Die letzten Tage vor Silvester werden gerne für Rückblicke genutzt. Der Deutsche Bauernverband (DBV) schaut gleich 25 Jahre weit zurück und will uns so nachweisen, dass unsere Lebensmittel trotz Teuerung noch viel zu billig seien.

Der DBV rechnet u.a. vor: “Für eine 250-Gramm-Butterpackung war ein Arbeitslohn von 21 Minuten notwendig, heute dagegen nur noch ein Fünftel dieser Zeit (4 Minuten).” Das mag auf einen Industriearbeiter-Stundenlohn zutreffen. Doch einerseits ist das nur ein schwacher Trost für alle, die vor ein paar Monaten für die Butter noch etwa 40 Prozent weniger bezahlt haben. Und andererseits berücksichtigt die Rechnung auch nicht, dass wir in den frühen 80er Jahren niedrigere Gesundheitskosten hatten, dass kein “Aufbau Ost” zu finanzieren war und die Rente ohne zusätzliche Altersvorsorge zum Leben reichte.

Dass es eine Bereitschaft gibt, für qualitativ hochwertige Lebensmittel mehr zu bezahlen, zeigen die steigenden Marktanteile für Bio-Ware. Doch die muss man sich sowohl leisten wollen, als auch leisten können. Menschen mit Halbtagsstelle, befristetem Job oder unter Mindestlohn setzen womöglich Prioritäten, die sich nicht in bäuerlichen Statistik-Schnipseln fassen lassen. Berücksichtigt man solche Faktoren – und davon gibt es noch eine Reihe weiterer -, so entpuppt sich die DBV-Lebensmittelrechnung leider als Milchmädchenrechnung. Was, andererseits, vielleicht nicht nur zufällig so bäuerlich klingt…

Kommentare (5)

  1. #1 corax
    Dezember 27, 2007

    Wieviel Minuten hat denn vor 25 Jahren ein Bauer gebraucht um 250g Butter herzustellen?

  2. #2 Peter Artmann
    Dezember 28, 2007

    Also für mich klingt das ganz gewaltig nach Isarschätzelchen Wulf Bernotot (EON): “Butter ist viel zu billig”.
    Und das nennst du Milchmädchenrechnung? Das ist doch große Politik!
    Ach und frohes Neues, Stefan.

  3. #3 L.Carone
    Dezember 28, 2007

    Wieso berücksichtigt die Rechnung nicht die gestiegenen Gesundheitskosten und den Aufbau Ost, wie Du behauptest? Schließlich hat der DBV den Netto-Stundenlohn als Grundlage der Berechnung genommen und ich mag mich jetzt irren, aber da sind die gestiegenen Krankenkassenbeiträge und der “Aufbau Ost” eigentlich drin.

    Was hat denn hier bitte das Beispiel “Aufbau Ost” zu suchen? Klingt irgendwie nach billigem West-Populismus und das ist einer wirklich konstruktiven Debatte nicht wirklich förderlich. Vor allem hat das eine mit dem anderen erst mal nichts zu tun.

    Das Rechenbeispiel des DBV ist natürlich sehr vereinfachend, weil sich die Bedürfnisse von damals und heute nicht vergleichen lassen. Aber unbestritten ist, dass die Milchbauern auch von etwas leben müssen und dass wir alle möglichst unbelastete Lebensmittel haben wollen. Was kostet das? DAS ist die entscheidende Frage. Darauf gibst weder Du noch der DBV wirklich Antwort. Ich höre nur grobe Vereinfachungen.

    Wenn sich dann die wenig verdienenden Menschen Lebensmittel bald nicht leisten können, dann ist die Lebensmittelindustrie und die Landwirtschaft nur dann der richtige Ansprechpartner, wenn sie sich übermäßig am Konsumenten bereichern. Ist das so?

    Ansonsten ist nämlich wieder mal die Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik und die Arbeitgeber gefragt. Wenn die Preise für Grundnahrungsmittel dermaßen steigen, müssen gerade die Bezüge der weniger Verdienenden angepasst werden. Oder es muss soviel Puffer nach unten bleiben, dass ein solcher Anstieg nicht direkt existenzbedrohend wird.

  4. #4 Stefan Jacobasch
    Dezember 29, 2007

    Ludmila, ich habe bewusst von “Gesundheitskosten” geschrieben, weil das mehr umfasst als die Beiträge zur Krankenkasse. Z.B. hat vor 25 Jahren – der Vergleichszeitraum des DBV – die Krankenkasse bei starken Sehfehlern sowohl Kontaktlinsen als auch Pflegemittel dafür voll bezahlt. Heute darfst Du beides komplett selbst finanzieren.

    Was den “Aufbau Ost” angeht, so war das vielleicht ein schlechtes Beispiel. War nur eben beim Schreiben das erste, das mir durch den Kopf ging. (Ich hätte vielleicht die MWSt-Erhöhung nehmen sollen…) Als West-Populismus kann ich das nicht sehen, zahlen doch West und Ost gleichermaßen dafür.

    Dass Bauern von ihrer Produktion leben können sollten: Einverstanden! Aber wenn dieser Berufsstand dazu nicht mehr in der Lage ist, obwohl er über Jahrzehnte stetige hohe Subventionen erhalten hat, dann sollten wir die Produktionsbedingungen und -methoden vielleicht mal in Frage stellen.

    Du schreibst: “Ansonsten ist nämlich wieder mal die Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik und die Arbeitgeber gefragt.” Seh ich auch so, völlig richtig. Da der DBV diese Faktoren in seinen platten Zahlenspielen aber unberücksichtigt lässt, hab ich mir das auch erlaubt.

  5. #5 L.Carone
    Januar 3, 2008

    Ok, ok, ich hab dann einiges falsch verstanden. Ich habe eben immer ein Problem mit platten Zahlenbeispielen. Man kann sich die Welt mit willkürlich herausgegriffenen Zahlen immer schön oder schlecht rechnen.

    Aber das mit dem deutschen Bauernstand ist wirklich eine interessante Geschichte. Mich würde mal die Sichtweise eines Wirtschaftswissenschaftlers interessieren.