Das Bewusstsein in der Physik?
Für die Strömung der konstruktivistischen Philosophie ist das natürlich ein äußerst attraktiver Gedanke: Erst durch die Messung wird etwas festgelegt – erschaffe ich die Wirklichkeit also nur durch mein Denken? Entsteht die äußere Umwelt erst durch mein Bewusstsein? Bevor wir nun mystisches Bauchkribbeln bekommen: Die Antwort ist (nach all unserem Wissen über Physik und die Natur): Nein. Die Wirklichkeit gibt es wirklich, der Mond ist auch da, wenn niemand hinsieht und das Bewusstsein ist dem Quantensystem herzlich egal.
Mittlerweile haben wir sogar recht gut verstanden, wie man sich den Messprozess vorstellen muss, bei dem eine Quanten-Überlagerung zu einem eindeutig festgelegten Zustand wird. Bei diesem Vorgang kommt es nicht auf das Bewusstsein an, sondern schlicht auf die Tatsache, dass ein kleines Quantensystem in Kontakt mit etwas Großem (dem Messgerät) gebracht wird – und große Dinge können sich normalerweise nicht in Überlagerungszuständen befinden. Das Konzept des Bewusstseins taucht dabei gar nicht auf: Ob ein Mensch, ein Grottenolm oder ein seelenloser Roboter die Messung durchführt, spielt überhaupt keine Rolle. Das kleine Quantensystem kommt in Kontakt mit etwas viel Größerem – und dadurch wird eine Überlagerung aus verschiedenen Zuständen extrem unwahrscheinlich.
Doch diese Erkenntnis kommt heute wohl zu spät: Längst sind dicke Bücher mit bunten Umschlägen gedruckt, in denen behauptet wird, die Quantenphysik hätte endlich das Bewusstsein mit in die Physik einbezogen und käme daher zum selben Schluss wie fernöstliche ganzheitliche Philosophien, die immer schon gewusst hätten, dass alles irgendwie zusammengehört. Nichts gegen fernöstliche Traditionen – aber die Quantenphysik damit zu verknoten wird weder der Physik noch der Philosophie gerecht.
Spukhafte Fernwirkung?
Der vielleicht kniffligste Punkt an der Quantentheorie ist die Quanten-Verschränkung: Mehrere Teilchen können quantenphysikalisch so in Verbindung stehen, dass sie nur gemeinsam beschrieben werden können. Sie bilden gewissermaßen ein gemeinsames Quanten-Objekt, auch wenn sie weit voneinander entfernt sind.
Man kann beispielsweise ein Paar von Lichtteilchen erzeugen, die gleichzeitig waagrecht und senkrecht schwingen – und zwar so, dass sie auf jeden Fall unterschiedliche Schwingungsrichtungen haben. Die Schwingungsrichtung jedes der beiden Teilchen ist nicht festgelegt – sie befinden sich in einem Quanten-Überlagerungszustand. Aber die beiden Teilchen sind so verschränkt, dass sie nach einer Messung immer unterschiedliche Zustände einnehmen. Messe ich ein Teilchen, lege ich seinen Zustand damit auf eine der beiden Möglichkeiten fest – waagrecht oder senkrecht. Das Verwirrende daran ist, dass damit im selben Augenblick auch der Zustand des zweiten Teilchens festgelegt wird – denn es muss sich immer genau entgegengesetzt verhalten.
Einstein war damit alles andere als glücklich: Er verwendete diese Überlegung sogar als Argument gegen die Quantenphysik. In der Tat ist es sehr merkwürdig, dass eine Messung an einem bestimmten Ort einen Einfluss auf ein Teilchen an einem anderen Ort haben könnte – doch in Experimenten wurde mittlerweile gezeigt, dass das tatsächlich so ist. Das Problem ist auch hier wieder unsere menschliche Alltagsvorstellung von „Zuständen”, „Beeinflussung” und „Informationsübertragung”.
Gedankenübertragung und Quanten-Telefon
Diese Art von „Fernwirkung” zwischen verschränkten Teilchen wird gerne mit mystischen Dingen wie Gedankenübertragung in Verbindung gebracht. Das ist natürlich völlig falsch. Diese Quanten-Fernwirkung hat nämlich nichts mit Kraftwirkungen zu tun, wie wir sie kennen. Hier beeinflussen sich Teilchen nicht wie zwei Magnete oder wie Hebel, die über Schnüre in Verbindung stehen. Durch die Quanten-Fernwirkung wird keine Information übertragen (das ist eigentlich schade, denn sonst könnte man ein Quanten-Telefon bauen, das Nachrichten ohne Zeitverzögerung übermittelt – Einsteins Relativitätstheorie wäre dann allerdings ziemlich beschädigt). Sie ist einfach eine Konsequenz der seltsamen Tatsache, dass die Quantenphysik Überlagerungszustände erlaubt.
Alles ist mit allem verbunden
Was diese Quanten-Verschränkung tatsächlich mit sich bringt ist die Erkenntnis, dass Teilchen in unserer Welt auf ziemlich komplizierte Weise miteinander in Verbindung stehen können. Das stellt uns tatsächlich vor Probleme: In der Naturwissenschaft beschreiben wir schließlich niemals die ganze Welt auf einmal – wir suchen uns kleine Teile dieser Welt heraus und versuchen sie zu beschreiben. Wenn die Quantenphysik aber sagt, dass sich manche Teilchen nicht wirklich alleine beschreiben lassen, dann ist dieser Versuch doch wohl zwecklos? Wenn die Quantenphysik sagt, dass irgendwie alles mit allem zusammenhängt – hat die Naturwissenschaft dann nicht eigentlich verloren? Müssen wir dann nicht doch zu Pentagramm und Zauberhut greifen und einen holistischen, ganzheitlichen Weg wählen, anstatt auf naturwissenschaftliche Weise einzelne Teilobjekte des Universums zu studieren?
Kommentare (217)