Zwei Nachrichten über unseren Umgang mit Wasser gingen letzte Woche durch die Medien. Nur eine davon erscheint mir bedenkenswert.
Es gibt Meldungen aus der Wissenschaft, die sind lehrreich. Andere sind richtig spannend oder einfach nur nett zu wissen. Und dann sind da noch die, die einen hilflos zurücklassen. Zu Letzteren zählte für mich die Meldung, jeder Tasse Kaffee gehe ein Verbrauch von 140 Litern Wasser für die Herstellung des Pulvers voraus. Das Frühstücksei soll weitere 135 Liter verbrauchen, mit jeder Scheibe Brot angeblich weitere 40 Liter etc. pp. Mein normales sonntägliches Frühstück käme locker auf einen Wasserbedarf von mindestens 600 Litern, Butter und Marmelade noch gar nicht eingerechnet. Doch was sollen mir diese Zahlen sagen?
Zuerst einmal sind die Zahlenspiele Schnee von gestern. Dass sie trotzdem wieder mal durch sämtliche Online- und Offlinemedien wanderten, ist der Verleihung des diesjährigen “Stockholmer Wasserpreises” an John Anthony Allan vom Kings College in London zu verdanken. Allan ist Begründer des Modells vom “virtuellen Wasser”, das er Mitte der 90er Jahre vorstellte. Sein Ziel war es, den realen Wasserverbrauch in der landwirtschaftlichen Produktion offen zu legen. Mehr Transparenz sollte jene Anbauarten an den Pranger stellen, die besonders wasserintensiv sind.
Keine Frage, Allans wissenschaftlicher Ansatz und die Preisverleihung an ihn kann man begrüßen. Doch wie die Medien mit dem Thema umgehen, ist eine Katastrophe. Jeder Deutsche sei für den täglichen Verbrauch von 4000 Litern Wasser verantwortlich, wird mir von jedem, aber auch buchstäblich jedem Medium um die Ohren geschlagen. Dabei handelt es sich erst einmal um eine Nullinformation, die nichts bringt, wenn sie nicht mit anderen Fakten in einen Zusammenhang gestellt wird. Denn welche Lehre soll ich aus dem Wert 4000 ziehen? Soll ich vom Kaffee auf Tee umsteigen, dessen Anbau pro Tasse nicht mal 40 Liter Wasser verbraucht? Bringt meine Einsparung von 100 Litern “virtuellen Wassers” irgendwem irgendwas? Welches wären die positiven, welches die negativen Effekte? Diese Fragen sehe ich in keinem, aber auch buchstäblich keinem Artikel zum Thema nur ansatzweise beantwortet. Zusammenhänge herzustellen, dazu scheinen speziell die tagesaktuellen Medien immer seltener in der Lage. Es wäre ja auch recht aufwändig. Man müsste recherchieren. Ein paar kritische Fragen stellen. Vielleicht auch mal etwas zweifeln. Um wieviel leichter ist es da, das Publikum mit großen Zahlen einfach ein bißchen zum Staunen zu bringen.
Eine zweite Geschichte der letzten Woche verzichtet auf solche Spielereien, ist aber um ein Vielfaches anschaulicher. Sie wurde ebenfalls durch die Weltwasserwoche in Stockholm bekannt, auf der Forscher vom International Water Management Institute (IWMI) über den Einsatz von Abwasser in der Landwirtschaft berichteten. In einer Studie untersuchten sie den Verbleib der Abwässer von 53 Städten aus Afrika, Asien, dem Mittleren Osten und Lateinamerika. Die meisten dieser Städte geben ihre meist nur ansatzweise gereinigten Abwässer an die Landwirtschaft weiter. Für die Bauern rechnet sich das doppelt: Erstens lässt sich so dem Wassermangel in trockenen Regionen begegnen, zweitens spart man dank der Fäkalien in den Abwässern sogar noch Düngemittel. Zwar seien sich die betroffenen Städte der hygienischen Probleme bewusst, so die IWMI-Forscher, doch werde das eigentlich illegale Vorgehen aus pragmatischen Gründen geduldet. Betroffen sind rund 20 Prozent der weltweiten Anbauflächen; allein in Ghana essen nach Aussage der Forscher 200.000 Menschen Lebensmittel, die von Feldern stammen, die mit Abwasser bewässert werden.
In diesem Zusammenhang seien noch ein paar Zahlen genannt, die ich im Gegensatz zur anfangs geschilderten Meldung anschaulich finde: Um eine Kilokalorie (=1000 Kalorien) Nahrungsmittel zu produzieren, ist rund 1 Liter Wasser notwendig. Wenn man davon ausgeht, dass bis zum Jahr 2050 geschätzte 2,5 Milliarden Menschen zusätzlich ernährt werden müssen, ergibt das einen Wasserbedarf von zusätzlichen 2000 Kubikkilometern jährlich. Das wäre mehr als doppelt so viel, wie wir bereits heute weltweit zur Bewässerung einsetzen.
Auch diese Zahlen sind gewaltig, doch veranschaulichen sie das Problem, auf das unsere Welt zusteuert, vergleichsweise gut. Und sie machen auch nachvollziehbar, warum der Einsatz von Abwässern als kleineres Übel angesehen und daher geduldet wird.
Die Forscher des IWMI machen übrigens pragmatische Vorschläge angesichts der Lage: Wenn schon Abwässer in der Landwirtschaft zum Einsatz kämen, sollten sie wenigstens so wenig schmutzig wie möglich sein. Dazu könne etwa die Trennung von Haushalts- und Industrieabwasser beitragen. Auch das zwischenzeitliche Lagern der Abwässer in Tanks empfehlen die Forscher. Dadurch könnten Dreck und Parasiten im Wasser auf den Boden der Behälter sinken, während das für die Bewässerung vorgesehene Nass oben abgeschöpft werde. Keine appetitliche, aber doch eine an der Realität orientierte Maßnahme.
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