Für die „Ausgrabungen“ am Fuß der „Pyramide“ ist extra zu bezahlen. Nur heute ist der Ort wegen Regens geschlossen. Viel zu sehen gebe es hier nicht. Die Behörden haben vor zehn Jahren untersagt, dass weitere Grabungen stattfinden.
Amateurarchäologe Osmanagić könnte mit seinem Eifer Überreste neolithischer und antiker Ansiedelungen zerstören, die hier vermutet werden, lautet die Befürchtung.
Aber es könnte ja noch werden mit den Touristen, hofft Alen. Das sei das Positive an der Sache.
Und da wäre noch die politische Komponente.
Vor allem in den ersten Jahren rund um den „Pyramiden“-Kult hat Osmanagić die Unterstützung führender bosnischer Politiker genossen.
Bosnien sei die Wiege der europäischen Zivilisation, lautet seine These. Das würden die Pyramiden beweisen. Sie seien von einer Kultur in der Eiszeit erbaut worden, die seitdem verschwunden sei.
Osmanagić propagiert ein Modell zyklischer Zivilisationen – durchaus ähnlich dem von Anthroposophen und Theosophen. Nur, soweit dem Autor bekannt, ohne Rassentheorie, neuerdings freilich angereichert mit Spekulationen, Außerirdische hätten etwas mit der Sache zu tun.
Dass sich laut Osmanagić in Bosnien die ältesten Reste einer Hochkultur weltweit finden, macht in den Augen vieler die heutigen Bosnier wenn nicht gerade zu Nachfahren dieser präantiken Menschen so doch zu den Hütern ihres historischen und kulturellen Erbes.
In einem ethnisch und politisch zerrissenen Land mit einer Arbeitslosigkeit von um die 30 Prozent fällt das auf fruchtbaren Boden. Es stellt so etwas wie Identität her, die mit dem Ende des Sozialismus und dem Bürgerkrieg verloren gegangen ist.
Ähnlich revisionistische Diskurse findet man in allen Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Mal bizarr wie die angebliche Abstammung von den antiken Makedonen in Mazedonien, mal aggressiv und apologetisch früheren Verbrechen gegenüber wie in Kroatien und Serbien.
Dagegen würde sich der Pyramidenkult nahezu harmlos ausnehmen. Hätten ihn nicht auch manche bosniakische (muslimische) Nationalisten für sich entdeckt, die die heutigen bosnischen Muslime für die eigentlichen, die wahren Bosnier halten, für Nachfahren der bosnischen Adeligen im Mittelalter.
Nachdem 2006 die erste Kontroverse um Osmanagićs „Entdeckung“ hochkochte, beschimpften und bedrohten sie Wissenschaftler, die die Pyramiden-These öffentlich zurückwiesen.
Diese Aufregung dürfte mittlerweile abgeflaut sein. Wie auch die Berichterstattung, national wie international.
Vor einem Jahr reichte es im deutschsprachigen Raum noch für eine Doku aus der wissenschaftlich nicht ganz einwandfreien Reihe „Menschen, Mythen und Legenden“, gesponsert von Red Bull TV. Irritierenderweise läuft die kritiklos affirmative Doku auch am deutschsprachigen Qualitätssender phoenix. Warum, konnte oder wollte der Sender nicht beantworten.
Dafür scheint Osmanagić Stammgast auf Eso-Sendern und in einschlägigen Zeitschriften und Portalen zu sein.
Was bleibt, sind eine Handvoll Touristen. Und Osmanagićs Tourneen durch Eso- und Alternativ“wissenschafts“kongresse der Welt samt Personenkult, der an Erich von Däniken heranreicht.
Vielleicht ist es nicht das Projekt, das die bosnische Gesellschaft braucht, um auf eine bessere Zukunft zu hoffen.
Christoph Baumgarten ist Mitglied der GWUP und berichtet auf seinem Blog Balkan Stories über Menschen, Kultur und Neuigkeiten aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens.
Kommentare (14)