Die DeKon-Übung in der Ausbildung zur Strahlenschutzbeauftragten(1) ist wirklich Ostereisuche für Profis. Welches Ziel ist schwerer zu finden, als eines, das nicht sichtbar ist, nicht riecht und nicht ertastet werden kann?
Bei mir lief das Ganze so ab: Im radioaktiven Kontrollbereich wurden verschiedenen Isotope versteckt, die auf unterschiedliche Arten (Beta, Gama und Neutronen) strahlten. Wir bekamen mehrere Detektoren zur Auswahl und durften uns auf die Suche machen, mit der Aufgabe, den radioaktiven Müll zu entsorgen. Dabei sorgten die verschiedenen Arten an Strahler für unterschiedliche Schwierigkeitsgrade und einige besondere waren richtig knifflig aufgebaut.
Das einfachste Osterei war das Zeigerblatt einer alten Uhr mit radiolumineszenter Farbe. Das konnte allein vom Aussehen her schon als “Hui, das wird sicher strahlen” identifiziert werden und die Dekontaminierung bestand daraus, es mit einer Pinzette in den Plastikeimer für die entsprechende Sorte Isotope zu stecken.
Ein gutes Stück schwieriger zu finden waren da schon die weichen Betastrahler. Wenn die Teilnehmerin da einfach mal schnell mit dem Zählrohr drüber gegangen ist, war der Ausschlag nicht stark genug, dass sie ihn direkt sehen konnte. Nur wenn die Sucherin langsam drüber schwenkt und eine gute Sekunde direkt über dem Fleck stehen bleibt, bekommt sie einen Ausschlag, der ihr das weitere Vorgehen diktiert. Eine Sekunde über jedem 10*10cm Flecken zu verharren, der sich nicht optisch, durch Geruch oder ähnliches von “nichts” unterscheidet, erfordert Ausdauer… oder eben typisch deutsche Gründlichkeit, in der ich nicht sonderlich gut bin.
Richtig übel wird dieses Prinzip aber erst, wenn man einen starken Strahler unmittelbar neben einem Schwachen platziert. Durch die hohe Frequenz der Ereignisse regeln manche Zähler automatisch ihre Zählraten herunter, was dann bei dem schwach strahlenden Isotop daneben dazu führt, dass die Intervalle zu klein sind um die Radioaktivität vom Untergrund unterscheiden zu können. Sprich, in der Realität kann die zukünftige Strahlenschützerin den schwachen Strahler erst dann finden, wenn sie den starken gefunden und vollständig dekontaminiert hat UND danach noch mal neu mit dem Suchen anfängt.
Apropos “Dekontaminieren”. In der beschriebenen Übung lief das darauf hinaus, entweder das entsprechende Objekt mit einer Pinzette in den entsprechenden Plastikkontainer zu verfrachten oder den kontaminierten Teil eines Trägermaterials zu entfernen. Trägermaterial wäre z.B. Papierunterlage oder Reiningungstücher, auf die das Isotop in wässriger Lösung aufgebracht worden war. In der Realität würde man höchstwahrscheinlich am meisten mit radioaktivem Staub klarkommen müssen, aber das kann man leider nicht wirklich ausprobieren, sondern kann es nur simulieren.
Ist es nicht gefährlich oder gar fahrlässig echte radioaktive Isotope zum “Spielen” in einer Ausbildung zu benutzen? Naja “gefährlich” ist immer eine Risikoabschätzung. Im Strahlenschutz gilt das ALARA-Prinzip “As Low As Reasonably Achievable” (https://en.wikipedia.org/wiki/ALARP) – was in der Realität soviel heißt wie: “Wenn du irgendjemanden oder irgendwas ionisierender Strahlung aussetzt, dann sollte es nur gerade soviel Strahlung sein, wie du brauchst und es muss wirklich notwendig sein.” Angewendet auf unsere Situation heißt das, dass schlecht ausgebildete Strahlenschutzbeauftragte sicherlich gefährlich und gefährdet sind und so der Einsatz von radioaktiven Isotopen zum Üben gerechtfertigt ist. Die spielerische (Osterei)Suche ist darüber hinaus auch noch einer der effektivsten Möglichkeiten, dauerhaft und motiviert zu lernen.
Diese Art der Ausbildung birgt auch einige Risiken für das durchführende Institut. Denn gerade die Kontamination mit Isotopen in wässriger Lösung auf Papier könnte bei fehlerhafter Anwendung leicht im ganzen Kontrollbereich verteilt werden und so ganze Räume kontaminieren, so dass das komplette Labor geschlossen und dekontaminiert werden müsste. Darüber hinaus haben wir mit jedem Stück Papier, das kontaminiert worden ist, ja auch noch Atommüll produziert, der teuer und aufwendig entsorgt werden müsste. Das ganze wird dadurch umgangen, dass als Isotope in wässriger Lösung vornehmlich solche verwendet werden, die eine sehr kurze Halbwertszeit haben. Erstens strahlen sie dadurch mehr (bzw. man braucht weniger Atome um eine auffindbare Leistung zu generieren) und zweitens ist die Radioaktivität recht schnell so weit abgeklungen (Faustformel 10 Halbwertszeiten), dass sie kein Atommüll mehr sind und gefahrlos (und preiswert) entsorgt werden können.
Die Dosisleistung, die die Teilnehmerinnen bei der ganzen Übung abbekommen ist übrigens ebenfalls extrem gering und unter dem, was wir bei einem einzelnen Röntgenbild beim Zahnarzt abgekriegt hätten. Die Dekontaminierung von Personen ist übrigens auch noch mal eine ganz eigene Angelegenheit und gerade nach dem 11. September aus Furcht vor einer schmutzigen Bombe auch mal in den ein oder anderen Szenarien von deutscher Behördenseite aus geübt worden.
Theoretisch könnte wir das Ganze jetzt auch daheim im Garten veranstalten, denn radioaktive Isotope unter der Freigrenze gelten vor dem Gesetz nicht als radioaktiv und können daher überall versteckt und entsorgt werden. Trotzdem geben manche dieser Isotope genug Strahlung ab, dass man sie leicht mit einem Zählrohr aufspüren kann. Ich werde das allerdings sicher nicht bei mir zu Hause vorschlagen, denn meine Mutter ist passionierte Atomkraftgegnerin aus den 69gern und ich habe kein gesteigertes Bedürfnis als Osterlamm zu enden. Vielleicht sollten wir alternativ so lange mal ein paar Bananen im Garten suchen.
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