Der Kopfschmerz ist weg. Als wäre er nie dagewesen. Und dabei habe ich gerade erst vor zwölf Minuten eine Tablette genommen. Kann die überhaupt schon wirken? Egal – dass ich keine Kopfschmerzen mehr habe, ist ja wohl der beste Beweis.
Wir alle haben unsere Hausmittel, unsere Lieblingsmedikamente, unsere medizinischen Tricks, auf die wir völlig vertrauen. Wir fühlen uns besser – doch beweisen lässt sich dadurch überhaupt nichts. Der Kopfschmerz hätte sich vielleicht auch ohne Tablette verabschiedet, vielleicht war es eher das Glas Wasser, das ich getrunken habe, vielleicht hat mir der Placeboeffekt geholfen. Ob eine Behandlung wirklich wirkt oder nicht, das lässt sich nur durch Statistik herausfinden. Es gibt keine alternative Möglichkeit. Erfahrungsberichte zufriedener Kunden, Empfehlungen erfahrener Ärzte, Umsatzzahlen großer Pharmaunternehmen – all das ist wissenschaftlich völlig wertlos. Nur eine saubere medizinische Studie, bei der verschiedene Patientengruppen statistisch untersucht werden, können uns sagen, was als echte Medizin gelten kann, und was wirkungsloser Hokuspokus ist.
Ignaz Semmelweis – Retter der Mütter
Ein besonders beeindruckendes historisches Beispiel von evidenzbasierter Medizin ist die Geschichte von Ignaz Semmelweis: Mitten im neunzehnten Jahrhundert arbeitete er an der Geburtenabteilung im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien. Das Gebäude, in dem Semmelweis Medizingeschichte schrieb, ist nur wenige Gehminuten von meinem Schreibtisch entfernt. Es gehört heute zur Universität Wien, das Allgemeine Krankenhaus Wien ist längst in ein moderneres Gebäude übersiedelt.
Hände waschen, Herr Doktor!
Damals, in den Vierzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts, wütete an der Geburtenabteilung das Kindbettfieber: Etwa zehn Prozent der Mütter starben dort, in manchen Monaten waren es deutlich mehr. Semmelweis erkannte die Ursache dieses Problems: Die Medizinstudenten, die an seiner Geburtenabteilung mitarbeiteten, sezierten Leichen und untersuchten dann ihre Patientinnen, ohne besondere Hygienemaßnahmen. So wurden gefährliche Bakterien von Frau zu Frau verteilt. Semmelweis schrieb seinen Studenten vor, sich die Hände zu desinfizieren. Diese Maßnahme zeigte sehr schnell große Wirkung – und Semmelweis konnte diesen Erfolg in sauberen statistischen Untersuchungen nachweisen. Er gilt daher heute als einer der Väter der evidenzbasierten Medizin.
Den ganzen Text über Ignaz Semmelweis gibt es auf naklar.at zu lesen.
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