Seit es die Menschheit geschafft hat, Getreide zu produzieren und damit Mäuse anzulocken, lassen sich auch Katzen von uns beherbergen, füttern und als Götter verehren. Daran hat auch das Atomzeitalter nichts geändert und der geheime Plan, nach denen sich Katzen ihre Menschen und Wohnorte aussuchen, hat offensichtlich keinen Unterabschnitt für Kernreaktoren… oder aber den Katzen ist es einfach egal. So zumindest scheint es bei der Reaktorkatze von Garching der Fall zu sein, die wohl irgendwann einfach mal auf das Gelände des Forschungsreaktors FRM-2 gewandert ist und beschlossen hat, in der Neutronenhalle-Ost zu wohnen. Letzteres war auch bislang kein Problem, auch wenn es ihr eine Menge neidischer Blicke armer, überarbeiteter Doktoranden eingebracht hat, wenn sie mal wieder auf einem sauteuren Messinstrument lag und geschlafen hat.
Nun wird aber bald die Neutronenleiterhalle-Ost mit Neutronen versorgt und damit zum radioaktiven Kontrollbereich. Das heißt, dass die aktuelle Strategie der Reaktorkatze von Garching – vor der Tür maunzen, bis einer der Diener ihr aufmacht – nicht mehr funktioniert, bzw. funktionieren sollte. Das ist ein nicht unerhebliches Problem, denn der Strahlenschutz muss ja garantieren, dass keine radioaktiven Partikel nach außen gelangen können und das kann natürlich nicht davon abhängig gemacht werden, ob ihre feline Majestät heute Lust hat, die Menschheit zu verstrahlen oder nicht.
Grundsätzlich gibt es zwei Lösungsansätze: Erstens ist die Technik der Katzenklappen mittlerweile so weit fortgeschritten, dass man eine Katzenklappe mit Bilderkennungssoft- und hardware ausrüsten kann, die erkennt ob eine Katze eine Maus mit ins Haus hereintragen möchte und ihr daraufhin den Zugang verwehren. Diese Technik lässt sich natürlich auch mit einem Geigerzähler erweitern, so dass der Reaktorkatze erst der Ausgang erlaubt wird, wenn sie erfolgreich freigemessen wurde und ausgeschlossen werden kann, dass sie irgendwelche Kontamination verschleppt. Das hat natürlich einige Nachteile. Falls die Reaktorkatze irgendwann mal kontaminierte Partikel an sich hat und von der Katzenklappe aufgehalten wird, dann müsste sie ja vom Strahlenschutz erst mal dekontaminiert (also gewaschen) werden, was ja auch wieder ein nicht unerhebliches Arbeitsrisiko für die Mitarbeiter im Strahlenschutz mit sich bringen würde.
Der erste Lösungsansatz geht davon aus, dass eine Katze, wie alle Tiere in Deutschland, “vor dem Gesetz als Gegenstand gilt” und daher wie ein Gegenstand behandelt werden muss, der in den Kontrollbereich herein- und herausgebracht wird. Der zweite Lösungsansatz ist die Idee, dass man die Reaktorkatze ja als Mitarbeiter einstellen könnte und sie dann vom Strahlenschutz wie ein überwachter Mitarbeiter nach Strahlenschutz-Gesetz behandelt werden kann. Das heißt, die Reaktorkatze bekäme dann ein Personendosimeter verpasst, welches kontinuierlich überwacht, welche Dosis sie abbekommt und ihr dann (auch wieder über eine Katzenklappe) den Zutritt verwehrt, wenn sie schon zu viel Strahlung für den entsprechenden Tag oder Monat abbekommen hat. Für eine Katze im öffentlichen Dienst gibt es international genug Vorbilder, aber wie das konkret nach bajuwarischem Gesetz gehandhabt werden kann, ist wohl zur Zeit Thema weiterführender Untersuchungen. Auch müsste natürlich bestimmt werden, wie hoch eine Katzendosis pro Tag, Monat und Jahr sein darf, denn bislang ist die Strahlenschutzrichtlinie nur für erwachsene Menschen und Säuglinge ausgearbeitet und besitzt keinen entsprechenden Abschnitt für unsere tierischen Arbeitnehmer. Weiterfühend ist es bei den vorhandenen Personendosimetern wichtig, dass sie an bestimmten Positionen am Körper getragen werden, um eine verlässliche
Personendosis zuzuweisen und diese Positionen könnten bei Katzen eher schwierig werden (Brusttasche des Kittels), so dass die Berechnung der Personendosis aufgrund anderer Gewichtungsfaktoren erfolgen muss (falls die gleichen Dosimeter benutzt werden). Andere Handlungsanweisungen für Kontrollbereiche müsste man dann ggf auch noch mal mit der Reaktorkatze besprechen. Ich meine “nicht essen und nicht trinken”, sollte kein Problem sein, weil es da eh nichts zu essen und trinken gibt. Kein Makeup sowieso, aber schon bei der Fellpflege sehe ich Schwierigkeiten und spätestens beim “Händewaschen” nach dem Herauskommen wird wohl Handlungsbedarf bestehen. Aber soweit ich weiß, gibt es diese Katzenklappen ja auch mit eingebauten Bürsten. Überschuhe für die Katze zu finden sollte schwierig, aber machbar sein.Ein kleines Problem könnten noch die Sperrbereiche werden, die in der Regel mit Zäunen/Gittern abgetrennt sind, welche zwar japanische und deutsche Kollegen aufhalten, bei italienischen oder professoralen Arbeitskräften aber schon an ihre Grenzen stoßen und der Reaktorkatze sicher nicht mal ein müdes Schulterzucken entlocken. Aber wenn ich mich recht erinnere, dann wird es in der ganzen Halle-Ost bauartbedingt keine Sperrbereiche geben, weil alle Instrumente von sich aus geschlossen sind… ich glaube da muss ich noch mal nachhören. Falls nicht, dann wäre das durchaus ein Problem. Aus den Anfängen des FRM-1 von Jahrzehnten wurde noch berichtet, dass von Zeit zu Zeit der Neutronenstrahl abriss, wenn eine Kuh durch den Strahl marschiert ist. Den armen Kühen kann man da jetzt keinen Vorwurf machen oder bösen Willen unterstellen, aber eine Katze würde sich sicher … zumindest die Option offenhalten einen armen Doktoranden zu sabotieren, den sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht ausstehen kann.
Fotos von Alexandra Steffen, Thomas Michalski oder mir
Katzen in der Physik:
Kommentare (51)