Natürlich handelt es sich ausschließlich um Einzelfälle, aber tatsächlich sind es dann doch insgesamt 104 Mediziner, gegen die die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen Strafanzeige erstattet hat.


Naja, denkt man zuerst, 104 Ärzte fallen doch angesichts von 12.300 niedersächsischen Ärzten mit Kassenzulassung nicht sonderlich ins Gewicht (0,8 Prozent).
Aber ganz so einfach ist es nicht, denn die Straftaten, um die es hier geht, konnten nur insgesamt 263 Mediziner ausführen.
Damit erhöht sich die Prozentrate auf 40 Prozent. Alle Achtung!

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Darum ging es: Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Namentlich um Methadon und vergleichbare Ersatzstoffe wie Polamidon. Dafür hatten 263 Mediziner eine Abgabe-Berechtigung …
Nein, die Ärzte haben dieses Zeug nicht selber eingenommen (also, wer kommt denn auf solche Ideen?), die 104 Mediziner haben lediglich gegen Vorschriften verstoßen. Eigentlich hätten sie die Stoffe nur in Tagesdosen und unter Aufsicht an Drogensüchtige abgeben dürfen.
Aber weil es dafür nur sehr wenig Geld gibt, (pro Quartal eine Pauschale von 27 Euro und zwischen 3,13 und 4,37 für jede beaufsichtigte Einnahme – im Gegenzug jedoch ständig Junkies im Wartezimmer …) haben die Ärzte häufig größere Rationen ausgegeben und die Einnahme überhaupt nicht beaufsichtigt.
Für die Junkies hatte die laxe Kontrolle den angenehmen Nebeneffekt, dass sie das Zeug nicht in Orangensaft trinken mussten, sondern sich die Stoffe sogar spritzen konnten, was angeblich fast so gut wirken soll, wie das Todeszeug vom Bahnhof.
Viele Verfahren sind wegen geringer Schuld bereits eingestellt worden (49 Stück). Demnach stehen also „nur“ gegen 21 Prozent der Methadonärzte Verfahren an.
Der weitere Verlauf bleibt abzuwarten.
Bereits geklärt ist jedoch der spektakuläre negativer Ausreißer nach oben.
Diesen ersten Platz hat sich eine im beschaulichen Aurich (Ostfriesland) praktizierende Ärztin gesichert. Sie wurde dafür inzwischen zu einer Gefängnisstrafe von drei einhalb Jahren verurteilt. Ihre Geschäftsidee:
Sie reduzierte über 50 ihr anvertrauten Junkies eigenmächtig die Tagesration Methadon und verkaufte den eingesparten Stoff auf eigene Rechnung weiter. Teilweise sogar an Abhängige, die nicht an einem Substitutionsprogramm teilnahmen. Der finanzielle Schaden alleine in Bezug auf die Methadonabrechnung soll 120.000 Euro betragen. Der Imageschaden dürfte deutlich höher liegen.

Den Stein ins Rollen hat die AOK-Geschäftsführerin Brigitte Käser gebracht. Sie leitet unter anderem die lokale Untersuchungsgruppe Falschabrechnungen, der fünf Mitarbeiter angehören und die in den letzten beiden Jahren einen Rückfluss an die Kassen in Höhe von 3,5 Millionen Euro bewirken konnte. Diese Summe soll in den nächsten Jahren noch deutlich ansteigen.

“Das Thema Betrug im Gesundheitswesen ist mittlerweile überall angekommen, … .Nach unserer Überzeugung wird dadurch, zumindest innerhalb des nationalen Gesundheitsmarktes, Betrug zulasten der Solidargemeinschaft Zug um Zug schwieriger”, erklärte dazu Ingo Werner, Vorstand des LV Niedersachsen-Bremen der Betriebskrankenkassen.

Weitere berichtenswerte Fälle waren der Abrechnungsbetrug einer Physiotherapeuten, die für Hausbesuche regelmäßig zu viele Kilometer abrechnete (sowie zusätzliche Behandlungen), so dass sie einen Schaden von 50.000 Euro verursachte.

Für Aufsehen sorgte außerdem eine Pflegedienstleiterin, die ihre Mitarbeiter anwies am Monatsende Abrechnungslisten mit nicht erbrachten Leistungen aufzufüllen … es sind also nicht nur Ärzte.