Functional Food verspricht uns eine gesündere Ernährung. Dass die positiven Effekte probiotischer Joghurts, Powerdrinks und Gentech-Gemüse gegen Null gehen, zeigt Marcus Brian in seinem Buch “O-mega-gesund”. Eine Rezension.

Das so genannte Functional Food macht sich in den Supermarkt-Regalen breit und lässt jene Konsumenten verzweifeln, die noch nach “normalen” Lebensmitteln Ausschau halten. Für Hersteller und Handel rechnen sich die neuen Produkte, weil man dafür höhere Preise nehmen kann. Offenbar gibt es ein wachsendes Klientel, das an die versprochenen positiven Effekte durch Functional Food glaubt.

i-b0ebba65dc26f45ad9bfaf009200d1b2-o-mega-gesund-thumb-140x210.jpg

All jenen sollte man “O mega-gesund” in die Hand drücken, denn in dem bei Hirzel erschienenen Buch werden die Versprechen der Lebensmittelindustrie im Detail zerpflückt und auf ihre ernüchternde Wirklichkeit reduziert. Der freie Journalist Marcus Brian weist darin anschaulich nach, dass Functional Food überteuert und bestenfalls gleichwertig gegenüber herkömmlichen Lebensmitteln ist. Die angeblich gesundheitsfördernden Eigenschaften sind bestenfalls wirkungslos, in Einzelfällen können sie sogar schädlich sein.

Vieles, was Brian auf knapp 130 Seiten darlegt, ist nicht unbedingt neu. Der Autor hat es aber geschafft, sich durch die Fachliteratur der letzten Jahre zu lesen und den Stoff für den Laien kompakt und anschaulich aufzubereiten. Das Buch wendet sich an jene unter uns Konsumenten, die mit offenen Augen durch den Supermarkt streifen und die wunderlichen pseudo-wissenschaftlichen Begriffe auf den Lebensmittel-Verpackungen erklärt bekommen möchten. Wie Functional Food wirken soll und warum das in unserem Stoffwechsel kaum funktionieren kann, wird in verständlicher Sprache erläutert.

Das Buch ist eher lose in sieben Kapitel aufgeteilt, die den Schwerpunkten probiotische Milchprodukte, Energy Drinks und Powerriegel, Multivitaminsäfte und Cholesterin-Mythen, gentechnische Eingriffe in Lebensmittel sowie den Vorteilen einer ganz normalen ausgewogenen Ernährung gewidmet sind. Die Sprache ist sachlich im Erläutern wissenschaftlicher Hintergründe und ironisch in der Kommentierung. Vereinzelt gleitet Brian in Polemik ab, die nach meinem Gefühl in einem solchen Sachbuch nichts zu suchen hat. Zahlen und Statistiken werden in anschaulichen Bildern erklärt, die nicht immer vom Autor selbst stammen müssen. So erklärt Brian beispielsweise den geringen Nutzen probiotischer Joghurts wie folgt:

“Die schiere Masse an Bakterien in unserem Gedärm spricht dagegen, dass sich die Flora eines gesunden Menschen allzu stark von probiotischen Keimen beeindrucken lässt. Denn selbst wenn man annimmt, dass ein Becher noch eine Milliarde Bakterien enthält und ein Zehntel, also 100 Millionen, lebend im Darm ankommt, so sind das trotzdem höchstens 0,0001% dessen, was dort sowieso schon vorhanden ist – und sich bereits bestens an den Wirt und seine Ernährung angepasst hat. In einem Fachbuch über die Mikroökologie des Darmes wird ein Vergleich angestellt, der diese Mengenverhältnisse beeindruckend illustriert: Man stelle sich einen Wald auf einer Fläche von 256 km2 vor, also etwa eine Fläche von der Größe Hannovers. Hier hinein nun pflanzt man ein einziges kleines Bäumchen. Würde irgendjemand ernsthaft annehmen, damit ließe sich der Baumbestand verändern? Eben.”

Das Beispiel zeigt übrigens auch die einzige wirkliche Schwäche des Buches: Die Quellenangaben zur verwendeten Fachliteratur sind ungenügend. Es reicht mir nicht zu wissen, dass das Beispiel aus “einem Fachbuch über die Mikroökologie des Darmes” stammt, ich möchte auch Autor und Titel des Werks mitgeteilt bekommen. Oftmals nennt Brian einzelne Wissenschaftler namentlich und verweist auf ihre Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, behält aber konkrete Angaben zu Datum und Ausgabe der Publikation für sich. Das macht es dem interessierten Leser unnötig schwer, die entsprechenden Quellen selbst nachzulesen. Vielleicht wollte der Verlag in einem Buch, das sich an die breite Öffentlichkeit wendet, keine abschreckenden Fußnoten haben. Aber diese hätte man ja auch wenig störend im Anhang unterbringen können. Dort findet sich leider nur ein Register, das für meinen Geschmack etwas kurz geraten ist.

Ohne diese kleinen Mängel wäre das Buch rundum gelungen. Empfehlenswert bleibt es auf jeden Fall.

Brian, Marcus, O mega-gesund – Wie Functional Food unser Essen verändert. S. Hirzel Verliag 2008, ISBN 978-3-7776-1563-9, 18,- €

Kommentare (2)

  1. #1 Fischer
    März 6, 2008

    Das Beispiel mit dem Baum ist irreführend. Selbstverständlich kann ein einzelner Baum den Baumbestand eines Waldes verändern, wenn seine Art besser gedeiht als die Konkurrenz. Es dauert nur ne Weile.

    Deswegen haut die Argumentation im Bezug auf den probiotischen Joghurt auch nicht hin. Die Mengenverhältnisse sind völlig irrelevant, was zählt sind Vermehrungs- und Überlebensraten. Und Bakterien vermehren sich schnell.

    Kann mir schon vorstellen, warum er nicht sagen will, aus welchem Buch das ist… 😉

  2. #2 Stefan Jacobasch
    März 7, 2008

    Es geht in dem Beispiel darum, die Größenordnung anschaulich zu machen. So gesehen finde ich den Baum-Vergleich legitim. Die Mengenverhältnisse sind nicht irrelevant. Joghurtbakterien können nur sehr kurze Zeit im Darm überleben und vermehren sich dort nicht mehr. Deshalb muss probiotischer Joghurt auch täglich verzehrt werden, um überhaupt die Chance einer Wirkung zu haben. Es müssten schon extrem aggressive Kulturen gezüchtet werden, um uns gefährlich werden zu können.