Die Zukunft für Wissenschaftlerinnen, die in Europa Neutronenstreuung benutzen, um tief in Materialien hinein zu gucken, ist gleichzeitig sehr hell und ziemlich duster. Sehr hell auf der einen Seite, weil derzeit die ESS, die Europäische Spallations-Quelle, in Lund (Schweden) gebaut wird. Die Quelle wird mit ihrer Brillianz in Größenordnungen vorstoßen, die vorher nicht erreichbar waren und (so zumindest die Hoffnung der Beteiligten) neue Phänomene sichtbar machen, die vorher nicht beobachtet werden konnten (und damit eine völlig neue Physik entdecken).

Allerdings hat die ESS (je nach Planungsstand) nur ca. 20 Instrumente, so dass lediglich eine sehr begrenzte Anzahl an Wissenschaftlerinnen überhaupt in den Genuß kommen werden, dort messen zu dürfen. Alle anderen Experimente, die nicht zu den besten und/oder vielversprechendsten ihrer Generation gehören, werden an anderen, kleineren Quellen durchgeführt werden müssen und diese Art von Neutronenquellen stirbt zur Zeit leider aus.

Dies ist dann auch direkt der Grund, warum es in Europa gleichzeitig oben hell ist und unten ziemlich duster wird. Diese Mittelflussquellen, die in Zukunft genutzt werden würden, um normale Experimente zu machen, simple Kapazität bereit zu stellen, Instrumente zu entwickeln und Nachwuchswissenschaftlerinnen auszubilden, werden nach und nach abgeschaltet, ohne dass derzeit konkrete Pläne sichtbar sind, sie durch neue zu ersetzen.

Dies liegt vor allem daran, dass die ganzen alten Quellen Forschungsreaktoren sind bzw. waren. Diese Forschungsreaktoren sind zwar nicht ganz so problematisch wie Kernkraftwerke, aber dennoch ist ihr Betrieb mit einer ganzen Menge Problemen behaftet. Eines der deutlichsten Probleme (zumindest für den Standort Deutschland) ist die Schwierigkeit, dass die Kosten ohne eine deutliche Unterstützung der Kernenergie-Infrastruktur deutlich steigen und somit für die Forschung zunehmend unrentabler werden. Daher hat (obwohl sie inhaltlich nur recht wenig miteinander zu tun haben) der Atomausstieg auch das Ende der Forschungsreaktoren in Deutschland besiegelt.

pyramide_mittel

Jacob Müller, nach einer Idee von Tobias Cronert

In dieser Zeichnung hat der talentierte Jacob Müller dies einmal in einem kleinen Bild verdeutlicht. Die Neutronenlandschaft ist aufgebaut wie eine Pyramide. Oben wird gerade an dem Leuchtturm, der ESS, gebaut, die die leuchtende Zukunft der Community symbolisiert. Diese steht auf den Schultern des ILL-Grenoble (der derzeit leistungsfähigsten Quelle), die sich wiederum auf eine User-Community aus den lokalen nationalen Neutronenquellen stützen kann. Wenn man aber nun nach links unten blickt, dann sieht man schon den DIDO-Reaktor des Forschungszentrums Jülich im Sand liegen, der 2006 abgeschaltet worden ist. Dies ist dann auch die Hauptgefahr, der sich die Neutronen-Community gegenübersieht. Denn auch wenn die Pyramide ohne den FRJ-2 noch tragfähig ist, so fehlt er sicherlich im Fundament einer solide aufgestellten Konstruktion. Außerdem sieht man schon die nächsten Steine bröckeln, denn der Orphée-Reaktor in Paris wird 2019 abgeschaltet und das Ende des BER II in Berlin folgt ein Jahr später 2020.

Die Schieflage der Pyramide wird letztendlich ein Mangel an Kapazität und Nachwuchswissenschaftlerinnen sein. Denn so toll die ESS auch ist, wird sie auf lange Zeit ihr volles Potential nur entfalten können, wenn sie von einer breiten Masse an Neutroneninfrastruktur getragen wird.

Das war das Problem und nun kommt unser Lösungsvorschlag:

Der Wegfall der Mittelflussquellen kann durch ein Netzwerk an lokalen, hochbrillianten Neutronenquellen auf der Basis von Teichenbeschleunigern kompensiert werden. Diese HBS (Hoch brilliante Neutronenquelle) kann durch Effizienzoptimierung an die Leistungsfähigkeit eines Forschungsreaktors heranreichen und kommt dabei vollkommen ohne spaltbares Material aus.

Darüber hinaus kann man dieses Prinzip auch noch weiter verkleinern und eine Neutronenquelle entwickeln, die nur noch so groß ist, dass sie von Universitäten angeschafft und betrieben werden kann. Somit wäre eine Spitzentechnologie, die bislang nur an wenigen Großgeräten zur Verfügung stand, so “salonfähig”, dass sich eine noch breitere Basis entwickeln würde.

Um bei dem Bild der Neutronenlandschaft zu bleiben, würde ich dann eben nicht mehr von einer Pyramide sprechen wollen, sondern von einem Eisberg, der um so weiter aus dem Wasser hinausragt, je größer seine Basis ist.