Pseudowissenschaftliche Inhalte und Aktivitäten waren und sind auch außerhalb des weiten Bereichs der Alternativmedizin an österreichischen Unis anzutreffen. Das reicht von dem deutschen Global-Scaling-Betrüger, der vor einem Jahrzehnt ein Labor der Donau-Uni in seine Machenschaften verwickelt hatte über den zum Spott der Medien ebenfalls in Krems vorübergehend angebotenen Feng-Shui Lehrgang bis zu jenem esoterischen Grüppchen, das sich am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Uni Wien etabliert hatte. An der Wiener Universität für Bodenkultur findet man Abschlussarbeiten sowie professorale Gutachten, die esoterische Methoden zum Nachweis erfolgreicher Wasserbelebung und ähnlichen Humbugs heranziehen genauso wie ein seit Jahren laufendes unkritisches Seminar zur Wünschelrutengeherei. Doch das sind meist vorübergehende Ärgernisse, Einzelfälle oder bedauerliche Ausrutscher. Die Alternativmedizin hingegen, und darunter besonders die Homöopathie, arbeitet gezielt und systematisch an einem Eindringen in die Hallen der Wissenschaft.
Der Grund dafür liegt auf der Hand. Die nicht zu leugnende enorme Nachfrage nach Alternativen zur oft als kalt und unpersönlich empfundenen Praxis der Hochschulmedizin hat in den letzten beiden Jahrzehnten zur Entstehung von zwei parallelen und lukrativen Märkten geführt, dem Markt für alternativmedizinische Aus- und Weiterbildungen einerseits und dem Markt für alternativmedizinische Therapieangebote andererseits. Die weniger relevanten Quacksalbermethoden, von Bioresonanz, Radionik und Geistheilung bis zu Bachblüten und Holopathie, wurden in das neugeschaffene Energetiker-Gewerbe abgeschoben, während die etablierten Methoden wie Homöopathie oder Akupunktur den Ärzten vorbehalten blieben. Der Wettbewerb läuft auf beiden Märkten zu einem großen Teil über den Wohlklang der Titel, die man erworben hat bzw. die man vergeben darf. So schlägt das Ärztekammer-Diplom “Applied Kinesiology” den Wochenendkurs in Kinesiologie und der zusätzliche BSc in Homöopathie übertrumpft die bloße Heilpraktikererlaubnis. Der vermeintliche Qualitätsausweis dahinter bleibt freilich ein Etikettenschwindel, denn ob man die Diagnostik mittels kinesiologischem Muskeltest nun zehn oder hundert Stunden studiert, ändert nichts daran, dass dieser Test Humbug ist, und die Arzneimittelbilder der Homöopathie bleiben Fantasiegebilde, egal wieviele davon man auswendig gelernt hat.
Eine Hochschule, die einer Pseudowissenschaft Tür und Tor öffnet, leidet natürlich unter dem damit unweigerlich einhergehenden Verlust ihrer Reputation in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Eine renommierte Medizinische Fakultät kann sich ein Homöopathiestudium also schlicht nicht leisten, würde sie sich doch umgehend zum Gespött der Fachwelt machen. Auf berufliche Weiterbildung spezialisierte Universitäten ohne nennenswerte Forschungsreputation wie die Steinbeis-Hochschule Berlin oder die Donau-Universität Krems tun sich da wesentlich leichter. Andere müssen erst mit beträchtlichen finanziellen Mitteln überredet werden. Die unter dem IntraG-Debakel leidende Europa-Universität Viadrina etwa wurde durch eine mit € 100.000,- jährlich dotierte Stiftungsprofessur gelockt, die die Heel GmbH, einer der weltweit größten Hersteller von Homöopathika, finanziert. Hinter der universitären Homöopathie steckt zudem fast immer die im deutschen Essen ansässige Karl und Veronica Carstens-Stiftung, deren erklärtes Ziel die Etablierung der Globuli in der Hochschullandschaft ist. Seit drei Jahrzehnten fördert sie Studentenprojekte, Promotionen, Wahlfächer und Lehrgänge in Homöopathie. Auch die Naturheilkunde-Professur an der renommierten Charité in Berlin wird von der Stiftung des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten und seiner Frau unterstützt.
“Homöopathie als Irrlehre und Täuschung des Patienten” lautete der Titel der Marburger Erklärung von 1992, als Mediziner der Marburger Universitätsklinik öffentlich gegen die Aufnahme von Prüfungsfragen zur Homöopathie in das Studienfach Humanmedizin aufgetreten waren. Das geistige Fundament der Homöopathie, so das nüchterne Urteil der Ärzte, bestehe aus Irrtümern. Und wenn der Placeboeffekt alleine als Grundlage eines universitären Faches ausreichen sollte, dann müsste man neben Homöopathie doch auch Handlesen oder Astrologie in der Lehre berücksichtigen. Was die Marburger Ärzte als Schreckensvision konzipiert hatten, ist dank eines finanzstarken Gönners jenseits des Ärmelkanals bereits Realität geworden. Die University of Wales Trinity Saint David nimmt derzeit Bewerbungen für das Masterstudium in “Kultureller Astronomie und Astrologie” entgegen. David Colquhoun wird noch viel zu tun haben.
Ulrich Berger ist Wirtschaftswissenschafter und Präsident der Wiener Skeptikervereinigung
“Gesellschaft für kritisches Denken”.
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