Im Tierversuch mit Mäusen ist es US-Forschern gelungen, traumatische Erinnerungen zu entfernen.

Im Fachmagazin Neuron berichten die Forscher, dass sie Tiere, denen sie hohe Dosen von CA 2+-Calmodulin abhängige Proteinkinase II (CaMKII) verabreichten, erfahrungsärmer machen konnten.


Aufgrund der Nachhaltigkeit ihrer Ergebnisse – die Erinnerungen waren nicht nur temporär blockiert sondern vollständig ausgelöscht – spekulierte Forschungsgruppenleiter Joe Z. Tsien in einem Interview über eine konkrete Anwendung beim Menschen. Demnach glaubt Tsien, dass mithilfe einer CaMKII-Therapie viele Soldaten von ihren posttraumatischen Kriegserlebnissen geheilt werden könnten.

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In ethischer Hinsicht stellt sich dabei natürlich die Frage, ob man Menschen ihrer Erinnerung berauben darf (ich weiß nicht mehr, dass ich nichts mehr weiß?) – oder ob man dies nicht sogar tun sollte, wenn durch die entsprechenden Erinnerungen das Alltagsleben nicht mehr funktioniert.
In positiver Hinsicht zeigten die Versuche immerhin, dass sämtliche anderen Fähigkeiten der Mäuse erhalten blieben.

Wie weit die Therapie jedoch von einem Einsatz beim Menschen entfernt ist, zeigt der anspruchsvolle genetisch-chemische Aufbau des Versuchs.

Anstelle von „normalen” Mäusen kamen beim Versuch gentechnisch veränderte Mäuse zum Einsatz. Tsien hatte bei diesen das CaMKII-Gen so modifiziert, dass es mithilfe der Chemikalie NM-PP1 ein- und ausgeschaltet werden konnte.

Für die Auslöschungsphase des Versuchs wurde das Gehirn mithilfe des Proteins regelrecht durchflutet, wodurch die Erinnerungen „ausradiert” wurden.

Die Mäuse konnten sich später nicht mehr an eine „klassische Konditionierungs-Situation” erinnern. Die Konditionierung bestand darin, dass die Mäuse einen hochfrequenten Ton hörten und anschließend mit Strom geschockt wurden.

Wie sich zeigte, konnte die Methode sogar Erinnerungen auslöschen, die einen Monat zurück lagen.

CaMKII gilt bereits seit einigen Jahren als wichtiger Kandidat für die Speicherung von Erinnerungen. Im Körper wird der Stoff nach einer Erhöhung des Kalziumspiegels freigesetzt und kann in zwei stabilen Zuständen vorliegen, die einen Einfluss auf bestimmte Gehirnrezeptoren haben.

Zusatz: Übrigens hat Hollywood im Jahr 2004 in einer sehenswerten Produktion mit Jim Carrey und Kirsten Dunst die Thematik bereits verarbeitet (korrekt angemerkt von Tobias). Im Original heißt der Film “Eternal Sunshine of the Spotless Mind” auf Deutsch wurde es dann etwas weniger lyrisch “Vergiss mein nicht!”
Drehbuchautor Charlie Kaufman, der dafür einen Golden Globe erhalten hat, dachte beim Schreiben tatsächlich an die Experimente von Wang und Tsien und hat das Ganze dann ein bisschen weiter gesponnen …

Hier ist der Trailer:

Kommentare (3)

  1. #1 Tobias
    Oktober 23, 2008

    Eternal Sunshine of the Spotless Mind

  2. #2 ali
    Oktober 23, 2008

    @Tobias (und off-topic)

    Da wir schon dabei sind: Sind sonst noch jemandem die Parallelen in ‘Eternal Sunshine of the Spotless Mind’ zu Max Frischs ‘Montauk’ aufgefallen? Ich bin überzeugt, dass die Filmmacher das Buch als Inspiration benutzten, habe aber noch nie diese Verbindung gemacht gesehen.

  3. #3 Fantabauch
    Oktober 24, 2008

    Wer bestimmt denn dann was gelöscht werden sollte und was nicht ?
    hm, es klingt ja schön und gut- aber sind wir nicht eben das was wir sind aufgrund der Dinge die wir erlebt haben ?
    Die Frage ist für mich auch ob es nicht fatale Folgen hat wenn es z.B. möglich wäre bestimmte Erinnerungen z.b. eine Vergewaltigung zu vergessen – das Vergessen bedeutet doch nicht dass es die Folgen sprich die eventuelle psychische Störung die damit verbunden ist auflöst.
    Nehmen wir einmal an eine Person ist etwas schlimmes zugestossen, daraus resultiert dann vielleicht eine Persönlichkeitsstörung, Minderwertigkeitsgefühle etc. die bestehen doch dann immer noch , aber man kann sich garnicht mehr in einen Zusammenhang bringen? ..Es klingt ziemlich beängstigend und ich verstehe nicht so ganz warum sich Forscher mit soetwas befassen, vllt hab ich die Logik dahinter noch nicht so ganz verstanden. Aber dass das wenn es denn mal möglich wäre total ausgenutzt wird ist ja vorhersehbar – geht dann jeder der ein Problem hat zum Arzt und wir werden alle glückliche 0815 Menschen ?
    Eine Vergwaltigung zu vergessen ist etwas, dass ich den Opfern so eines Verbrechens nur wünschen kann aber wär das wirklich sinnvoll ?wohl eher nur wenns unmittelbar danach geschehen würde.
    Und zu “Soldaten von ihren posttraumatischen Kriegserlebnissen geheilt werden könnten.” – vielleicht mag meine Meinung eh nur Utopie sein, aber sollte man nicht vielleicht versuchen den Krieg abzuschaffen ? …naja, da werden diese Forschen vielleicht nicht viel mit zu tun haben aber es ist doch wenn man es mal betrachtet ein komplettes Trauerspiel.
    Wär ich jetzt nen Verschwörungstheoretiker würde mir da jetzt so einiges zu einfallen 🙂