Wenn man in unserer Gesellschaft alt wird, wird man in ein Altersheim gesteckt. Wenn man sich dort gegen eine entmündigende Behandlung wehrt, wird man mit Medikamenten ruhig gestellt – allerdings sind diese garantiert nicht frei von Nebenwirkungen – wie britische Forscher berichten.
Die Pflegeeinrichtungen setzen dafür Neuroleptika ein, das sind extrem starke Psychopharmaka, die eigentlich nur für Durchgeknallte (also Menschen mit einer Psychose) vorgesehen sind und auch nur für die Dauer ihrer Episode eingenommen werden sollten.
Doch bei alten Leuten scheint man nicht so genau hinzuschauen.
Häufig erhalten die ohnehin schon geschwächten Menschen hohe Dosen als Dauermedikation. In manchen Pflegeheimen sollen über die Hälfte der Insassen Bewohner dauerhaft ruhig gestellt sein.
Jetzt hat ein britisches Forscherteam um Clive Ballard mal die Nebenwirkungen der Arzneien auf Alzheimerpatienten untersucht. Dazu ließ er bei der Hälfte von 165 Patienten in Pflegeheimen einfach mal die Neuroleptika (Haloperidol, Chlorpromazin, Thioridazin, Trifluoperazin und Risperidon) weg, die Patienten erhielten gleich aussehende Placebos.
Überraschenderweise reagierte kaum ein Patient durch den Entzug mit einer Verschlechterung seines Verhaltens.
Stattdessen schnitten die Patienten der Placebo-Gruppe sogar nach dem 12-monatigen Untersuchungsende in Sprachtests deutlich besser ab, als die Patienten in der Neuroleptika-Gruppe.
Ballard erklärt das mit einer destruktiven Wirkung der Neuroleptika auf das Sprachzentrum im Gehirn. Da zusätzlich die Sterbewahrscheinlichkeit in der Placebo-Gruppe leicht niedriger war, als in der Neuroleptika-Gruppe, warnt der Forscher vor einer zu leichtfertigen Verschreibung der Medikamente.
Er fordert ein Umdenken in der Pflege, die eine sorgfältigere Verschreibungspraxis beinhaltet.
Als besonders bedenklich erscheint der Nebenaspekt, dass die Teilnehmer beider Gruppen keinerlei Unterschiede im kognitiven Abbau zeigten.
Was die Vermutung nahelegt, dass die Alzheimerpatienten mit Neuroleptika eine Art „Locked In-Syndrom” erleiden, bei dem die Patienten mehr Fühlen als sie ausdrücken können (wie zuletzt im Film Schmetterling und Taucherglocke eindrucksvoll beschrieben).
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