Seltsam, wie deutlich spürbar Unterschiede zwischen europäischen Staaten auch heute noch sein können. Gedanken von der Science Communication Conference 2012 in London.

Raus aus dem Elfenbeinturm! Langsam spricht sich herum, dass Wissenschaft kein exklusiver Geheimbund sein kann, der mit der breiten Bevölkerung nichts zu tun hat. Ich bin derzeit in London und habe die Science Communication Conference 2012 besucht – hier wurde diskutiert, wie man Leute, die nicht vom Fach sind, für Wissenschaft begeistern kann. Mein erster Eindruck: Großbritannien ist uns in diesem Bereich deutlich voraus.

Mehrere hundert Personen hatten sich hier in London bei der Konferenz versammelt. Manche machen, so wie ich, Wissenschaftskommunikation für Universitäten, manche sind Wissenschaftler auf der Suche nach neuen Wegen, die Allgemeinheit zu erreichen, ein großer Teil von ihnen kommt von vielen verschiedenen Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Wissenschaft leicht verständlich und spannend zugänglich zu machen.

Ich will auch!
Mit einer gehörigen Portion Neid muss ich sagen: Von den Strukturen, die hier in Großbritannien aufgebaut worden sind, können wir in Zentraleuropa nur träumen. Natürlich gibt es auch in Österreich hervorragende Arbeit in diesem Bereich – und in Deutschland sieht die Situation wohl noch etwas besser aus als in Österreich. Doch in meinen Diskussionen mit britischen Kollegen hier erkenne ich schon einen deutlichen Unterschied: In Großbritannien ist Wissenschaftskommunikation etwas Selbstverständliches, ein wesentlicher Teil der wissenschaftlichen Arbeit, ähnlich wie das Unterrichten von Studierenden oder das Schreiben von Papers. In Zentraleuropa sieht man Wissenschaftskommunikation ein nettes kleines Zusatz-Feature, das ganz erfreulich ist, das aber ebenso gut auch fehlen könnte. Wissenschaft für die Öffentlichkeit, das ist die Olive im Martini, die Schokostreusel auf dem Milchschaum: Nett – aber kein Teil des Wesentlichen.

Wissenschaftskommunikation gehört dazu

In Großbritannien, so wurde mir immer wieder versichert, sehen Wissenschaftler das „Public Engagement” als eine ihrer Aufgaben. Teilweise ist das in ihren Arbeitsverträgen verankert, die finanzielle Dotierung wissenschaftlicher Projekte richtet sich zu einem bestimmten Prozentsatz nach dem Public Outreach Impact. Das bedeutet zwei Dinge: Erstens gibt es Geld für diesen Bereich – sowohl aus dem öffentlichen als auch aus dem privaten Sektor, zweitens ist es relativ einfach, Wissenschaftler zu finden, die sich bereiterklären, bei Wissenschaftskommunikations-Projekten mitzumachen.

Lachen über Wissenschaft
Steve Cross ist Betreiber von “Bright Club“. Bei diesem Wissenschaftskommunikations-Format wird Wissenschaft mit Comedy verknüpft. Bei jedem dieser Comedy-Abende stellen sich mehrere aktive Wissenschaftler auf die Bühne und präsentieren einen humorvollen Act rund um ihre Forschung. Ich stelle mir bildhaft vor, welches Gesicht Wissenschaftler in Wien machen würden, wenn ich sie bitten würde, einen Comedy-Act zusammenzustellen. Ich käme in größte Schwierigkeiten, auch nur für einen solchen Abend die nötigen Personen aufzutreiben – hier in Großbritannien ist das Format ein Selbstläufer, verbreitet sich von Stadt zu Stadt. Ich frage Steve Cross, was er macht, wenn die Wissenschaftler nicht wollen – er sieht mich erstaunt an und antwortet: Dann fragt er sie einfach noch einmal.

Auch in Zentraleuropa gibt es tolle Ideen
Klar, auch bei uns gibt es ähnliche Konzepte: Die Science Busters haben riesigen Erfolg und sind mittlerweile auch in Deutschland bekannt. In verschiedenen Städten gibt es Science Slams, bei denen junge Wissenschaftler die Massen begeistern – organisiert von Leuten wie Julia Offe aus Hamburg oder Bernhard Weingartner in Wien. Weingartners „Physikmobil” ist ein großartiges Projekt, das sicher auch hier in Großbritannien Begeisterung hervorrufen würde: Er packt ein Auto voll mit Physikexperimenten und zeigt sie dort vor, wo man normalerweise keine Wissenschaft zu sehen bekommt: Im Gemeindebau, im Freibad, beim Stadtfest. Doch solche Leistungen gehen in Österreich und Deutschland auf kleine Einzelinitiativen zurück. Kreative Menschen mit viel Energie und Einsatz leisten Großes – doch solche Initiativen sind schlecht finanziert, niemand weiß, wie lange man sie noch weiterführen kann, große Projekte sind auf diese Weise kaum durchführbar. In Großbritannien gibt es ein ganzes Netz von Organisationen, die in diesem Bereich tätig sind – finanziert von öffentlichen Mitteln und privaten Spenden, auch aus der Industrie.

Kulturelle Unterschiede
Letztlich ist es eine Frage der Kultur. Im deutschsprachigen Raum gibt es leider noch immer die Vorstellung, man müsse möglichst hochgestochen und kompliziert daherreden, um als klug gelten zu können. Deutsche Philosophen sind viel schwerer zu lesen als englischsprachige, und es ist kein Zufall, dass viele große Wissenschaftskommunikatoren wie Richard Dawkins, Carl Sagan oder Neil deGrasse Tyson aus dem englischsprachigen Raum kommen. Wissenschaftskommunikation hat nun mal in Großbritannien mehr Gewicht als in Deutschland oder Österreich, das werden wir nicht von einem Tag auf den anderen ändern können. Aber ein paar große Schritte in diese Richtung würde ich mir schon wünschen.

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Kommentare (11)

  1. #1 Christian Berger
    Mai 16, 2012

    Ich denke es liegt auch am Fernsehen. Da drüben ist man sich nicht zu schade mal vermeindlich “langweiliges” Fernsehen zu machen.
    Das bedeutet auch, dass es da seit 55 Jahren eine monatliche Sendung über Astronomie gibt. (The Sky at Night, immer noch mit dem ersten Moderator)

    Da drüben gibts auch Wissenschafts-Comedy Sendungen wie “The Infinite Monkey Cage”. Und da werden auch mal Wissenschaftler in Kinder oder Musiksendungen eingeladen, oder auch in ganz bizarren Sendungen:

  2. #2 Betel Geuze
    Mai 16, 2012

    Das Thema wurde hier schon mal angesprochen:
    https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2012/01/wo-steckt-der-deutsche-brian-cox-und-warum-ist-er-nicht-im-fernsehen.php
    Mir ist es auch schleierhaft, warum es in Deutschland weder im TV noch auf sonstigen Kanälen kaum Ansätze für die Popularisierung von wissenschaftlichen Themen gibt – sieht man mal von Harald Lesch und Ranga Yogeshwar ab. Mich beschleicht oft das Gefühl, dass man einfach dumm gehalten werden soll.

  3. #3 Betel Geuze
    Mai 16, 2012

    @Christian: LOL…was für ein Link..sowas wäre doch unvorstellbar im deutschen TV.
    Was ich auch richtig gut finde ist “Stargazing live”:

    Udn das läuft dort zur besten Sendezeit – genauso unvorstellbar in der deutschen Diaspora.

  4. #4 Georg Hoffmann
    Mai 16, 2012

    es ist kein Zufall, dass viele große Wissenschaftskommunikatoren wie Richard Dawkins, Carl Sagan oder Neil deGrasse Tyson aus dem englischsprachigen Raum kommen.

    Das hat aber auch damit zu tun, dass es einem englisch-sprachigen Autor viel leichter faelllt auf diesem riesigen Markt davon zu leben. Wer auf diesem Niveau Wissenschaftskommunikation macht, macht es als Beruf. Und er ist nicht nur ein grosses Talent, sondern vor allem jmd der daran hart arbeitet. Davon will er leben. Ein englisches Buch hat ein Groeszenordnungen groeszeren Markt zur Verfuegung.

    Aber unser Ernst Peter Fischer hier hat es ja auch geschafft. Solange die Piraten noch nicht den Beruf des Autors abgeschafft haben, geht es also durchaus.

  5. #5 Chau
    Mai 16, 2012

    Ich bin mir nicht sicher, ob du wirklich keine Leute finden würdest,wenn du sie bittest einen Comedy Akt zu machen. Vielleicht sollte man das mal auf einen Versuch ankommen lassen?

    In Karlsruhe und auch in anderen Städten finden recht erfolgreich regelmäßig Science Slams statt. Das Format ist dem Poetry Slam angelehnt. Ca 6 Forscher haben 4min Zeit und das Publikum entscheidet über den Gewinner. Das Ganze ist super lustig, macht Spaß und ist jedes Mal rappelvoll besucht. Auf YouTube findet man tolle Aufnahmen davon. Oder FameLab gibt es ja auch.. da war ich allerdings noch nie.

    Aber allgemein stimme ich dir völlig zu. Aber ich glaube schon, dass sich da was bewegt. Zum Guten hin.

  6. #6 Ludger
    Mai 16, 2012

    Ein Beispiel für den britischen Umgang mit Naturwissenschaft ist das Buch Zittergas und schräges Wasser: Die phantastischen Erfindungen des modernen Daedalus von David E. H. Jones, einem Experimentalphysiker. Das gibt es preiswert im modernen Antiquariat (z.B. Abebooks oder Amazon)

  7. #7 Neuraum
    Mai 16, 2012

    @Ludger: Ja! Ich liebte dieses Buch als Kind über alles! Wobei das kein eigentliches Kinderbuch ist, aber doch sehr witzig und zugänglich.

  8. #8 Dr. Webbaer
    Mai 17, 2012

    Ich bin derzeit in London und habe die Science Communication Conference 2012 besucht – hier wurde diskutiert, wie man Leute, die nicht vom Fach sind, für Wissenschaft begeistern kann. Mein erster Eindruck: Großbritannien ist uns in diesem Bereich deutlich voraus.

    Der Webbaer macht in diesem Zusammenhang – Wieder ein sehr gelungener Artikel natürlich! – gerne am Rande darauf aufmerksam, dass es in der Kommunikationskultur, das Fachliche betreffend, einen klaren Unterschied gibt zwischen dem anglikanischen Raum und dem hiesigen. – In jenem Raum ist das Wissen um die Subjektivität von Wissen verbreitet, d.h. Personen und Theorienträger dürfen gerne auch ihre Person einbringen, wenn sie vortragen. [1] – Während man anderswo gerne auf Absicherung bedacht scheint, Fakten/Messungen/Objektiva benennend und Theorien (sozusagen aus sich heraus) aus diesen heraussprießend vorstellt.

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1] Wir erinnern uns: ‘Eine Aussage zu einer Sache oder zu einem diesbezüglichem Verhalt ist für den Systematiker immer zuerst eine Aussage zu einer Sache oder zu einem diesbezüglichem Verhalt einer Person(enmenge).’

  9. #9 barkai
    Juni 6, 2012

    Weingartners „Physikmobil” ist ein großartiges Projekt, das sicher auch hier in Großbritannien Begeisterung hervorrufen würde: Er packt ein Auto voll mit Physikexperimenten und zeigt sie dort vor, wo man normalerweise keine Wissenschaft zu sehen bekommt: Im Gemeindebau, im Freibad, beim Stadtfest.
    ist das so viel anders als das britische “Lab in a Lorry” ?(von dem ich bislang nur in Schottland gehört habe, was aber nicht heißen soll, dass es das nicht auch in den anderen Teilen GBs geben könnte)

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