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Der heutige “Milchgipfel” in Berlin werde ihnen höhere Preise bringen, hoffen die Bauern. Das darf bezweifelt werden.

Landwirtschaft ist Industrie, nicht Handwerk
Nicht nur Obst und Gemüse werden so gezüchtet, dass sie den Bedürfnissen der industriellen Weiterverarbeitung entsprechen. Auch die Kuh mutiert vom Haustier zur Maschine: Vor 40, 50 Jahren gab eine klassische Milchkuh in ihren besten Zeiten acht bis zehn Kilo Milch pro Tag. Darauf war die Kuh von Natur aus “programmiert”, weil diese Menge dem Hunger eines Kalbes entspricht. Heute liegt der Durchschnitt doppelt so hoch; aus einer Hochleistungskuh lassen sich sogar 40 bis 50 Liter abpumpen. Wer aus einem einzelnen Tier mehr als 100.000 Liter heraus holt, bekommt einen Orden. Wie die Industrie ihre Maschinenlaufzeiten optimiert, so holen die Bauern das Maximale aus ihren Tieren heraus. Je größer der Betrieb, um so besser funktioniert das: Während Agrarbetriebe in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit großer Fläche und wenig Personal auch bei geringen Margen Gewinne erwirtschaften, können kleine Familienbetriebe in Bayern und Baden-Württemberg ihre Kosten nicht einspielen.

Der Handel hat mehr Macht als die Produzenten
Milch ist ein gesichtsloses Produkt. Bauern sind Rohstofflieferanten. “Veredelt” wird das Produkt bestenfalls in der Molkerei – wenn überhaupt. In der Regel ist Milch ein No-Name-Produkt. Wer einen Liter Milch im Supermarkt kauft, kann kaum nachvollziehen, woher die Ware kommt und wer sie unter welchen Bedingungen produziert hat. Weil das Produkt überall gleich aussieht, sucht der Verbraucher nach dem günstigsten Preis. Den geben für alle diejenigen Discounter vor, welche die größte Marktmacht besitzen. Das Angebot übersteigt die Nachfrage, also sinkt der Preis.

Bauern sind nicht solidarisch
Der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) hat im Vorfeld des heutigen Milchgipfels eine lustige Umfrage vorgelegt: Demnach sprachen sich unter 20.000 Milcherzeugern 90 Prozent für Maßnahmen aus, die den Milchpreis um rund 10 Cent auf 43 Cent erhöhen sollen. Auf genauso viel Zustimmung würde sicher eine Umfrage unter freien Journalisten treffen, ob das Zelenhonorar um 10 Cent erhöht werden solle. Der Haken: Es gibt fast immer einen Autoren, der die Zeitung auch für weniger Honorar füllt. Und genauso gibt es Milchbauern, die ihre Ware auch für 33 statt 43 Cent pro Liter ausliefern. Theoretisch könnten die Bauern höhere Preise erzwingen, wenn sie das Angebot verknappen würden. Tatsächlich sind sie über Genossenschaften sogar die Besitzer der Molkereien, die ihnen die Preise drücken. Doch genau deshalb sind “ihre Interessen vielfältig, teils konträr”, wie die FTD treffend feststellt.

Die Politik hilft den Großen, nicht den Kleinen
“Wir müssen aufpassen, dass Seehofer nicht mit dem Deutschen Bauernverband Abmachung gegen die Milchbauern trifft”, warnte gestern in der taz Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft. Der Bauernverband sei zwar die größte Organisation der Landwirte, “aber er vertritt die Interessen der Milchindustrie”.
Was den Milchbauern blüht, haben andere landwirtschaftliche Bereiche wie die Schweinezüchter oder die Eierproduzenten bereits vorgemacht. Kleine Höfe werden weiter sterben. Es sei denn, sie finden ihre individuelle Nische, in der sie sich den industriellen Produktionsbedingungen entziehen können…

Foto: Cathleen Abers-Kimball /Fotolia

Kommentare (3)

  1. #1 Shin
    Juli 29, 2008

    Dass die Bauern nicht “solidarisch” sind, ist aus Sicht des Verbrauchers positiv zu bewerten, nicht negativ. Denn durch den Wettbewerb wird eine Preisabsprache (vulgo: Kartell) der Bauern verhindert, die weder ihnen selbst noch dem Verbraucher nutzen würde. Allein aus Angebot und Nachfrage resultierende Preise spiegeln das richtige Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen wider.

  2. #2 Klugscheißer
    Juli 29, 2008

    Die Selbstregulierung des Marktes ist ein Märchen das auch heute noch gerne geglaubt wird….

  3. #3 Shin
    Juli 29, 2008

    Der Sozialismus offenbar ebenfalls…