… aber nie gefragt haben.
Ein Freund fragte mich letztens, wie üblich, was ich denn so den ganzen Tag lang gemacht hätte und ich antwortete ihm „Erzeugungs- und Freimengen von Tritium ausgerechnet“. Damit wollte ich nicht anderes sagen, als „hab den ganzen Tag langweilig vorm Rechner gesessen und Zahlen hin- und hergeschubst“, aber er hängte sich irgendwie an dem Tritium auf und meinte, dass solche Wörter nur was in Science Fiction und Superhelden Büchern und Filmen zu suchen hätten, nicht aber im Büroalltag.
OK, nach einiger Diskussion musste ich mich schließlich geschlagen geben und zugestehen, dass Tritium doch ganz interessant ist und ihm eine kurze Erklärung geben, die ich hier für die Allgemeinheit wiederholen will.
Tritium ist ein Wasserstoffisotop und gehört damit zu den einfacheren Atomen. Ein Proton mit einem Elektron ist normaler Wasserstoff, ein Proton mit einem Elektron und einem Neutron nennt man Deuterium und ein Proton mit einem Elektron und zwei Neutronen nennt man Tritium … oder eben in der langweiligeren Schreibweise, die ich ich bisher hier im Blog benutzt habe, H1, H2 und H3. Chemisch verhalten sie sich (wie die meisten Isotope) recht ähnlich, aber da ich beim Wasserstoff mal eben das Atomgewicht verdoppel, haben die Isotope hier wesentlich interessantere Auswirkungen, als bei wesentlich schwereren Elementen.
Deuterium ist nicht radioaktiv, hat aber auch interessante Eigenschaften über die ich sicher noch sprechen werde, wenn ich euch von meinem Abenteuer berichte Schwerwasser in Indien zu bestellen.
Tritium hingegen ist sehr wohl radioaktiv und ein sogenannter weicher Betastrahler. Grundsätzlich heißt das, dass sich ein Neutron in ein Proton wandelt und ein Elektron und ein Antineutrino als Strahlung ausgesandt werden. Die Beta-Strahlung hat hier sehr niedrige Energien (ca. 20keV) was zu recht interessanten Effekten führt. Diese Beta-Strahlung ist recht leicht abzuschirmen, reicht in Luft nur wenige Zentimeter weit und vermag es nicht Plastik oder ähnliche Materialien zu durchdringen. Daher kann man Tritium nur sehr schlecht messen und nachweisen, denn wenn ich wie üblich eine Ionenkammer dafür verwenden will, dann muss die Strahlung durch die Wand der Kammer ja erst mal dort hinein und das kann sie nicht, wenn sie schon von sehr dünnen Schichten abgeschirmt wird. Nun ist Tritium, wie die anderen Wasserstoffisotope auch, ein Gas, so dass ich es direkt in die Ionenkammer füllen kann, was aber aus mehreren Gründen recht unpraktisch ist. Die Methode, die am häufigsten benutzt wird ist die Flüssigszintillation. Dabei wird, in einer Flüssigkeit gelöstes Tritium, mit einem Farbstoff versetzt, der in Verbindung mit radioaktiver Strahlung leuchtet. Durch die Leuchtaktivität, die ich wesentlich einfacher nachweisen kann, schließe ich dann Rückschlüsse auf die Aktivität meiner Probe. Diese Nachweise müssen in so ziemlich jeder Anlage geführt werden, die sich mit Kernprozessen auseinandersetzt, denn vom Fusionsreaktor über den Teilchenbeschleuniger, bis zum Atomkraftwerk … überall entsteht Tritium.
Ist das nun gefährlich? Joa, ein bischen.
Tritium kommt kaum durch die menschliche Haut hindurch, so dass Tritium von außen ziemlich harmlos ist. Nun ist es aber halt ein Gas, dass man einatmen oder in gelöstem Zustand inkorporieren kann, und da würde es dann wieder eine ähnliche Wirkung entfalten, wie inkorporierte Alpha-Strahlung (die ja auch nicht durch die Haut kommt).
Jetzt kommt aber die nächste besondere Eigenschaft von Tritium zum tragen, es diffundiert überall hindurch. Genauso, wie normaler Wasserstoff ist Tritium recht flüchtig und entweicht sogar durch Edelstahl und ähnliche Behältnisse hindurch. In Verbindung mit unserem inkorporiertem Tritium heißt das, dass es zwar schnell in einen menschlichen Körper hineingelangen kann, aber auch ziemlich schnell wieder hinaus … solange es nicht eingearbeitet wird. Grundsätzlich kann nämlich Tritium überall dort chemisch eingearbeitet werden, wo normaler Wasserstoff auch hin kann, sprich in Plastik, Wasser, Kohlehydrate, DNS und viele andere Dinge.
Trotz, oder gerade wegen, dieses paradoxen Zustandes sind die Freimengen für Tritium relativ hoch. Bei Uran liegt sie bei 10000 Zerfällen pro Sekunde und bei Tritium bei 1000000000 Zerfällen, also gut hundertausendmal höher. Die biologische Wirkung wird als wesentlich geringer eingeschätzt, als bei schweren Elementen.
Tritium wird auf natürlichem Wege in der Atmosphäre gebildet und künstlich überall dort, wo Neutronen herumfliegen. Wenn Neutronen auf Deuterium treffen, produzieren sie Tritium, wenn sie auf Beryllium treffen produzieren sie Tritium und wenn sie auf Stickstoff treffen … na ihr wisst schon. Generell ist das Tritium dann erst mal in dem Stoff, in dem es produziert worden sind eingebettet bzw. gelöst. Das geht soweit, dass sogar von Berylliumkugeln aus Fusionsreaktoren berichtet wurde, die nach langer Lebenszeit zu ca. 50 Atomprozent aus Tritium bestanden. In einem Metall ist das auch erstmal kein größeres Problem, aber z.B. in gefrorenem Methan (also Methaneis) bilden sich dann Wasserstoffbläschen, die beim sog Burp-Effekt (engl. für Rülpsen) aus dem Eis ausbrechen und dabei Druck aufbauen und Dinge kaputt machen können. Etwas makaber ist es ja schon, aber ich finde es generell schon lustig, wenn das Stinkegas anfängt im Neutronenmoderator zu rülpsen.
Ach ja, brennbar (wie Raketentreibstoff bzw. Knallgas) ist das ganze natürlich auch noch, wenn man Sauerstoff dran kommen lässt.
Eigentlich wollte ich ja auch noch was den ganzen Anwendungen von Tritium berichten (leuchtende Farbe, Notausgangsschilder etc. pp.) aber da dann der Artikel mal wieder doppelt so lang werden würde, wie ich es eigentlich geplant hatte, werde ich den Nutzen und die Anwendung von Tritium wohl mal an einem späteren Zeitpunkt behandeln. Nur sei an dieser Stelle noch kurz erwähnt, dass Tritium eine Halbwertszeit von 12 Jahren hat. Dadurch nimmt Tritium-Farbe innerhalb unserer Lebenszeit deutlich an Aktivität ab und Tritium-Atommüll muss man nur 120 Jahre stehen lassen, bis es wieder harmlos ist. Zumindest letzteres ist für Mutter Erde eine gute Nachricht.
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