Zweiundfünfzig Minuten lang war ich in ganz Österreich für immer weltberühmt.
Hier der Link zur Sendung – leider nur wenige Tage lang abrufbar
Nachdem das Fernsehprogramm glücklicherweise fast immer ohne schädliche Interaktion an mir vorübergeht, habe ich in diesem Bereich ernste Bildungslücken. Ziemlich unbekannt war mir bisher etwa die bedeutende kulturhistorische Errungenschaft der täglichen Talkshows: Mehreren seltsamen Leuten werden eigenartig pudrige Substanzen aufs Gesicht aufgetragen, damit sie unter den Studioscheinwerfern nicht glänzen, dann sagen sie vor laufender Kamera Dinge, über die man sich als Zuseher meist mächtig schämen muss, obwohl man selbst überhaupt nichts dafür kann.
Wie auch immer: Ganz ohne jeden Zweifel ist es selbstverständlich eine der weltallerhöchsten Ehrungen, für würdig befunden zu werden, in einer solchen Sendung auftreten zu dürfen. Und so begab es sich im November, dass eine Abgesandte des ORF, des allerhöchstbeliebtesten Fernsehsenders der Alpenrepublik an mich herantrat und mich fragte, ob ich nicht bei Barbara Karlich erscheinen würde, bei der Talk-Königin Wiens, bei der Oprah von Liesing.
In der Sendung, so wurde mir verkündet, werde es um Quantenheilungs-Zauberei gehen, um Astrologie, Hellsehen und ähnliche schöne Sachen. Als Quantenphysiker und Skeptiker bin ich da quasi der natürliche Feind. Der Wolf in der Schafherde. Oder das Schaf im Wolfsrudel? Das lässt sich nur experimentell überprüfen, so entschloss ich mich also, das Angebot anzunehmen und mich auf eine Talkshow-Bühne zu begeben.
Sterne, Wunder, Quantenzauber
Sechs Talkshowgäste waren wir, die nacheinander auf die Bühne geholt wurden. Den Beginn machte eine freundliche Dame, die keine Entscheidung trifft, ohne ihre Astrologin zu konsultieren. Die nächste Teilnehmerin war eigentlich als kritische Stimme angekündigt, die von Astrologie nichts hält. Ich stehe hinter der Bühne, verfolge das Gespräch und muss zu meinem Erstaunen miterleben, wie sich diese Stimme der Vernunft als praktizierende Energethikerin entpuppt. Und auch das ist noch nicht genug: Es folgt eine weitere freundliche Dame, diesmal wird für Kartenlegen geworben.
Jetzt, nach den ersten drei Studiogästen, ist der Geschwurbelfaktor schon bedenklich auf gut dreihundert Milli-Däniken angestiegen, und ich muss die Bühne betreten. Wie verhält man sich da? Good cop oder bad cop? Mein Vorsatz für diesen Auftritt: So freundlich wie möglich. Fernsehzuseher, die verärgert das Gerät abschalten, kann man nicht überzeugen. Also lächle ich höflich, sage fast keine gemeinen Dinge, hebe den Nutzen des gesprächstherapeutischen Teils der Esoterikschwurbler hervor und greife sie nur dort an, wo sie dem wissenschaftlichen Verstand tatsächlich im Weg stehen.
Hurra, ich werde Quanten-energetisiert
Nach mir kommt der Star des Tages: Ein Quanten-Heiler. Mit Quanten-Matrix. Zwar habe ich meine Dissertations-Forschungsjahre damit verbracht, quantenphysikalische Hamilton-Matrizen zu diagonalisieren, doch was dieser nette Herr mit „Quanten-Matrix“ meint, will sich mir trotzdem nicht ganz erschließen. Durch hochquantenenergetisches Händeherumwedeln kann er einerseits sämtliche elektrischen Geräte reparieren, und zwar immer, ausnahmslos, und andererseits alle Krankheiten heilen. Ehrlich jetzt! Ganz wirklich. In Russland kann man damit sogar schon Zähne nachwachsen lassen. Dummerweise wird die Quantenmatrixtechnologie in den westlichen Ländern unterdrückt. Das ist jammerschade, denn ich habe gerade eine kaputte Leuchtstoffröhre in der Küche, und hätte sie gerne fernreparieren lassen.
Ich atme tief durch und erzähle von James Randis Million-Dollar Challenge. Ich erkläre dem Herren, wenn er seine Aussagen tatsächlich unter kontrollierten Bedingungen demonstrieren kann, bekommt er sofort die Million. Ich versuche, die Unwissenschaftlichkeit der Sache klarzumachen, es gelingt mir nicht wirklich. Schließlich werde ich aufgefordert, mich auf der Bühne quantenenergetisieren zu lassen. Plötzlich stehe ich zwischen einem ganzen Rudel von Fernsehkameras, mit geschlossenen Augen, und werde von Quantenmatrixheilerhänden umwedelt. Die Absurdität dieser Aktion ist im Studio deutlich beeindruckender als in der gekürzten Aufzeichnung – mit minutenlangem stillen Händeherumwedeln ist schließlich nicht einmal im Nachmittagsprogramm Quote zu erzielen. Der Quantenheilungsversuch wird also beendet – auch wenn von vornherein nie klar war, wer jetzt eigentlich wovon hätte geheilt werden sollen.
Nach der Quantenheilung folgt noch eine Hellseherin, und am Ende kommt noch ein im Publikum sitzender Skeptiker und Psychologe zu Wort, der unbehelligt von den seltsamen Menschen rund um mich ziemlich viele ziemlich kluge Sachen sagt. Ich könnte ihn umarmen, aber das würde vor der Kamera kein gutes Bild machen.
Würde ich’s wieder tun? Aber sicher.
Bin ich mit der Sendung zufrieden? Naja, ich habe das zum ersten Mal gemacht, es hätte besser klappen können. Ich war vielleicht etwas zu weich und unangriffig. Soll man als Skeptiker bei solchen Sendungen mitmachen? Ich denke schon. Natürlich ist es immer ein Gratwanderung: Wenn man als Stimme der Wissenschaft an solchen Diskussionen teilnimmt, wertet man die Gesprächspartner in gewissem Sinn auf. Wenn diese Eso-Schwurbeleien im Fernsehen diskutiert werden, in Anwesenheit eines Quanten-Physikers, dann können sie doch nicht so ganz falsch sein, oder? – Das ist das klassische Massenmedien-Problem der Wissenschaftskommunikation. Andererseits: Wäre ich nicht hingegangen, hätte es vielleicht nicht einmal eindeutigen Widerspruch zu den Eso-Wunderbehauptungen gegeben. So haben ein oder zweihunderttausend österreichische Nachmittagsfernsehseher zumindest mal den Namen James Randi gehört. Das ist doch immerhin schon mal etwas.
PS: Um den großen Cliffhanger der Fernsehsendung aufzulösen:
Nein, die Leuchstoffröhre in meiner Küche ging nach der Sendung noch immer nicht. Trotz aller positiven Quantenschwingungen. Jammerschade!
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