Edward Tobinick ist ein Arzt, vor dem man warnen muss. Am Sonntag hat er im Fachjournal BMC Neurology eine Mini-Studie veröffentlicht, in der er behauptet eine Verbesserung der Sprachfähigkeit bei Alzheimer-Patienten erreicht zu haben, mithilfe eines Rheumamittels.

Die Nachricht ging um die Welt, in Deutschland hat die Presseagentur ddp für die Verbreitung gesorgt und auch wissenschaft.de ist drauf reingefallen.


Weil jedoch nur wenige Leute wissenschaftliche Veröffentlichungen lesen, hat er nachgelegt und auf seiner Klinikseite eine Wunderheilung per Video veröffentlicht. Da zeigt er eine alte Frau vorher und nach der Behandlung – bei der Nachher-Behandlung sitzt sicherlich nur zufällig die attraktive Tochter der alten Frau daneben …)

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Das Video gibt es hier.

Es schürt die Hoffnung von Millionen von Alzheimer-Patienten beziehungsweise ihrer Angehörigen, dass es ein Mittel gibt, das die unangenehmsten Symptome – also den stockende Redefluss und das erschwerte Finden von Wörtern lindern kann.
Man muss sogar nicht mal auf eine Zulassung warten, weil das verwendete Medikament bereits als Rheumamittel zugelassen ist.

Ob jetzt die dahinterliegende Theorie stimmig ist oder nicht, dürfte kaum jemand anzweifeln, da Herr Tobinick doch immerhin seine Studie veröffentlicht hat.

Doch was hat er genau gemacht? Er hat 12 Patienten in seiner eigenen Klinik, dem Institute of Neurological Research in L. A. California, behandelt.
Die Behandlung ist auch tatsächlich nur dort möglich, weil Tobinick mehrere Patente auf die Spritztechnik beantragt hat.
Deshalb wird auch in Zukunft die Behandlung nur bei ihm möglich sein.

Kosten soll die Therapie zwischen 10.000 und 20.000 Dollar und dafür erhalten die Patienten mehrere Spritzen mit dem Mittel in den Hals.
Angeblich will Tobinick das Mittel sogar ins Rückenmark injizieren.

Was jeden Menschen mit Anatomiekenntnissen stutzig machen dürfte, denn auf dieser Höhe spritzt niemand ins Rückenmark – zu hoch ist die Gefahr, dass man Nerven verletzt und der Patient nachher weder Arme noch Beine bewegen kann (Tetraplegiker).

Also geht Tobineck tatsächlich dieses Risiko ein? Wahrscheinlich nicht, wahrscheinlich spritzt er nur daneben. Einen vollständigen Aufschluss über seine Spritztechnik gibt er nicht. Im Prinzip bleibt er genau so vage, dass es niemand nachmachen kann.

Aber das wäre ja auch frech. Man stelle sich vor: Ein Arzt erfindet eine Krankheitslinderung und andere benutzten die Methode ohne, dass er mitkassieren kann. …

Man muss jedenfalls befürchten, dass die drastischen Heilsversprechen von Tobinick ein starkes Echo ausgelöst haben.

Anders kann man sich nicht erklären, dass die amerikanische Alzheimer’s Association in einer Pressemeldung vor der Studie und den damit verbundenen Versprechungen warnt.

Die Institution schreibt, dass es sicherlich wünschenswert wäre, bessere Therapien für die Patienten zu haben. Dass sie jedoch von Forschung erwartet, dass sie klinischen Anforderungen gerecht wird (Tobineck hatte noch nicht mal eine Kontrollgruppe – allen ging es besser – ach wie schön …).
Und dass eine unabhängige Forschergruppe – die keine eigenen finanziellen Interessen an der Therapie hat – die Ergebnisse überprüfen muss.
Bevor dies nicht geschehen ist, sollte man den Behauptungen nicht zu viel Beachtung schenken.

Aber andererseits: Verspricht Tobinick nicht, dass Vati oder Mutti nach der Behandlung wieder besser sprechen können? Ist das Video nicht eindeutig?