Wirklich verantwortungsbewusst kann aber nur dann gehandelt werden, wenn die Folgen von Entscheidungen mit hinreichender Gewissheit abzusehen sind. Diese hinreichende Gewissheit setzt ein naturwissenschaftliches Basiswissen, Skepsis und Verständnis voraus. Daher gibt es keine Bildung und Ausbildung ohne Naturwissenschaft bzw. naturwissenschaftliches Grundwissen.
Das Gegenteil wäre der Fall, wenn eine bloße Betreuung und Verwahrung der Kinder im Kindergarten und nachfolgenden Bildungseinrichtungen gefragt ist. Auch könnten Kindern und Jugendlichen lediglich bestimmte Verhaltensweisen und/oder Fertigkeiten angelernt werden, um sich später zu bewähren und selbständig leben zu können. Dazu wird in aller Regel nur eine entsprechend qualifizierte Ausbildung oder ein Anlernen notwendig sein, um eben beschäftigt werden zu können. Das ist jedoch nicht „Bildung“ im klassischen Sinn. Bildung und Ausbildung sind nicht das gleiche. Sie sollten einander ergänzen.
Die Kriterien, Ansichten und Lebensphilosophien, mit denen die Welt erklärt werden kann, können sehr unterschiedlich sein. Die selektive Wahrnehmung und die Eigenheit unseres Gehirns, aufeinanderfolgende Ereignisse zwingend nur als Verknüpfung von Ursache und Wirkung anzusehen, erlauben es jedem eine private bzw. subjektive „Logik“ zu entwickeln. Diese Logik ist scheinbar aber nichts desto weniger praktisch erfolgreich. So kann man sich die Welt auch mit den verschiedensten magischen, esoterischen und abergläubischen Vorstellungen „subjektiv“ erklären und hinter den Dingen Zusammenhänge sehen, mit denen man mehr oder weniger erfolgreich auf die Zukunft schließen kann. Der Mondkalender und das Tageshoroskop sind so verführerische simple und daher besonders einleuchtende Regeln, um ohne weiteres Nachdenken entscheiden zu können. Besonders attraktiv sind anscheinend einfache, klare, alles erklärende „Grundsätze“, die jeder versteht und die nicht so kompliziert und unverständlich wie Wissenschaft sind. Auch Religionen, besonders fundamentalistische, geben ein Weltbild mehr oder weniger zwingend vor. Wenn man darüber ernsthaft nachdenkt, sind Konflikte mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften unausweichlich und auch nicht wirklich auflösbar. Rational aufgelöst werden diese Konflikte nicht, sie werden nur teilweise oder überhaupt nicht wahrgenommen. Eine naturwissenschaftliche Erkenntnis wird einfach zur beliebigen und persönlichen Meinung erklärt, die man teilen kann oder auch nicht.
In der Vergangenheit, in vorwissenschaftlicher Zeit, war es auch gar nicht anders möglich, als sich die Welt irgendwie beseelt und zweckgerichtet vorzustellen. Die Tücke des Objekts war existenziell ernst zu nehmen. Alles schien beseelt zu sein und das Unerklärliche wurde „sinnvoll“ durch den unerforschlichen Ratschluss eines Gottes. Es immer noch so zu sehen und sich so zu verhalten, als ob es keine Entwicklung, keinen gesicherten naturwissenschaftlichen Wissenszuwachs gäbe und auch heute noch fest an unmögliche, magische Zusammenhänge zu glauben, bedeutet unseren heutigen Wissensstand zu ignorieren, zu negieren und zu verkennen. Anstelle einer wissenschaftlich gesicherten Kausalität wird das magische Wirken von Geistern und dergleichen mehr angenommen. Diese alleskönnenden guten oder bösen Geister von ehedem werden hinter modernen Begriffen versteckt. Man spricht jetzt von Energien, Kraftfeldern, Quanten, Blockaden usw.
Wer heute noch die „Theorie“ vertritt, die Erde sei eine Scheibe, wird mehrheitlich als Narr angesehen, aber wer heute noch nach der antiken 4-Säfte-Lehre therapeutische Maßnahmen setzt, hat keine derartige Ächtung zu befürchten, obwohl die 4-Säfte-Lehre als Erklärungsmodell genauso überholt ist wie die Theorie, dass die Erde eine Scheibe wäre.
Niemand kann zur Annahme eines rationalen Verständnisses gezwungen werden. Praktisch lässt sich das an der ausufernden esoterischen Szene und vor allem auch in der alternativen, komplementären und ganzheitlichen Medizin- und Heilszene, an Wunderheilern und dubiosen Heilpraktikern beobachten. Hier herrschen immer noch und schon wieder unwissenschaftliche Überzeugungen und Erklärungen vor, die heute im Lichte der Naturwissenschaft einfach als magisch zu bezeichnen sind. Man könnte fast meinen, dass sich Aberglaube und Esoterik vorzugweise in die Medizin zurückgezogen haben und von dort aus sich anschicken, die Errungenschaften der Aufklärung und der Naturwissenschaften rückgängig zu machen. In den Naturwissenschaften wie z.B. in Chemie und Physik sind überholte Vorstellungen aus der Alchemie oder das Perpetuum mobile längst passee.
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