Der Kopfschmerz ist weg. Als wäre er nie dagewesen. Und dabei habe ich gerade erst vor zwölf Minuten eine Tablette genommen. Kann die überhaupt schon wirken? Egal – dass ich keine Kopfschmerzen mehr habe, ist ja wohl der beste Beweis.

Wir alle haben unsere Hausmittel, unsere Lieblingsmedikamente, unsere medizinischen Tricks, auf die wir völlig vertrauen. Wir fühlen uns besser – doch beweisen lässt sich dadurch überhaupt nichts. Der Kopfschmerz hätte sich vielleicht auch ohne Tablette verabschiedet, vielleicht war es eher das Glas Wasser, das ich getrunken habe, vielleicht hat mir der Placeboeffekt geholfen. Ob eine Behandlung wirklich wirkt oder nicht, das lässt sich nur durch Statistik herausfinden. Es gibt keine alternative Möglichkeit. Erfahrungsberichte zufriedener Kunden, Empfehlungen erfahrener Ärzte, Umsatzzahlen großer Pharmaunternehmen – all das ist wissenschaftlich völlig wertlos. Nur eine saubere medizinische Studie, bei der verschiedene Patientengruppen statistisch untersucht werden, können uns sagen, was als echte Medizin gelten kann, und was wirkungsloser Hokuspokus ist.

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Ignaz Semmelweis – Retter der Mütter

Ein besonders beeindruckendes historisches Beispiel von evidenzbasierter Medizin ist die Geschichte von Ignaz Semmelweis: Mitten im neunzehnten Jahrhundert arbeitete er an der Geburtenabteilung im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien. Das Gebäude, in dem Semmelweis Medizingeschichte schrieb, ist nur wenige Gehminuten von meinem Schreibtisch entfernt. Es gehört heute zur Universität Wien, das Allgemeine Krankenhaus Wien ist längst in ein moderneres Gebäude übersiedelt.

Hände waschen, Herr Doktor!

Damals, in den Vierzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts, wütete an der Geburtenabteilung das Kindbettfieber: Etwa zehn Prozent der Mütter starben dort, in manchen Monaten waren es deutlich mehr. Semmelweis erkannte die Ursache dieses Problems: Die Medizinstudenten, die an seiner Geburtenabteilung mitarbeiteten, sezierten Leichen und untersuchten dann ihre Patientinnen, ohne besondere Hygienemaßnahmen. So wurden gefährliche Bakterien von Frau zu Frau verteilt. Semmelweis schrieb seinen Studenten vor, sich die Hände zu desinfizieren. Diese Maßnahme zeigte sehr schnell große Wirkung – und Semmelweis konnte diesen Erfolg in sauberen statistischen Untersuchungen nachweisen. Er gilt daher heute als einer der Väter der evidenzbasierten Medizin.

Den ganzen Text über Ignaz Semmelweis gibt es auf naklar.at zu lesen.

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Na gut, Statistik allein rettet auch keine Leben – aber sie ist wichtig!

www.naklar.at

Kommentare (30)

  1. #1 Theres
    April 23, 2012

    Hmmm … Statistik allein reicht aber nicht …

    Ach, korrigiere den Link zum ganzen Artikel doch, sonst muss der geneigte Leser/in nämlich das überflüssige https:// von Hand löschen, und irgendwer meckert das sowieso an. Wieso nicht ich? (scnr)

  2. #2 Theres
    April 23, 2012

    Jetzt hab ich den ganzen Artikel durchgelesen. Schade, dass sein Beispiel heutzutage teils in Vergessenheit geriet – bedenkt man, was Ärzte (in D) bei der Hygiene so anstellen, oder eben ignorieren um Kosten zu sparen. Das war aber nicht das Thema. Zu dem habe ich bloß nichts hinzuzufügen.

  3. #3 Florian Aigner
    April 24, 2012

    @Theres:
    Vielen Dank für den Hinweis! Links sollte man wohl echt ausprobieren, wenn man etwas online stellt. Ist repariert.

  4. #4 MartinB
    April 24, 2012

    “Nur eine saubere medizinische Studie, bei der verschiedene Patientengruppen statistisch untersucht werden, können uns sagen, was als echte Medizin gelten kann”
    Naja, auch ein nachgewiesener Wirkmechanismus kann ganz hilfreich sein – das ist ja der wichtige Unterschied zwischen Evidenzbasierter und Wissenschaftsbasierter Medizin.

  5. #5 Dagda
    April 24, 2012

    Interesant ist an Semmelweis auch das seine Hygienemassnahmen, trotz seiner guten wissenschaftlichen Arbeit lange nicht anerkannt wurden.

  6. #6 Friedrich
    April 24, 2012

    Genau, Martin B!

    Leider wird dieser Umstand heute allzuhäufig vergessen. Letztlich liefert der statistische Test keinen Beweis für das Vorhandensein eines Wirkungsmechanismus; er liefert uns aber eine gute Hilfestellung, uns für eine Hypothese zu entscheiden. Diese sollte aber vor allem in klinischen Studien theoriegeleitet formuliert sein. Und da sind wir auch schon beim Punkt: viele Studien sind explorativ angelegt. Aus den Ergebnissen werden große Erwartungen geweckt, erst Jahre später muss man zurückrudern, wenn man mit Hilfe strenger Experimental- bzw. Interventionsstudien diese Ergebnisse überprüfen möchte. Dass wir auf der einen Seite evidenz- und auf der anderen Seite wissenschaftsbasierte medizinische Forschung haben, ohne dass kaum ein Unterschied gemacht wird, ist doch ein wenig erschreckend. Denn letztlich bilden die beiden die berühmten 2 Seiten der Medaille. Die Aussagen des statistisches Testens können ohne fundierte Kenntnisse über Experimentallogik (und Forschungsdesigns) als empirische Methode(s) nicht adäquat formuliert und interpretiert werden. Das einleitende Beispiel des Textes zeigt es ja deutlich: liegts am Wasser oder an der Tablette oder …? Nur in Kombination mit einem Experiment können wir uns für oder gegen eine Hypothese -entscheiden-! Statistik liefert keine Beweise (wird u.a. deutlich am Nullhypothesenproblem).

  7. #7 Stefan B.
    April 24, 2012

    erinnert mich an eine Diskussion vor ein paar Tagen
    “seit ich ein homöopathisches Mittel nehme, werde ich seltener krank. Sie wirken also.”
    Mein Einwand das die Person doch nicht wisse ob sie ohne das Mittel öfters krank werden würde, wurde natürlich nicht angenommen.

  8. #8 Dr. Webbaer
    April 24, 2012

    Statistik rettet Leben

    Statistik rettet Leben und funktioniert. An diesem Beispiel schön erkennbar, aber auch allgemein, die Statistik als Erfahrungsanalytik (‘Statistik’, da steckt auch ‘Staat’ drin, es ging im Rahmen erster Großpolitik (‘Politik’ kommt von ‘Polis’ bzw. der in Städte(verbunden) erforderlich gewordene analytische Betrachtung der Bürgerlichkeit (‘Zivilisation’) – von einer höheren Warte aus) um die bestmögliche Sicherstellung der (Staaten-)Existenz)) ist eine feine Sache, zu den Problemen soll an dieser Stelle ganz untergeordnet auf diesen Artikel verwiesen werden: https://www.scilogs.de/chrono/blog/die-natur-der-naturwissenschaft/begriffe-der-physik/2012-03-13/aus-daten-schl-sse-ziehen

    MFG
    Dr. Webbaer

  9. #9 Dalek
    April 24, 2012

    Es lebe die Eso-Etymologie. Nein, im Wort “Statistik” steht kein “Staat” drin, sonst hieße die Disziplin “Staatistik” und außerdem wäre die hypothetische Funktion, die Sie der Statistik so zuschreiben, ausschließlich auf die deutschsprachigen Länder beschränkt. (Typischer Fehler der Eso-SprachverdreherInnen.)

  10. #10 Joseph Kuhn
    April 24, 2012

    @ Dalek:

    “Nein, im Wort ‘Statistik’ steht kein ‘Staat’ drin, sonst hieße die Disziplin ‘Staatistik’

    Doch, genau das ist die Herkunft des Wortes, es war die Lehre von den Daten, die den Staat betreffen, sogar die Schreibweise mit Doppel-a gab es früher. Was kann man daraus lernen: Auch der Webbär kann recht haben, und evidenzbasiert ist besser als etwas zu glauben.

    @ MartinB:

    das ist ja der wichtige Unterschied zwischen Evidenzbasierter und Wissenschaftsbasierter Medizin

    Bei allem Respekt, Herr Kollege, aber diesen Unterschied gibt es nicht. Evidenzbasierte Medizin ist wissenschaftsbasierte Medizin. In dem klassischen kurzen Einführungstext von David Sackett et al. aus dem Jahr 1996 heißt es: “EBM ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtigen besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung (…).” Und etwas später führen die Autoren aus, dass diese externe Evidenz unter anderem “medizinische Grundlagenforschung” ist. Dein Grundgedanke ist trotzdem richtig: Wenn z.B. im Labor toxikologisch ein Wirkungsmechanismus nachgewiesen ist, braucht es manchmal keine epidemiologischen Studien mehr, um medizinische Konsequenzen daraus zu ziehen. Manchmal schon, das führt dann zum Unterschied zwischen efficacy und effectiveness.

    Die Gelegenheit darf ich nutzen für etwas Eigenwerbung: Den Artikel von Sackett et al. kann man nachlesen in unserem Büchlein “Die statistische Transformation der Erfahrung”, Centaurus-Verlag, Heidelberg, 2012.

    @ Friedrich:

    Ebenso wenig wie die Unterscheidung zwischen “evidenzbasierter” und “wissenschaftsbasierter” Medizin taugt die Unterscheidung zwischen Statistik und Interventionsstudien. Erstens werden auch Laborexperimente in aller Regel statistisch ausgewertet, zweitens sind Interventionsstudien der epidemiologische Goldstandard der evidenzbasierten Medizin, wenn es z.B. um die Arzneimittelwirksamkeit geht, Stichwort RCT.

  11. #11 Dagda
    April 24, 2012

    @ Joseph Kuhn

    Bei allem Respekt, Herr Kollege, aber diesen Unterschied gibt es nicht. Evidenzbasierte Medizin ist wissenschaftsbasierte Medizin.

    Das scheinen aber nicht wenige angebliche Befürworter der EBM zu ignorieren.
    Dabei greifen sie häufig auf sog. Methodolatrie zurück, also auf die Idee das randomisiert-kontrollierte Studien, sämtliche anderen Belege oder eben auch Widerlegungen ausstechen.
    Ich weiß nicht wie viele Cochrane-Reviews von implausiblen (alternativmedizinischen) Therapien damit schießen das man mehr Studien braucht insbesondere RCTs wenn eigentlich klar sein sollte, das es schon an den Grundlagen fehlt.

  12. #12 Ludger
    April 24, 2012

    Friedrich·
    24.04.12 · 09:46 Uhr Genau, Martin B!
    Leider wird dieser Umstand heute allzuhäufig vergessen. Letztlich liefert der statistische Test keinen Beweis für das Vorhandensein eines Wirkungsmechanismus; er liefert uns aber eine gute Hilfestellung, uns für eine Hypothese zu entscheiden. Diese sollte aber vor allem in klinischen Studien theoriegeleitet formuliert sein. Und da sind wir auch schon beim Punkt: […]

    Semmelweis hatte aber keine Ahnung vom Wirkmechanismus. Zitat aus der oben verlinkten Originalarbeit:

    […]
    Semmelweis konnte damals über die mikrobiologischen Hintergründe der Ansteckung noch nicht Bescheid wissen, erst durch die Forschungen von Louis Pasteur und Robert Koch zeigte sich dann Jahre später die Bedeutung von Mikroorganismen für viele Krankheiten. Trotzdem zog Semmelweis bereits im Jahr 1847 die richtigen Schlüsse aus den Beobachtungen und gab seinen Studenten daher die Anweisung, ihre Hände nach dem Sezieren von Leichen mit Chlorkalk zu desinfizieren. Das Resultat war beeindruckend: […]

  13. #13 MartinB
    April 24, 2012

    @Joseph Kuhn
    Naja, ich habe den Unterschied z.B. von hier:
    https://www.sciencebasedmedicine.org/index.php/evidence-based-medicine-human-studies-ethics-and-the-gonzalez-regimen-a-disappointing-editorial-in-the-journal-of-clinical-oncology-part-1/

    Zitat:
    “EBM, in a nutshell, ignores prior probability† (unless there is no other available evidence) and falls for the “p-value fallacy”; SBM does not.”
    Mag natürlich sein, dass das ein Strohmann ist, so tief stecke ich da nicht drin.

    Der Artikel oben stellt es aber ja genau so dar:
    “Ob eine Behandlung wirklich wirkt oder nicht, das lässt sich nur durch Statistik herausfinden. Es gibt keine alternative Möglichkeit”

  14. #14 Dagda
    April 24, 2012

    @ MartinB
    Naja es ist kompliziert. 😉
    Theoretisch sollte es keinen Unterschied zwischen EBM und SBM geben, da das E und das S eigentlich für das genau gleiche, nämlich Wissenschaftliche Beweise für eine Therapie stehen sollten.
    Die EBM hat als Bewegung aber das Problem das sich Scharlatane(Alternativmediziner) hinter der Maske der EBM verstecken. Normalerweise hat man ja eine Therapie, die sich in den Grundlagenforschung als erfolgsversprechend herausgestellt hat, die Alternativmediziner überspringen diesen Teil einfach und gehen gleich zu RCTs über und verweisen dann bei Kritik darauf das RCTs hochwertiger als andere Arten von Studien sind.

  15. #15 Joseph Kuhn
    April 24, 2012

    Das Internet ist groß und man findet darin viel. Zu “sciencebased Medicine” gibt es einen ganz aufschlussreichen kleinen Passus bei Wikipedia:

    “Some have suggested that when examining implausible claims (such as those made by some alternative medicine proponents), it is necessary to focus more on a claim’s prior plausibility rather than prioritizing just the volume of evidence. To differentiate this approach from the approach normally taken when evaluating plausible scientific claims some have labelled this science based medicine.[26] It could be argued that proper use of the evidence based medicine model should produce the same conclusions.
    Science based medicine is based upon the idea that it is possible to make logical and rational judgements about what is likely to be true based on what is already well established scientific “fact”. This does not imply that new or radical ideas are implicitly thrown out, just that the standard of evidence must be higher for more extraordinary claims.”

    Aus meiner Sicht steht dahinter schlicht ein Missverständnis dessen, worum es in der EBM geht. Missverständnisse rund um die EBM gibt es ja reichlich.

  16. #16 MartinB
    April 24, 2012

    @Dagda, Joseph
    Verstehe, danke. War also wohl in gewisser weise tatsächlich ein Strohmann.

  17. #17 Dagda
    April 24, 2012

    @ Joseph Kuhn
    Wenn ich die Situation richtig verstehe geht es vor allem darum sich von der “real praktizierten EBM” abzugrenzen.
    Die wesentlichen Namen dazu sind die Drs.
    Steven Novella und David Gorski (aka Orac).
    Beide stören sich daran dass unter dem Deckmantel der EBM Pseudowissenschaft betrieben wird. Symptomatisch dafür sind Cochrane Reviews zu allen möglichen Anwendungen der Homöopathie und Akupunktur, bekannter deutscher Vertreter ist z.B.
    Klaus Linde.
    Z.B.
    https://summaries.cochrane.org/CD000353/homeopathy-for-chronic-asthma
    Der Schlusssatz ist besonders aussagekräftig:

    Until stronger evidence exists for the use of homeopathy in the treatment of asthma, we are unable to make recommendations about homeopathic treatment.

    Eigentlich hätte der irgendwie so lauten müssen:” There is no positive evidence for the use of homeopathy in the treatment off asthma, therefor we recommend against the use of H. until there is sufficient evidence to change this conclusion.”

    Ich persönlich finde diese Unterscheidung müßig und denke es wäre besser die ganze Diskussion unter dem Stichwort EBM zu führen.

  18. #18 BreitSide
    April 24, 2012

    xxx

  19. #19 Friedrich
    April 24, 2012

    @alle diejenigen, die auf meine erste Nachricht resagierten

    Ein statistischer Test gibt in seinem p-Wert nur eine Bedingte Wahrscheinlichkeit wieder, wie wahrscheinlich mindestens ein Ereignis Auftritt unter Annahme der Gültigkeit derNullhypothese. Er ist nochmals kein (deterministischer) Beweis.
    In Explorativen Studien können Korrelationen aufgedeckt werden, aber ich warne davor, dass sofort zur Theorie zu machen. Was nützt Ihnen eine Korrelation beispielsweise, wenn Sie keine Erklärung haben? Oder glauben Sie daran, dass Pflanzen bei Musik besser wachsen, Kühe bessere Milch geben oder Ratten von Moarte Musik profitieren, nur weil in allen Fällen signifikante Korrelationen vorhanden waren?
    WeIter darf ja wohl festgehalten werden, dass viele Surveys und Exploration Studien Korrelationen publizieren, die später mit Hilfe theoretischer Annahmen und darauf aufbauend partialkorrelationen aufgeklärt wurden. Huch, auf einmal wird die gemeinsame varianz durch eine dritte Variable geklärt, und der Zusammenhang, der vorher noch als Kausalität angenommen wurde, fällt in sich zusammen.
    Auch hier zeigt sich, dass Statistik nicht unmittelbär und immer theoriebildend sein kann.
    Nicht umsonst spricht Hager von statistischer und psychologischer Hypothesenformulierung, power, und entscheidungsfehler, die wir bereit sind, einzugehen.
    Nochmal, wir können mit Hilfe von Stat. Tests keine Beweise geben, nur Entscheidungshilfen. Und dieser erkenntnistheoretische Aspekt wird auch nicht durch eineMeta-Analyse verändert.

  20. #20 Friedrich
    April 24, 2012

    @Dalek
    Ich habe nie das Gegenteil behauptet! Im Gegenteil, ich Sage ja sogar, dass Experiment und Stat. Überprüfung der Stat. Hypothesen sichere Shlüsse zulassen als posthoc Theoriebildung auf Stat. Grundlage!
    @Kuhn
    Das sagte ich doch mit den 2 Seiten der gleichen Medaille! 🙂

  21. #21 Dagda
    April 24, 2012

    @ Friedrich
    Das Problem ist aber doch das es in der biomedizinischen Forschung keinen einzigen “deterministischen Beweis” gibt. Hier existiert nur die statistische Signifikanz und hier git grob das man alles ab einem p<0.05 als signifikant annimmt.
    Dafür gibt es nebenbei keinen wirklich guten Grund, zumindest kenne ich keinen.

  22. #22 Joseph Kuhn
    April 24, 2012

    @ Dagda:

    Sobald sich das Label “wissenschaftsbasierte Medizin” als gesundheitspolitisch (und finanziell) relevanter Ansatz etabliert hätte, würden sich auch unter diesem Label seltsame Figuren und Studien sammeln. Die Homöopathie beispielsweise gibt sich ja durchaus “wissenschaftlich”, bis hin zur Okkupation quantentheoretischer Begrifflichkeiten. Daher überzeugen mich solche Neu-Etikettierungen vorhandener Ansätze nicht, auf die “wirklich wissenschaftliche evidenzbasierte Medizin” folgt dann vermutlich früher oder später die “ganz besonders wissenschaftliche evidenzbasierte Medizin”. Evidenzbasierte Medizin definiert sich aus der Abgrenzung zu bloß erfahrungs-, meinungs- bzw. traditionsbasierter Medizin, das genügt eigentlich allen Ansprüchen. Wer in der evidenzbasierten Medizin gesicherte naturwissenschaftliche (oder sozialwissenschaftliche etc.) Erkenntnisse ausblendet, arbeitet nicht evidenzbasiert.

  23. #23 Dagda
    April 24, 2012

    @ Joseph Kuhn
    Das sehe ich im wesentlichen auch so.
    Letztlich läuft es ja darauf hinaus das der Rahmen in den sich die Quacksalber quetschen so zurechtgebogen wird, das sie durchpassen;
    Man kann versuchen den jeweiligen Rahmen strenger zu formulieren (daher auch die prior probability), aber ob das Quacksalber daran hindert das jeweilige Label zu übernehmen halte ich auch für fragwürdig

  24. #24 Friedrich
    April 24, 2012

    @Daga
    Ja, eben! Es gibt keinen Beweis! Aber es gibt gute Gründe, ab einem gewissen p die alternativhypothese eher anzunehmen als die nullhypothese. Sie erscheint uns wahrscheinlicher, plausibler, mehr aber auch nicht. Aber das ist kein Beweis im klassischen Sinn.Und es gibt gute Gründe, nicht nur auf ein p zu schauen: ich Sage nur, Effektgrössen, konfidenzintervall de Effektgrössen, Testpower, Fehler 2. Art,…..
    Wenn ich mir einige sozialwissenschaftliche Studien anschaue, wird mir Angst und Bange, um die dort publizierten Rückschlüsse, auf derart dünnen datengrundlagen….

  25. #25 Joseph Kuhn
    April 24, 2012

    @ Friedrich:

    Was ist ein “Beweis im klassischen Sinn”? Gibt es so etwas in den empirischen Wissenschaften überhaupt? Der Begriff des “Beweises” gehört eigentlich in die Mathematik und Logik (und ggf. die Kriminalistik, da aber ganz anders).

  26. #26 Friedrich
    April 24, 2012

    Eben! Das ist der Punkt, den gibt’s nur in Teilen der Mathematik und der Logik.
    Interessant ist doch, dass gerade hier heute auf Scienceblog ganz oben auf der Startseite die Meldung mit einem Augenzwinkern und Schmunzeln veröffentlicht wurde, nach der Männer im Alter gesünder sind als Frauen. 🙂 will sagen, eine statistische Hypothese wird getestet. Das Ergebnis des Tests dient als Entscheidungsgrundlage, die Alternativhyoothrse als wahrscheinlicher anzunehmen oder auch nicht. Mehr nicht.

  27. #27 Dr. Webbaer
    April 25, 2012

    @Kuhn
    Klar, die Medizin ist eine Erfahrungswissenschaft und idealerweise frei von strenger Dogmatik, wie jede Erfahrungswissenschaft idealerweise. Die die Empirie bemühende Wissenschaft ist also auf die Ex Post-Sicht programmiert und kommt ohne die dafür vorgesehene Statistik (vs. Stochastik, auf das Ex Ante bezogen, vs. (Prozesse-) “Steuern” auf das Ex Inter) nicht aus. – Auch sowas – ‘Auch hier zeigt sich, dass Statistik nicht unmittelbär und immer theoriebildend sein kann.’ – ist natürlich richtig, bis auf den (charmanten) Rechtschreibfehler.

  28. #28 Friedrich
    April 25, 2012

    @Webbaer
    🙂

  29. #29 Name auf Verlangen entfernt
    April 25, 2012

    @ W.B. – F.A. “Ob eine Behandlung wirklich wirkt oder nicht, das lässt sich nur durch Statistik herausfinden. Es gibt keine alternative Möglichkeit.”

    “Klar, die Medizin ist eine Erfahrungswissenschaft und idealerweise frei von strenger Dogmatik, wie jede Erfahrungswissenschaft idealerweise.”

  30. #30 doclotte
    Juni 16, 2012

    Wie kann es sein, dass intelligente Menschen in Bezug auf Medizin derart auf Statistiken vertrauen? Man muß nicht “How to lie with statistics” gelesen haben.
    Ich zitiere aus Wiki:
    “Die Aufbereitungsphase umfasst die Kodierung der Daten, die Datenbereinigung (Plausibilitätsprüfung und Korrektur, Ausreißer, fehlende Werte) und evtl. (statistisch oder sachlogisch) notwendige Transformationen der erhobenen Variablen”
    “Die Interpretation der Ergebnisse der statistischen Analyse erfolgt natürlich unter Berücksichtigung des jeweiligen Fachgebietes”
    -da haben wir schon mal Poppers Theorieabhaengigkeit von Beobachtungsresultaten.
    Beispiel gefällig?
    Neuere Studien belegen z.B. dass der Konsum von scharfem Senf vor bestimmten Krebserkrankungen schützt, oder dass der Genuß von Grapefruitsaft oder Lakritz nicht nur erheblichen Einfluß auf die Wirkung etlicher Pharmaka haben, sondern den Cortisolspiegel signifikant erhöhen, oder Vitamin K2 keineswegs nur Einfluß auf die Gerinnung und den Knochenstoffwechsel haben, sondern auch deutlich neuroprotektiv wirken etc.pp. – Damit sind doch alle bisherigen Studien Makulatur, die ihre Kohortenauswahl nicht nicht auch nach diesen Kriterien getroffen haben (nicht treffen konnten)
    Statistische Erkenntnisse können nur so gut sein wie der gegenwärtige Stand des Irrtums und sind deshalb -zumindest in der Medizin, die homöostatische, sprich selbstregulierende Syssteme im Fokus hat- nie “sauber” und von zweifelhaftem beweisendem Charakter.