Schon bevor der erste dreiäugige Fisch den See vor dem Atomkraftwerk in Springfield verlassen hat, war die Literaturwelt voll mit radioaktiven Mutationen, die wir alle (vorallem Physikerinnen) lieben gelernt haben. Wie realistisch ist es nun aber, dass in der echten Welt ein radioaktives Monster unser Ferienziel zerstört oder eine Physikerin zumindest von einem dreiäugigen Eichhörnchen in den Finger gebissen wird? Die Antwort ist leider absolut negativ. Es wird weder verstrahlte Riesenechsen noch Monstereichhörnchen geben. Das leider bezieht sich hier natürlich nicht darauf irgendetwas verstrahlen zu wollen, sondern auf meine Sehnsucht nach magischen, “mythyschen” Einhörnern… oder eben dreiäugigen Fischen.

Dabei ist das grundlegende Prinzip gar nicht mal so abwegig, denn Radioaktivität hat in der Evolutionsgeschichte durchaus über eine längere Zeit hinaus geholfen die Weiterentwicklung zu fördern, indem sie durch zufällige Veränderung der DNS die Anzahl an Mutationen erhöht hat. ABER um eine sinnvolle “Mutation”, wie z.B. ein Auge zu erhalten, benötigt es eben Jahrtausende und Jahrmillionen der Evolution und Selektion.

Kurzfristig, und damit meine ich nun die Lebensspanne eines bel. Lebewesens, verursacht echte Strahlung nur Krebs und der tut halt auch nur das, was Krebs eben so tut und produziert keine dritten Augen, Arme oder …

Eine Bekannte sagte einmal: “Eine sinnvolle Mutation durch radioaktive Strahlung zu bekommen ist in etwa so, als wenn ich eine Rakete auf einen Baumarkt abfeuern würde. Theoretisch wäre es möglich, dass alle richtigen Inhalte, des explodierenden Baumarktes, sich zufällig so zusammensetzen, dass ein nettes Einfamilienhaus entsteht. Aber in den meisten Fällen werde ich nur einen Haufen Bauschutt erhalten.”

Aber ich habe ja schon geschrieben, dass wir in der Literatur zum Glück nicht auf Realismus angewiesen sind bzw. nur so viel Realismus brauchen um uns den “Suspension of disbelief” zu erlauben. Daher wurde ich dann schön öfter gefragt, Tobi was wäre denn eine halbwegs glaubwürdige Mutation? Leider habe ich da für die ganzen Autorinnen keine wirklich gute Antwort parat, denn ich kann mir keinen Mechanismus vorstellen, wie ich mit Radioaktivität da etwas vernünftiges hinbekommen würde. Da müsstet ihr vielleicht den Corn in seinem Blog fragen, ob man nicht durch Strahlung irgendwelche Marker verändern und Atavismen auslösen kann (ich hab mit ihm mal literarische, mutierte Riesenratten erschaffen und weis daher, dass er auch über so etwas nachdenkt) aber ich als Physikerin bin da mit meinem Latein am Ende. Wenn ich einer Autorin aus physikalischer Sicht einen Tip geben müsste, dann würde ich sagen: Erfinde eine eigene neue Art von Strahlung, aus einem neuen Element (z.B. Unoptanium), das den gewünschten Effekt hat. Für alles andere brauchst du jede Menge Zeit, was ja vielleicht in einem Raumschiff oder auf einem fremden Planeten durchaus möglich wäre.

Kommentare (13)

  1. #1 schlappohr
    15. Juli 2015

    Ich habe irgendwo einmal gelesen, dass es in der Umgebung von Tschernobyl einige merkwürdige aber lebensfähige Mutationen bei Tieren (Mäusen?) und Pflanzen gegeben hat. Kann aber gut sein, dass das irgend ein online-Revolverblatt war…

    Zum Thema Unobtanium (ist jetzt vielleicht ein bisschen off-topic): Gab es nicht einmal Überlegungen, dass Elemente jenseits einer bestimmte Kernmasse stabil wären (wenn es sie gäbe)? Mit schwirrt irgendetwas mit Ordnungszahl 300 im Kopf herum. Oder habe ich das auch auch einem SF-Roman? (In diesem Fall müsste ich herausfinden, welcher das war.)

    • #2 rolak
      15. Juli 2015

      irgendetwas mit Ordnungszahl 300

      Fast, schlappohr, bist schon auf dem richtigen Weg. Dürfte allerdings auch noch andere Vorschläge gegeben haben.

  2. #3 Tobias Cronert
    15. Juli 2015

    Tschernobyl steht def. auf meiner Rechercheliste, aber derzeit kann ich da leider keine qualifizierte aussage machen.

    Es ist die große Hoffnung, der Kernphysiker bei extrem schweren Elementen noch mal ein stabiles Plateu zu finden und damit neue Elemente mit sehr besonderen Fähigkeiten. Es gibt für den Atomkern auch ein Schalenmodell (ähnlich wie die Atomhülle im Bor Modell) mit magischen Zahlen https://en.wikipedia.org/wiki/Magic_number_%28physics%29 bei denen man eben hofft eine neue, stabile Schale zu erreichen. Bislang hat sich diese Hoffnung allerdings noch nicht erfüllt und es gibt viele Kritiker, die nicht daran glauben, dass es möglich wäre.

  3. #4 Wizzy
    15. Juli 2015

    Dass eine “sinnvolle” Mutation selten vorkommt, ist klar. Aber es passiert möglicherweise doch vielleicht etwas häufiger, als hier dargestellt. Es fehlt nämlich die Diskussion der (Re-)Aktivierung von “schlafenden” DNA-Anteilen, die zum Beispiel sehr selten zur Ausbildung von Ganzkörperfell beim Menschen, Schwanzbildung o.ä. führen. Dann gibt es noch Mutationen mit gestörter Biochemie, wie die Myostatin-/”Muskelprotz”-Mutation. Desweiteren gibt es ja Mutationen mit der zusätzlichen Ausbildung von Gliedmaßen / Köpfen, wobei das dann selten gut lebensfähig ist. Könnten nicht zumindest einige dieser Beispiele unter Bestrahlung (der Reproduktionsorgane vor Zeugung) häufiger vorkommen?

  4. #5 Tobias Cronert
    15. Juli 2015

    Das wäre jetzt die Sache mit den Atavismen die ich oben erwähnt hatte. Aber da braucht es halt eine Biologin, davon hab ich gar keine fundierte Ahnung.

    Die Bestrahlung von Gonaden (Keimdrüsen) ist übrigends verhältnismäßig harmlos. Die menschliche Fortpflanzung ist darauf ausgelegt, dass beschädigte Zellen gar keine lebensfähigen Nachkommen produzieren können. Ein natürlicher Abwermechanismus u.a. auch vor Strahlung.

  5. #6 Ludger
    15. Juli 2015

    Ionisierende Strahlen machen aber Embryopathien ( https://de.wikipedia.org/wiki/Embryopathie#Ursachen ) durch z.B. Hemmungsmissbildungen. Im Film wird das dann ggf. fälschlicherweise als “Mutation” dargestellt. Besonders empfindlich ist das embryonale Gehirn.

  6. #7 schlappohr
    15. Juli 2015

    “Es ist die große Hoffnung, der Kernphysiker bei extrem schweren Elementen noch mal ein stabiles Plateu zu finden […]”

    Hast Du einen Link dazu? Da würde ich gerne mehr drüber wissen.

  7. #8 Tobias Cronert
    15. Juli 2015

    Probier mal den Magische Zahlen Wikipedia Artikel und https://en.wikipedia.org/wiki/Island_of_stability
    Konkrete Paper kann ich jetzt nicht zitieren, da ich bisland immer nur mit Kernphysikern zu tun hatte, die verschiedene Kernformen abseits des Schalenmodells untersucht haben. Da müsste ich mal rumfragen gehen.

  8. #9 Tobias Cronert
    15. Juli 2015

    @Ludger: Embryos sind im Gegensatz zu Keimzellen sehr empfinglich gegenüber ionisierender Strahlung, besonders in einem bestimmten Entwicklungszeitraum.

  9. #10 schlappohr
    15. Juli 2015

    Der Link hilft mir schon weiter, den hatte ich im Magic-Number-Artikel übersehen. Danke!

  10. #11 Tobias Cronert
    15. Juli 2015

    Hier ist auch noch mal etwas: https://www.pro-physik.de/details/news/1115267/Wann_sind_Atomkerne_magisch.html

    Aber wie gesagt: Superschwere Elemente ist nicht ganz mein Gebiet.

  11. #12 strahlenbiologe
    15. Juli 2015

    Ein Beispiel wo ionisierende Strahlung benutzt wird um “gute” Mutationen zu erzeugen gibt es dennoch. In der klassichen Pflanzenzüchtung
    https://www.pflanzenforschung.de/de/themen/lexikon/mutagenese-2048
    Natürlich ist die Mutation mit IR prinzipiell immer ungerichtet, man muss also hinterher immer selektieren wie blöd.

  12. #13 kereng
    Hamburg, Germany
    15. Juli 2015

    Wie der strahlenbiologe schon sagte: Bei der Züchtung von Nutzpflanzen wurde Radioaktivität erfolgreich angewendet, um die Anzahl der Mutationen zu erhöhen. Siegfried Scherer versuchte, das lächerlich zu machen, aber irgendwo habe ich gelesen, dass bei einigen Gemüsen Produkte aus dieser Züchtung den Markt dominieren. Ich kann mich bloß nicht erinnern, wo das war und ob es um Erbsen, Soja oder Radieschen ging.