Anfang März erschien, wie ich berichtet hatte, im Falter der ausführliche Artikel von Krista Federspiel zum “Hokuspokus an Wiens Boku”. Die noch ausführlichere – weil ungekürzte – Originalversion gibt es hier exklusiv für Kritisch-gedacht-Leserinnen und -Leser:
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Esoterik und Pseudowissenschaft an der Universität für Bodenkultur
Krista Federspiel
Erdstrahlen, belebtes Wasser, Chakrenanalyse: Auf den akademischen Feldern der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku) sprießt auch wissenschaftliches Unkraut.
Wachsen Pflanzen besser, wenn ihr Gießwasser Mozart gehört hat? Studierende mit einem Hang zu New Age und Esoterik sind an der Boku offenbar gut aufgehoben. Da liest man zum Beispiel verwundert in einer älteren Diplomarbeit, betreut von Prof. Jürgen Friedel vom Institut für ökologischen Landbau, über den „Einfluss informierter Wässer auf Wachstum und Ertrag von Hafer und Erbse“. Die Information entstammte Quellwasser und heiligem Wasser aus Mariazell sowie Leitungswasser, in das ein Glasstab mit „informiertem“ Quarzsand getaucht wurde. Jeweils ein paar Tropfen davon kamen in die Behälter mit Gießwasser. Dabei wurden für die drei Behälter „größtmögliche räumliche Entfernungen eingehalten, um eine Informationsübertragung zu verhindern“. Je zwölf Pflanzen wurden damit gegossen. Ob damit deren Vitalität und Ertrag verbessert werden können, wurde mit wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden wie Biophotonen und Bioresonanz, wie die „informierten“ Hafer auf Menschen wirken, wurde mit einer alternativen Diagnostik namens Elektroakupunktur nach Voll EAV kontrolliert. Fazit: „Es gab wenige signifikante Resultate“, aber: es wäre eine „größere Wiederholungszahl empfehlenswert… Das gilt generell für Versuche zu ‚feinstofflicher’ Thematik.“ Dazu will die Autorin Prinzipien der Wissenschaft aushebeln: „jene Sorten auswählen, die am stärksten auf verschiedene Wasserbehandlungen ansprechen“ und z.B. nach einer Idee des Esoterikers Masaru Emoto Wässer mit verschiedenen Musikstücken bespielen. Unterstützt wurde diese esoterische Arbeit durch Prof. Herbert Klima, einst am Atominstitut der Technischen Universität Wien tätig. Klima, der bereits mehrfach wegen seiner esoterischen Ideen in die Kritik kam, führt auch eine private „Akademie für Holistische Kultur“, an der die inzwischen emeritierte Boku-Professorin Karoline Jezik seine Stellvertreterin ist.
Seltsame Messmethoden, seltsame Präparate
Jezik hat am Institut für Garten- Obst und Weinbau einige Arbeiten betreut, bei denen mit seltsamen Messmethoden unkonventionelle Präparate untersucht wurden. Mittels Biophotonen bestimmte etwa ein Dissertant den „Einfluss Effektiver Mikroorganismen als Pflanzenstärkungsmittel auf Qualitätsparameter von Tomaten“. Die eingesetzten Gesteinsmehl-Mittel gelten als fragwürdig, trotzdem sollen die damit behandelten Pflanzen einen „höheren Ertrag marktfähiger Früchte“ erzielt haben.
Eine Kollegin hatte ihren Doktortitel bereits ein paar Jahre zuvor mit „Untersuchungen des Einflusses pflanzenstärkender Mittel auf Wachstum, Ertrag und Qualität gärtnerischer Nutzpflanzen“ erworben. Dabei hat sie mittels Biophotonen eine Reihe fragwürdiger Produkte untersucht: Vit-Theragon-Mittel; ein bio-dynamisches Hornmist-Präparat (Kuhhörner, gefüllt mit Kuhmist, werden in der Erde eingegraben, eine Praxis aus der magisch-anthroposophischen Landwirtschaft); ein Kräuter-Kuhdung-Präparat nach Gildemeister sowie Schachtelhalmtee und Granderwasser. Letzteres führte übrigens zu einem „deutlich schlechteren Ertrag“– andererseits könnte, „aufgrund der durchgeführten Berechnungen angenommen werden, dass die mit Grander-Wasser behandelten Pflanzen“ mit einer Tröpfchenbewässerung „bedeutend besser abgeschnitten hätten“. Wissenschaft im Konjunktiv. Die Autorin stufte Vit-Theragon als besonders wirkungsvoll ein. Sie wird wie ihre Betreuerin Prof. Jezik aktuell als „Unterstützerin“ am „Institut für bioenergetische Zellresonanz“ geführt – einer Einrichtung der Firma, die das Wundermittel erzeugt.
Unter Jeziks Ägide entstand auch die Diplomarbeit mit dem Titel „Chromatest zur Differenzierung unterschiedlicher Stärkungsmittelanwendungen bei Tomaten“, wobei es sich um den wissenschaftlich nicht anerkannten, anthroposophischen Test nach Pfeiffer handelt. Eingesetzt wurden ausschließlich alternative Mittel, wie biologisch-dynamische Präparate, ein Kuhdung-Präparat, Granderwasser und ein ‚Biophotonen-Schwingungsverstärker’. „Zwischen den Pflanzenstärkungsmitteln zeigten sich jedoch nur feine Abstufungen in den Strukturen der Chromas.“ Ergebnis: gleich Null.
Prof. Jezik betreute auch die Diplomarbeit über „Mögliche kosmische Einflüsse des Mondes auf den Anbau von Radieschen, Karotten und einjährigem Sonnenhut…nach Maria Thun“. Es wurden Anbauvarianten bei aufsteigendem und absteigendem Mond, Neumond und Vollmond untersucht. Dabei hat sich Thuns Mondkalender zwar nicht bestätigt, „…dennoch muss festgehalten werden, dass ein lunarer Einfluss nicht komplett widerlegt werden kann. Es spielen vermutlich weit mehr Faktoren (astrologische und astronomische Interferenzen) eine wesentliche Rolle, die für Nichtexperten nicht einfach zur durchschauen sind.“ Die Autorin der Mondarbeit ist heute als Expertin bei Greencare in der Wiener Landwirtschaftskammer tätig.
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