Das Winterfamilienlebkuchenfest als soziale Notwendigkeit

Die Weihnachtswunschlisten sind geschrieben, die Weihnachtsbäume eingekauft, die Weihnachtspunsch-Stände haben Hochsaison. Wir feiern in wenigen Tagen das zweifellos populärste Fest in unserem Kulturkreis, und das ist gut so.

Manchmal habe ich den Eindruck, in manchen Kreisen gehört es fast zum guten Ton, Weihnachten doof zu finden. Klar – Jammern über den verfrühten Start der Weihnachtssaison in den Supermärkten, Spott über Kommerz und Ärger über Kitsch gehören wohl mittlerweile genauso zum Weihnachtsfest wie Zimtsterne und Tannenzweige. Darf jemand, der naturwissenschaftlich denkt, der sein Leben rational und frei von Aberglauben lebt, der vielleicht mit Religionen nicht wirklich etwas anfangen kann, Weihnachten überhaupt aus tiefstem Herzen feiern? Aber sicher! Vielleicht muss er sogar.

Wir Menschen sind einfach so gebaut, dass wir Rituale und Traditionen brauchen. Sie gehören zu unserem Leben wie atmen, essen und schlafen. Dass wir viele unserer Rituale nach astronomischen Gegebenheiten ausrichten und sie im wiederkehrenden Jahrestakt feiern, ist nicht überraschend, und dass wir im Winter, wenn die Nächte am längsten und die Tage am kältesten sind, das Bedürfnis haben, ein Lichterfest zu feiern, ist weder eine besonders exotische noch eine religiös oder philosophisch besonders tiefsinnige Idee – es ist einfach etwas zutiefst Menschliches. Die Natur macht Pause, und uns tut das auch mal gut, damit der Kopf danach wieder frei für frisches Frühlingsgrün werden kann.

Und was hat das Ganze nun eigentlich mit Religion zu tun? Über Religiöses will ich mich gar nicht zu sehr ausbreiten, das soll jeder halten wie er will. Nur soviel: Das Christentum war eigentlich immer erstaunlich unkreativ im Erfinden neuer Feste. Weihnachten wurde (genau wie Ostern) von anderen Religionen übernommen (man könnte auch sagen: geklaut), es ist viel älter als das Christentum. Sollte das Christentum irgendwann mal an Bedeutung verlieren, wird das Weihnachtsfest (vielleicht unter gewandeltem Namen) nach wie vor weiterbestehen.

Die christlich-traditionelle Weihnachtsgeschichte ist aber sicher mitverantwortlich dafür, dass Weihnachten zum großen Fest der Familie geworden ist: Ein junges Paar, ohne Geld, weit weg von daheim, bekommt das erste Kind. Weit und breit haben sie keine Oma zum babysitten, Kindergeld gibts auch keins, aber trotzdem freuen sie sich so sehr über den Kleinen, dass sie Sterne sehen und die Engel singen hören. Eine lebensbejahendere Familienlegende kann man kaum erfinden.

Eines muss jedenfalls jeder zugeben, auch wenn er mit dem Christentum nichts zu tun hat: Am 25. Dezember wurde vor langer Zeit ein ganz besonderer Mensch geboren, der unsere Sichtweise auf die Welt grundlegend verändert hat, dessen revolutionäre Gedanken noch heute gelehrt, bewundert und weiterverbreitet werden: Der große britische Physiker Isaac Newton. Wer weder für Sonnenwenden noch für Familienfeiern etwas übrig hat, kann ja Newtons Geburtstag zelebrieren. Bratäpfel würden sich anbieten.

Ein warmes, ruhiges Lichterfest mitten im Winter ist mehr als eine religiöse Tradition, es ist fast eine menschliche Notwendigkeit. Weihnachten ist toll. Wer darin eine tiefe religiöse Bedeutung sieht, soll sich darüber freuen. Wer sie nicht sieht, feiert eben auf seine Weise ein wunderschönes Fest der Ruhe, der Kinder, der Familie, ein Fest der Freude darüber, dass die Tage wieder länger werden, ein Fest mit Weihnachtspunsch und Schokokeksen. Und daran kann doch ganz sicher nichts falsch sein.

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Kommentare (17)

  1. #1 Andreas
    Dezember 13, 2012

    Na dann, frohe Newtonacht! 🙂

  2. #2 Stephan
    Dezember 13, 2012

    Schöner Artikel, Florian. Danke dafür.
    Ich als “Hardcore-Atheist” feiere ebenfalls Weihnachten. Ich tue das, weil es Spaß macht mit der Familie und Freunden zusammen zu kommen, zusammen Gutes zu essen, reden, lachen einfach das Leben genießen und vieles mehr.

    Jetzt habe ich auch einen Grund zu feiern. Ich wußte noch nicht, dass Newton am 25.12. geboren wurde. Er war genial, aber leider auch ziemlich gläubig. Allerdings gab es Ende des 17. Jahrhunderts auch kaum Menschen, die selbst genug nachdachten, um das nicht zu sein.

    Wie auch immer, wenn die Frage kommt, warum ich Weihnachten feiere, dann habe ich ab jetzt eine gute Antwort. Ich sage dann, dass an Weihnachten ein sehr wichtiger Mensch geboren wurde. Isaac Newton, einer der ersten Vorläufer der modernen Wissenschaft.

    Für alle “Gläubigen”, wer es noch nicht weiß: Wenn man auf die Frage “Warum feiert man Weihnachten?” antwortet: “Weil da (am 25.12.) Jesus geboren wurde, Gottes Sohn.” dann hat man mindestens dreifach falsch geantwortet.
    Erstens gibt das Wort “Gott” keinen Sinn, zweitens gibt es keinen Sohn von einem Begriff, der keinen Sinn ergibt und drittens ist Jesus nicht am 25.12. geboren, das wurde mehr oder weniger willkürlich festgelegt. Der vierte Punkt, dass noch nicht einmal sicher ist, dass es Jesus überhaupt gab und den fünften Punkt, dass selbst wenn es ihn gab, seine “Lehren” völlig verfälscht wurden, schenke ich allen “Gläubigen”.
    Wer mir nicht “glaubt” (was eine gute Einstellung wäre), soll und muss gerne selbst nachforschen. Dauert maximal 15 min mit Google und mehreren Quellen herauszufinden, dass und warum Jesus Geburtstag nicht am 25.12. war.

    http://www.nachdenken-bitte.de
    und
    https://www.nachdenken-bitte.de/blog/

  3. #3 Anwalts_Liebling
    Dezember 13, 2012

    ich dachte Brian wäre der wahre…?

  4. #4 Stefan W.
    demystifikation.wordpress.com
    Dezember 13, 2012

    Kleine Sprachkritik:

    Darf jemand, … der vielleicht mit Religionen nicht wirklich etwas anfangen kann, Weihnachten überhaupt aus tiefstem Herzen feiern?

    Hier sind zwei Tendenzen in gegensätzliche Richtungen unglücklich verkoppelt: “Darf man Weihnachten überhaupt feiern” kann man gut fragen, und “darf man Weihnachten aus tiefstem Herzen feiern?” – das eine fragt nach dem Minimum, das andere nach dem Maximum. Aber beides zusammen tut weh.

    Du könntest fragen: “Darf ich Weihnachten überhaupt feiern?” um mit “Und ob! Ich feiere aus tiefstem Herzen” – was immer das sein mag. Meine Pumpe bringt dann doch nur eine Frau richtig auf Trab.

    Leider findet man auch sonst zu viel Gefasel:

    Manchmal habe ich den Eindruck, in manchen Kreisen gehört es fast zum guten Ton, Weihnachten doof zu finden.

    Es genügt nicht zu sagen, Du hättest den Eindruck es gehöre zum guten Ton, sondern nur in manchen Kreisen, und das auch noch nur manchmal. Das sieht aus als würdest Du nach Wörtern bezahlt.

    Schreib doch: “In manchen Kreisen gehört es zum guten Ton, Weihnachten doof zu finden.” Das ist klar und direkt, und wird auch nicht anders aufgefasst werden. Wenn jemand widersprechen will, dann wird er das schon tun, und Widerspruch belebt den Blog.

    Jetzt noch ein wenig zum Inhalt:

    Eine lebensbejahendere Familienlegende kann man kaum erfinden.

    Weil der Gottessohn als Auserwählter dargestellt werden soll, und als vom Schicksal Begünstigter, der in einem Last-Moment-Rescue-Thriller dem Tod nochmal von der Schippe springt tauchen Weise aus dem Morgenland auf. Sie folgen dem Stern. Dann fragen sie König Herodes nach dem Weg zum neuen König der Juden, und der ist aufgeschreckt, dass er gestürzt werden soll, hat er verstanden. So schickt er seine Schergen los, um alle Neugeborenen in der Gegend hinzumetzeln – einer der beliebten, biblischen Genozide findet also gleich zum Ruhme Jesu statt, der unerkannt entkommt.

    Außerdem lernt jeder 4jährige, dass er eben zu etwas auserwählt ist, was an Karfreitag gefeiert wird – der Kreuzestod. Das begreifen schon kleine Kinder, dass das nicht so ungetrübt fröhlich ist.

    Soviel zu lebensbejahend + Familie.

  5. #5 Stefan W.
    Dezember 13, 2012

    … und eine Vorschau- oder Editfunktion oder beides wäre schön:

    Es genügt nicht zu sagen, Du hättest den Eindruck, es gehöre zum guten Ton, sondern nur in manchen Kreisen, und das auch noch nur manchmal , und auch nur fast. Das sind vier Methoden zur Aussage, die Du treffen willst, Abstand zu nehmen.

    Und noch eine Korrektur:

    Du könntest fragen: “Darf ich Weihnachten überhaupt feiern?” um mit “Und ob! Ich feiere aus tiefstem Herzen” – was immer das sein mag – antworten.

  6. #6 Hiatros
    Dezember 13, 2012

    @Stefan W.
    Geht’s noch??? Der Literaturkritiker-Blog ist nebenan…

    @Florian Aigner
    Stimme voll und ganz zu und erinnere an Tim Minchin’s “White wine in the sun”… Tim vereint im Text ja sogar einerseits seine grundsätzliche Ablehung von Kommerz und religiösem Zauber, bekennt sich aber auch dazu, daß Weihnachtslieder einfach nett klingen, die Plätzchen toll sind und das Zusammenkommen der Familie eine besondere Athmospäre schafft, der man sich einfach nicht entziehen kann und auch nicht muß!
    Ich bin Atheist und wir feiern trotzdem Weihnachten mit allem Zipp und Zapp (außer Kirchgang), wir haben sogar eine Krippe (welch Frevel:-))….. und es ist gut so!

  7. #7 Weihnachtstilda | epic bliss
    Dezember 13, 2012

    […] Bezug auf Weihnachten habe ich bei den scienceblogs einen schönen Artikel gefunden. Der Autor bemerkt, dass es ja in einigen Kreisen schon zum guten Ton zu gehören scheint, […]

  8. #8 Florian Aigner
    Dezember 13, 2012

    @Hiatros:
    Ach, lass doch den armen Stefan W. Das ist ein Mensch, der ganz offensichtlich mit so überwältigender Sprachkompetenz gesegnet ist, dass allerhöchstwahrscheinlich in nächster Zukunft Literaturnobelpreise auf ihn herabprasseln werden wie der Monsun auf die Kalahari.

    Vielen Dank für den Tim-Minchin-Tipp! Das Lied kannte ich noch nicht. Hier für alle der Link: https://www.youtube.com/watch?v=fCNvZqpa-7Q

  9. #9 WolfStark
    Dezember 14, 2012

    Ganz ehrlich, ich hab Weihnachten nie mit diesem Krippenkind verbunden, weil bei mir halt immer der Weihnachtsmann kam. Der konnte fliegen, der hatte eine Geschenkefabrik, keine christlichen Symbole (nein dieser Lutscher zählt nicht), einen Sack mit unendlich vielen Sachen drin – wenn dann ist Weihnachten eher schon eine eigene Religion. Ich liebe dieses Fest, es ist das schönste für mich im ganzen Jahr und vollkommen losgekoppelt von jeder Religion, so dass ich nicht das geringste Problem habe es einfach in meine zu integrieren. Übrigens ganz genauso wie Ostern.

    Verwunderlich finde ich die Weihnachtshasserei mancher Zeitgenossen auch aber das muss wohl einfach sein, ist halt dieses “Anti”-sein, dem irgendwer immer anhängt. Last Christmas kann ja angeblich auch keiner hören und das obwohl man es ohne Radio auf den Dauerschleifensendern und in Ermangelung von Musiksendern wohl sowieso über Jahre kaum zu hören bekommt.

  10. #10 DerHermann
    Dezember 14, 2012

    Mmmm. Ist eigentlich noch keinem aufgefallen dass der 25. Dezember nur nach Julianischem Kalender Gültigkeit hat. Wir aber richten uns nach dem Gregorianischem Kalender. Somit ist der 4. Jänner der gültige Geburtstag.

  11. #11 Klirrtext
    Dezember 14, 2012

    @Florian Aigner

    Kann dem Tenor deines Textes nur zustimmen. Für mich sind (und waren seit jeher 😉 ) die schönsten Dinge an Weihnachten: Man trifft die ganze Familie, es gibt super Essen, man bekommt Geschenke und (das allerbeste) man schenkt anderen Leuten etwas. Das Einzige, das an Weihnachten nervt, sind die Leute, die die Parkplätze vorm Haus zuparken, um auf den Weihnachtsmarkt zu kommen….

  12. #13 Dr. Weihnachtswebbaer
    Dezember 14, 2012

    Schöne Weihnachtstage!

    Unbedingt auch langsam mit dem Kaufen von Geschenken anfangen!

    MFG
    Dr. Wwb

  13. #14 Reinerio Ramirez Pereira
    Dezember 29, 2012

    super

  14. #15 Frank Wappler
    http//Traumland.des.frei-fliegenden.Obstes
    Januar 3, 2013

    Stefan W. schrieb (#4, Dezember 13, 2012):
    > … und eine Vorschau- oder Editfunktion oder beides wäre schön:

    Bald ist ja wieder Weihnachten, oder?

    p.s.
    Wer der Newton-Beweihräucherung spätestens morgen überdrüssig ist, kann ja übermorgen Borns Todestag gedenken; Doppelkekse wären passend.

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    Mai 16, 2013

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