Diese Woche vermeldeten gleich zwei Teams wissenschaftliche Durchbrüche in der Grundlagenforschung.
Mithilfe von Genviren hatten sie Hautzellen in einen Zustand zurückversetzt, der dem ursprünglichen Zellzustand sehr ähnlich ist (embryonale Stammzelle). Zweifellos eine große Sache, aber was Jürgen Hescheler, einer von Deutschlands renommiertesten Stammzellforschern, jetzt für Therapien versprochen hat, ist wissenschaftlich gesprochen reiner Unsinn.

Mag ja sein, dass er sich gewaltig über die Machbarkeit und theoretischen Möglichkeiten der Grundlagenforschung gefreut hat.

Aber über seine Freude scheint ihm die wissenschaftliche Nüchternheit abhanden gekommen zu sein: Denn was er jetzt für Therapiemöglichkeiten verspricht ist kein bisschen fundierter, als die Theorie des ewigen Lebens nach dem Tod.

Seine Rede von möglicher Heilung von abgestorbenen Herzbereichen, nach Gehirnschlag oder von Parkinson, die er in Deutschlands größtem Tagblatt ohne Einschränkung formuliert hat, zeigen eher wie aussichtslos Hoffnungen auf eine Stammzelltherapie sind.

Denn wenn Fachleute, die es besser wissen sollten, so unhaltbare Versprechungen machen, dann heißt das doch grundsätzlich immer: Wir kommen überhaupt nicht voran. Die Zellen machen was sie wollen und wir werden sie wohl nie in den Griff bekommen. Mit eigenen Ergebnissen werde ich deshalb wohl nicht mehr glänzen können und schreie dafür aber besonders laut, wenn zufällig mal jemand anderes etwas herausfindet, damit man mir nicht wegen fehlender Ergebnisse demnächst die Forschungsgelder streicht.
Stammzellen sind die Zukunft? Und wenn sie nicht gestorben sind …

Apropos: Was heißt eigentlich wir können jetzt? Tatsächlich können die geschicktesten Hände der Welt unter perfekten Laborbedingungen aus 5000 Zellen eine einzige Stammzelllinie anfertigen.
Und dann steckt in der gesamten Stammzelllinie auch noch den ganzen Gentransferschrott, der natürlich extrem krebserregend ist …
Sollen Therapien nicht gesund machen?

Kommentare (1)

  1. #1 Stefan Bauer
    Februar 14, 2008

    Hallo! Im Allgemeinen mag ich wissenschaftskritische Bemerkungen und Realismus, denn sie stellen die unabdingbare Grundlage dar für seriöse Forschung! Es wurde ja nach all’ den unseriösen Versprechungen – v.a. der sog. Anti-Aging-Medizin, aber durchaus auch aus der Biologie – auch höchste Zeit für etwas nüchternere Betrachtungsweisen. Wenn nun aber, wie das seit einiger Zeit in Mode zu kommen scheint, aus Realismus polemischer Skeptizismus bzw. Nihilismus wird, der schon aus Prinzip jede Prognose als unwissenschaftlich verurteilt, die auch nur einen winzigen Schritt über das heute bereits Machbare hinausgeht, dann ist das meiner Meinung nach kein bisschen wissenschaftlicher! Ein Vergleich aus der Biogerontologie mag dies verdeutlichen: Da gibt es einen Herren namens Aubrey de Grey, der dafür bekannt ist, sich sehr weit aus dem Fenster zu lehnen, was euphorische Zukunftsprognosen betrifft. Das mag man nun für mehr oder weniger unwissenschaftlich erachten, handelt es sich doch – zumindest teilweise – um rein spekulative Annahmen. Andererseits gibt es einen allseits bekannten Herren namens Leonard Hayflick, der sich hinstellt und prinzipiell – auch für die gesamte Zukunft (!) – alles kategorisch ausschließt, was mit einer Verlängerung der menschlichen Lebensspanne zu tun haben könnte. Ist eine solche Aussage nun wissenschaftlicher? Handelt es sich hierbei nicht ebenso um reine Spekulation? Diese beiden Lager lassen sich in der Naturwissenschaft immer wieder finden: Einerseits die Euphoriker, die sich aus dem Fenster lehnen, andererseits die Skeptiker, die den jeden Fortschritt am Liebsten todreden würden. Natürlich ist seriöse Wissenschaft ohne eine gewisse Sachlichkeit nicht denkbar, jedoch lebten große Fortschritte in der Forschung auch immer schon von der Euphorie einiger weniger Optimisten, die entgegen des Mainstreams mit aller Kraft an der Überzeugung festgehalten haben, das es eben doch irgendwie möglich sein muss! Die großen Skeptiker von heute hingegen sind wahrscheinlich dieseleben, die 1833, als Gauß und Weber in Göttingen das erste Telegramm über eine 8000 Fuß lange Telegraphenleitung sendeten, doch alle Vorstellungen über eine Weltweite telekommunikative Infrastruktur als Hirngespinnste ins Reich der Science Fiction verbannt hätten – und heute sind verschiedenste solcher Netze, die weit über die Gauß-Webersche Telegraphenleitung hinausgehen – aus dem Alltag gar nicht mehr wegzudenken!
    Was ich mit meinem Beitrag ausdrücken möchte, ist schlicht die Tatsache, dass übertriebener Skeptizismus und Polemik für wissenschaftlichen Fortschritt mindestens genauso schädlich sein können wie unrealistische Versprechungen und wenn man das jeweils Eine verurteilt, tut man gut daran, sich auch vom jeweils anderen zu distanzieren!

    Mit freundlichen Grüßen und der Hoffnung, dass meine Kritik positiv aufgenommen wird!

    Stefan Bauer