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Sowohl in der Wissenschaft als auch im Journalismus galt für lange Zeit: Kenntliches Zitieren ist erlaubt, reines Kopieren ist verboten. Doch die Grenzen verschwimmen zunehmend, weil sich die Inhalte der Anderen im Web so leicht kopieren lassen. Wie kann sich die Wissenschaft wehren?

“Das Google-Copy-Paste-Syndrom” nennt der Medienwissenschaftler Dr. Stefan Weber den drohenden Zerfall von Hirn und Verstand. Inbesondere in Bildung und Wissenschaft führt dies zu massiven Problemen.

Diese beiden Sätze habe ich soeben aus dem re:publica-Programm kopiert. Das geht im Web bekanntlich einfach. Ich markiere die Zeilen mit dem Mauszeiger, klicke auf “Kopieren”, klicke in meinem Blog auf “Einfügen”, und schon stehen die Wörter bei mir. Und wenn ich das niemandem verrate und es keinem auffällt, werden die fremden Sätze zu meinen Sätzen. Sogar den Titel für diesen Eintrag hab ich geklaut übernommen.

In meinem Blog ist das noch keine große Sache. Doch in der Wissenschaft sind die Möglichkeiten des digitalen Kopierens und der Trend zum Plagiat problematisch. Beim re:publica-Workshop, dessen Publikum zur Hälfte aus dem wissenschaftlichen Bereich stammte, hatte so ziemlich jeder schon Erfahrungen mit irgendeiner Form des Plagiats gemacht. Wenn es etwa um Ausschreibungen geht, finden Bewerber ihre Formulierungen
immer wieder mal bei Konkurrenten wieder. Und aus wissenschaftlichen Arbeiten wird gern so umfangreich und ohne Quellenangabe “zitiert”, dass die Grenze zum Plagiat überschritten ist. In den Instituten, so eine Teilnehmerin, herrsche viel Unsicherheit, wie man mit entdeckten Plagiaten umzugehen habe.

Unter Studenten, so die Klage einer Seminarleiterin, herrsche “null Unrechtsbewusstsein”. In einem Seminar habe es beispielsweise vier nachgewiesene Fälle von Plagiaten in Hausarbeiten gegeben. Die milde Konsequenz: Die Ertappten bekamen eine Nachfrist zum Neuschreiben ihrer Arbeit eingeräumt. “In anderen Bereichen werden die Leute gefeuert, bei uns müssen sie nicht mal das Seminar wiederholen.” Als Seminarleiter werde man von betreuenden Professoren oft nicht genügend unterstützt.

Offenbar gilt auch in der Wissenschaft, was Peter Schilling, Betreiber des Urheberregisters PriorMart und des Blogs plagiarismus.de aus den Bereichen Architektur und Design berichtete: Nur etwa ein Viertel der Betroffenen versucht, gegen den Plagiator vorzugehen.

Der Druck, eine hohe Zahl von Studenten durch das Semester schleusen zu müssen, begünstige die Tendenz, Themen für Hausarbeiten mehrfach zu vergeben, so Diskussionsleiter Steffen Büffel (media-ocean). Er habe deshalb in seiner Zeit als Dozent versucht, möglichst Themen mit aktuellem Bezug zu finden, die den Rückgriff auf alte Veröffentlichungen erschwerten. Leider fehle mittlerweile auch die “Feedback-Kultur”. Wenn nur noch auf die Schnelle Noten vergeben würden, ohne dass der Dozent mit dem Studenten noch ausführlich über dessen Ausführungen sprechen könne, schwinde auch die Bereitschaft zum sorgfältigen Arbeiten. Wozu noch etwas neu aufarbeiten, was Dutzende andere schon ausführlichst beschrieben haben?

Kann für Wissenschaftler, so eine Überlegung aus dem Publikum, die Veröffentlichung im eigenen Blog vielleicht sogar ein Schutz gegen Plagiate sein, weil die eigene frühere Veröffentlichung belegbar ist?

In nur wenigen Fällen wird das ein praktikabler Weg sein. Der Wissenschaftsbetrieb müsse mehr Problembewusstsein entwickeln, war man sich in Berlin einig, das Plagiat und der Plagiator müssten geächtet werden.