homöopathie beruht lediglich auf der Erwartungshaltung, dem Image und dem Brimborium rund um die Verschreibung. Es wirkt der Glaube an die Homöopathie. Die Hoffnung auf Heilung war immer schon stärker als jede Vernunft und zu allen Zeiten daher eine hervorragende Geschäftsbasis für alle Ärzte und Wunderheiler, die in gutem ehrlichen Glauben einerseits selbst daran glaubten bis hin zu den Scharlatanen, denen bewusst war, dass ihre Therapie und ihre Mittel nicht wirken.
Mütter wollen für ihre Kinder das Beste und viele greifen deshalb nach Homöopathika, weil es heißt, diese Mittel seien sanft und ohne Nebenwirkungen. So werden alle Wehwehchen und Krankheiten der Kinder mit Globuli behandelt. Das stört interessanterweise Homöopathieanhänger nicht, aber der konventionellen Medizin wird gerade von ihnen gerne der Vorwurf gemacht, sie behandle zu viel.
Es ist unglaublich, was Mütter, die von der Homöopathie überzeugt sind, glauben behandeln zu müssen. Kinder haben offenbar wie Uhrwerke zu funktionieren und dem entsprechend wird der Tagesablauf mit der Einnahme von Globuli strukturiert. Sie sehen zur Freude der Homöopathieindustrie „Krankheiten“ und „Störungen“, die kein konventioneller Mediziner als behandlungswürdige Krankheit ansehen würde. Diese Behandlungssucht ist zwar gut gemeint, kommt aber einer Medikamentierwut gleich. Die Folge ist, dass die Kinder geradezu zum Pillenschlucken trainiert werden. Sie lernen, dass es nichts gibt, was einfach wieder vergeht und keiner besonderen Beachtung oder Behandlung bedarf.
Die aber ohne jeden Zweifel auftretenden und beobachtbaren Wirkungen der Homöopathie vermag die moderne Medizin sehr wohl zu erklären. Es mögen hier die Stichworte Placebowirkung, Erwartungshaltung, Zufall, Selbstheilung, falsche Diagnosen und das Auf und Ab chronischer Erkrankungen genügen. Werbung für Homöopathie schürt den Glauben und appelliert, wie könnte es anders sein, an das berühmte Bauchgefühl.
An der Wirkungslosigkeit unter Berücksichtigung der Placebowirkung etc. ändert auch die gesetzliche Zulassung homöopathischer Behandlungen und Mittel nichts. Die Homöopathie ist per Gesetz davon befreit, ihre Wirksamkeit gleich anderen Medikamenten und Verfahren nachzuweisen. Die Homöopathie kennt logischerweise keinen Placeboeffekt, denn wenn die Homöopathie den Placeboeffekt anerkennte, dann würde sie sich selbst widerlegen. Der Medizinethik fehlt der Begriff einer unwirksamen Therapie oder eines unwirksamen Mittels. Für Ärzte gilt die Therapiefreiheit. Sie dürfen, mit Einschränkungen natürlich, wenn Patienten dies ausdrücklich wünschen, auch mit erwiesen unwirksamen Methoden behandeln. Kein Wunder ist, dass unter solchen Bedingungen das Geschäft mit Wundermitteln blüht.
Und weil es ein Glaube ist, wird das Marketing entsprechend gestaltet. Besonders Schwangere und Kinder betreuende Mütter zählen zur Zielgruppe und werden umworben. Für diese Zwecke ist ein Kindergarten ein besonders geeigneter Ort um Anhängerinnen zu rekrutieren. Die werdenden Mütter sind von vielen Sorgen und Ängsten erfüllt. Das sind genau die psychologischen Umstände, die notwendig sind, um den Glauben an die Wirksamkeit zu induzieren und Skepsis und Nachdenken für immer auszuschalten. In aller Regel kommen die Kinder heute gesund zur Welt und wachsen gesund heran. Trotzdem, Schwangerschaft und Geburt sind einschneidende und außergewöhnliche Ereignisse, die umfangreiche körperliche und seelische Belastungen nach sich ziehen können, auch dann wenn es nicht zu besonderen Komplikationen kommt. Dieser im Vergleich zu früheren Zeiten weitgehende „normale“ Verlauf wird aber nicht der modernen medizinische Fürsorge (Schwangerenbetreuung, Geburtshilfe, Neonatologie, Kinderheilkunde etc.) zugeschrieben sondern der ebenfalls allgegenwärtigen begleitenden homöopathischen Betreuung. Logisch, dass unter diesen Umständen alles und auch die Magie des Hahnemann wirkt. Eine echte kausale objektive Wirksamkeit ist für die subjektive Heilungsempfindung nicht notwendig.
Gerade im Vorschulbereich werden den Kindern Werte und Tugenden vermittelt. Auch Glauben wird den Kindern als Tugend vermittelt. Mit dem Auflegen von Homöopathiebroschüren wird nahegelegt, dass es sich bei der Homöopathie um eine bessere Medizin handelt und ihre Anwendung grundsätzlich eine Tugend ist.
Und ich gehe davon aus, dass es der Fa. Peithner bzw. Homöopathiefirmen grundsätzlich nicht ungelegen kommt, wenn Homöopathie in Kindergärten positioniert wird. Das ist auch, so nehme ich an, hinlänglich bekannt und liegt speziell bei der Homöopathie in der Natur der Sache, wenn es z.B. um die sogenannte Wirksamkeit von Globuli gegen Schulangst und Zahnungsbeschwerden geht.
Wie Propaganda für Homöopathie gemacht wird sei im Folgenden aufgezeigt. Objektivität sieht anders aus. Ich möchte hier gar nicht auf die offen deklarierte Medienwerbung eingehen, in der die Nebenwirkungsfreiheit der Homöopathie mit wirkungsvoller Stille beschworen wird. Wer glaubt, dass diese Werbung zufällig genau zu Zeit des Schulbeginns gestartet worden ist, soll das glauben. Ich glaube es nicht.
Die Fa. Peithner unterstützt den „Verein zur Förderung der Homöopathie und Gesundheit VHG“ der wiederum als Initiator und Organisator für die Initiative “Homöopathie hilft!“ verantwortlich zeichnet. Diese Unterstützung durch die Fa. Peithner liest sich auf der Webseite (https://www.vhg.at) des Vereins so: „Die finanziellen Rahmenbedingungen setzen sich aus den Mitgliedsbeiträgen, Einnahmen aus Veranstaltungen und dem Sponsoring von »Dr. Peithner KG als Anbieter von homöopathischen Arzneien zusammen“. (https://www.peithner.at/)
Die Initiative “Homöopathie hilft!“ (https://www.homoeopathiehilft.at) wird laut Web-Seite betreut von Daniela Hennrich, Bergmillergasse 6/Top 35, A-1140 Wien, Tel. 01/879 99 07-0, Mobil 0664/408 18 18, E-Mail: initiative@homoeopathiehilft.at. Und was findet sich unter der Tel Nr. 01 879 99 07-0 im Herold? Hennrich.PR – Agentur für Gesundheit und Kommunikation, Bergmillerg 6/Top 35, 1140 Wien, Telefon +43 1 8799907, Fax +43 1 8799907, E-Mail: office@hennrich-pr.at, Internet: www.hennrich-pr.at.
Und auch homöopathische Ärzte werden von dieser Agentur betreut. Die Frage ist, ob diese ihr eigenes Geld in Presseaussendungen stecken, oder dafür eine Agentur von interessierter Seite entlohnt wird. (https://www.springermedizin.at/artikel/25985-hoher-stellenwert-der-homoeopathie-bei-krebs, https://www.pressetext.com/news/20130918006)
Tatsache ist, dass Frau Daniela Hennrich ein PR Büro mit zahlreichen Aktivitäten leitet und Ansprechpartnerin für die „Initiative Homöopathie hilft“ ist.
Und endgültig „objektiv“ wird die Werbung für Homöopathie, wenn dann auch noch die österr. Apothekerkammer die Initiative „Homöopathie hilft“ sponsert. Es mutet schon eigenartig an, wenn eine öffentlich-rechtliche Standesvertretung mit Zwangsmitgliedschaft eine Werbekampagne, die mehr oder weniger einer einzigen Firma, die sich auf Homöopathie spezialisiert hat, besonders zu Gute kommt, sponsert. Man stelle sich vor, die Wirtschaftskammer sponserte die Werbekampagne eines Zuckerlerzeugers, der seine Zuckerl als Vitaminspender anpreist.
Mit der stillen Integration der Homöopathie in die moderne Medizin wird abergläubisches Gedankengut für durchaus real gehalten. Die Folgen gehen über den Bereich der Medizin hinaus. Die fundamentalen Gegensätze zwischen Naturwissenschaft und magisch-mystischen Annahmen bereiten kein Kopfzerbrechen mehr. Transreale Vorstellungen ziehen sogar in die Universitäten ein und geistern durch Medizin, Veterinärmedizin, Biologie, Bodenkultur und Pharmazie. Mittlerweile gibt es eine Studenteninitiative für Homöopathie auf der Medizin-Uni Wien. Ein Medizinprofessor in Graz richtete das Erdmagnetfeld mit Plastikchip schlaffördernd aus und im „Interuniversitären Kolleg für Graz / Schloss Seggau“ wurden unter Mitarbeit des Departments Pharmazie der Universität in Graz Kaulquappen homöopathisch kuriert. Der alpenländische Paradigmenwechsel „Vom Weihwasser zum Granderwasser“ lässt grüßen. Leider haben diese Sensationen das Nobelpreiskomitee noch nicht beeindruckt.
Quer durch die Lande erfreuen sich Wunderwasserquellen steigender Beliebtheit. In Leoben sind, so die Gerüchte, gläubige Marienverehrer und -verehrerinnen verwundert, dass die zuständige Behörde das Wasser der heiligen Heilquelle in Maria Kaltenbrunn in Göss wegen Kontamination mit Fäkalkeimen für ungenießbar erklärt. Wie kann das sein, wo doch das heilige Nass an einem Kraftplatz aus dem Berg tröpfelt?
Vielleicht entsinnen wir uns wieder der die traditionellen österreichischen Heilkost. Beuschel gegen Asthma, Hirn mit Ei gegen Lernschwäche, geselchtes Herz gegen Infarkt, Kalbszunge gegen Stottern und Stierhoden gegen Impotenz. Vielleicht demnächst in ihrer Apotheke als Instantsuppe mit ausgependelten Bachblüten gewürzt!
Wenn schon frühzeitig im Kindergarten mit der Globuli-Propaganda begonnen wird, darf man sich auch auf einen Boom solcher Wundermittel gefasst machen. Aber es kann ja auch ganz anders sein. Homöopathie gehört zum modernen Kindergarten. Wer nicht zeigt, dass er für die vernunftferne Homöopathie ist, ist nicht ganz auf der Höhe der Zeit.
Dr. Edmund Berndt
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