Vor kurzem hatte ich einer Schülerin der 10ten Klasse aus dem benachbarten Lüttich in Belgien ein Interview zum Thema “Wie ist das Leben denn so als Physiker?” gegeben – unter der Bedingung es nachher auf SB veröffentlichen zu dürfen.

Sie hatte mich hier im Forschungszentrum besucht und nach einer kleinen Führung haben wir uns einfach spontan hingesetzt und ich habe frei heraus erzählt ohne vorher irgendwelche Fragen zu kennen oder mir Antworten zurecht zu legen. Als sie mir nachher die Abschrift zugeschickt hat, war ich zugegebenermaßen etwas schockiert. Zum einen aufgrund der informellen Sprache, der ich mich offenbar bedient hatte und zum anderen wegen der doch schon recht persönlichen Informationen, die ich über mich preisgegeben habe.

Daher habe ich tatsächlich längere Zeit mit mir gerungen, ob und falls ja, in welcher Form ich dieses Interview denn überhaupt veröffentlichen soll. Ein deutlicher Aspekt war die Fragestellung, wieviel private informationen ich hier preisgeben möchte. Eigentlich wollte ich schon länger für mich mal eine persönliche privacy policy erstellen, bin aber bislang leider noch nicht dazu gekommen. Ich habe mich letztendlich dazu entschlossen das Interview ungeschnitten und ungekürzt hier reinzusetzen. Transparenz erfordert zwar einiges an Mut, aber bislang bin ich damit immer sehr zufrieden gewesen und habe eher davon profitiert, ein authentisches Bild abzugeben.

Dennoch möchte ich mich hier schon vorab für meine Sprache entschuldigen, die in der Abschrift dieses Interviews doch sehr von meiner Schriftsprache abweicht und an mehr als einem Punkt meine rheinländischen Wurzeln erkennen lässt.

Wie sind sie dazu gekommen Physiker zu werden, so jetzt vom Anfang an bis jetzt, hier?

Von Anfang an? Ich habe Physik studiert, weil ich es nicht konnte. (lachen) Das ist tatsächlich die ganz einfache Variante. In meiner Schulausbildung hatte ich viel Biologie und Chemie. Ich war schon immer naturwissenschaftlich sehr begeistert und hab mich sehr für meine Umgebung interessiert. Meine Mutter erzählt immer, wie ich als kleines Kind im Garten rumgerannt bin und irgendwelche Viecher eingefangen und irgendwelche verschiedene Erden eingetopft habe, weil ich unbedingt wissen wollte wie die Sachen aussehen und ich immer schon sehr neugierig gewesen bin.

Das heißt, Naturwissenschaften, das war immer mein Ding solang ich mich erinnern kann.

In meiner Schule hatte ich ein halbes Jahr lang Physikunterricht, mehr nicht und deswegen habe ich mich entschieden, Physik zu machen.

Eigentlich wollte ich Medizin studieren, war dann in der Feuerwehr als Rettungssanitäter und habe gesehen wie Mediziner im Alltag arbeiten. Danach habe ich beschlossen: Mö, das will ich nicht! (lachen)

Daraufhin wollte ich unbedingt Naturwissenschaften machen, weil es meine große Leidenschaft ist, irgendwas zu erforschen. Ich hab gesagt: Biologie, Chemie nö, das kann ich schon, das habe ich schon in der Schule gemacht. Von Physik hab ich keine Ahnung. Lass uns das mal machen.

Und heute? …

Ja, Physik ist die beste Naturwissenschaft überhaupt.

Na, Chemie ist angewandte Physik. Chemie ist nichts anderes als die Physik der äußeren Atomhülle.

Und Biologie ist nichts anderes als angewandte Chemie: Wie verhalten sich Proteine? Wie verhalten sich Aminosäuren? Wie verhalten sich komplexe chemische Systeme? Das ist Biologie!

Effektiv ist also alles Physik!

Physik ist die grundsächliche Naturwissenschaft. Das sind die grundsächlichen Dinge um die Welt zu verstehen oder um es mit Goethe zu sagen: „Zu erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält.“ (lachen)

Und wo hast du dann studiert, in Köln dann?

Ja, ich hab in Köln studiert. Ich komme aus Köln, bin ein gebürtiger Kölner. Da konnte ich dann in der Wohnung von meinen Großeltern wohnen ohne Miete bezahlen zu müssen. Das war dann relativ einfach.

In Deutschland gibt es keinen großen Qualitätsunterschied zwischen den Physikstudiengängen an unterschiedlichen Universitäten. Ich wurde oft gefragt, zu welcher Uni in denn raten würde und da muss ich immer sagen: Es gibt keinen wirklich großen Unterschied. Kleine Unterschiede schon, aber es ist jetzt nicht wie in den USA, wo du zehn Eliteunis hast und der Rest nur noch in der Statistik auftaucht. In Deutschland ist die Hierarchie einfach ziemlich flach zwischen unterschiedlichen Universitäten.

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Kommentare (22)

  1. #1 roel
    no gods, no kings, no courts
    26. Oktober 2017

    @Tobias Cronert Nettes Interview, ich finde es besser als ein hochglanzpoliertes.

    Auf den Link zur Beamtenbesoldung kannst du aber entweder verzichten (du nennst dein Gehalt ja eh), oder ihn eben schnell korrigieren.

    Das Gehalt wäre für mich das persönlichste in dem Interview, weil es von vielen als Indikator angesehen wird.

  2. #2 tomtoo
    26. Oktober 2017

    Das war ja ne ganze Unglückskette ; )

    Aber wie sagt man so schön. Wo gehobelt wird fallen Späne

  3. #3 RPGNo1
    26. Oktober 2017

    @Tobias
    Musst du dir jetzt einen Pressereferenten suchen, der deine Interviews dann prüft und nötigenfalls alle Ecken und Kanten rausstreicht?
    Oder gedenkst Schulungen zu besuchen, damit du zukünftig echtes nichtssagendes Prominentensprech anwenden kannst? 😉

  4. #4 Mars
    26. Oktober 2017

    ist alles ok so,
    und es gibt auch ingenieure die keine 3000 euro verdienen, der aber die freude an der arbeit weit wichtiger ist – wobei das natürlich eher eine lebenseinstellung als berufsbezogen gilt.
    das geld allein macht zwar etws unabhängiger, aber es gibt viele, die damit auch nicht glücklich werden, wenns mal ein wenig mehr ist.
    dann lieber 18 semester als student mit freude, als muffelig bei der arbeit sitzen.

    interessant ist ja noch folgendes:
    Du – als Physiker – sagst, alles ist Physik, die ganze welt dreht sich da drum.
    gestern lief bei BR alpha ein interview mit ‘Florian Freistetter’ der das gleiche von den Astronomie behauptet hat …. wenn das nicht mal ein schöner blick ins ‘paralelluniversum’ darstellt.

  5. #5 tomtoo
    26. Oktober 2017

    @Mars
    Ach der @FF hatt da bestimmt über Astrophysik gesprochen und nicht über diese lausige Astronomie. ; )

    wusch…und..wech

  6. #6 T-Truckle
    26. Oktober 2017

    Als ich gestern das Interview mit Florian Freistetter sah, kam mir derselbe Gedanke wie @Mars. Aber ich denke mal, jeder Naturwissenschaftler wird wohl “seine” Disziplin als die grundlegende betrachten.

  7. #7 Tobias Cronert
    26. Oktober 2017

    @roel: Danke. Ich hab ihn mal verschlimmbessert

    Mein Lehrer in der 5ten Klasse sagte mal, dass ich sicher Politiker werden würde. Ich sehe das immer noch als Beleidigung, denn nichtssagendes Geschwurbel finde ich unglaublich hässlich. Naja OK die Alternative wäre ein Donald Trump Verschnitt zu werden oder keine einzige Stimme zu bekommen. Hm … dann nehm ich wahrscheinlich Option Nr. 3

    Ansonsten machen Florian und ich doch dasselbe … nein, ehrlich *g*
    Dies hier ist eine original Messung aus meiner Diplomarbeit. Ein guter Kumpel von mir hat in der Astrophysik über Galaxie Spiralarm *hierbittekryptischeZeicheneinfügen* geschrieben und seine Messung an dem Teleskop in Chile sah genauso aus.

  8. #8 tomtoo
    26. Oktober 2017

    @Tobias
    Wenn die Messung *genau so* ausgesehen hat. Würde ich mir mal Gedanken machen. ; )

  9. #9 Tobias Cronert
    26. Oktober 2017

    naja, die Überschrift und die Zahlen waren schon ein wenig anders, aber sonst … 😉

  10. #10 wereatheist
    26. Oktober 2017

    Nicht ohne Grund wird sowas ‘Normalverteilung’ genannt 🙂

  11. #11 Walter Benda
    Bochum
    26. Oktober 2017

    Alles klar! Wenn ich das so lese, dann muss ich dringend mal gucken ob deine Haftpflicht noch angemessen ist. 😉

  12. #12 Tobias Cronert
    27. Oktober 2017

    Hihi, dass interview hatten wir schon vor einiger Zeit gemacht. Ich erzähle dir bei nächster Gelegenheit (Weihnachtsfeier?) mal, was wir seit dem noch so gemacht haben *g*

    Ich denke ich habe Sachen und Tätigkeiten gefunden, die selbst du nicht mehr versichern kann. 😉

  13. #13 Alderamin
    27. Oktober 2017

    @Tobias

    Ich kann übrigens von zu Hause fast zu Euch rüberwinken (wohne ca. 15 km ruraufwärts. ) War noch am Wochenende zuletzt mit dem Fahrrad auf Eurer Zufahrtstraße unterwegs.

    Früher gab es hin und wieder mal Tage der offenen Tür am FZ. Gibt’s die eigentlich noch? Fand ich immer extrem interessant, mal in die Institute reinschauen zu dürfen, vor allem Textor und das Rechenzentrum mit dem Superrechner.

  14. #14 Tobias Cronert
    27. Oktober 2017

    Jup, den letzten Tag der offenen Tür hatten wir letztes Jahr zum 60jährigen.
    https://www.tagderneugier.de/tagderneugier/DE/Home/home_node.html

    Keine Ahnung, wann der nächste ist, aber ich werde es sicher wieder hier posten. Wahrscheinlich alle 4 Jahre.

    Den Textor gibt es aber leider nicht mehr, da steht nur noch eine leere Halle mit einem großen Loch im Boden … aber wenn alles glatt geht, dann steht in der Halle mein JAIME Teilchenbeschleuniger als HBS Prototyp.

    Wo wir gerade dabei sind: Hätte jemand 10M€ für mich?

  15. #15 Alderamin
    27. Oktober 2017

    Oh Mist, also gerade verpasst. 🙁 Schade, dass ich Deinen Blog da noch nicht kannte.

    Gibt’s denn nach Textor noch Fusionsforschung in Jülich? Kann man die Plasma-Wand-Wechselwirkung auch mit dem Teilchenbeschleuniger erforschen, oder findet das jetzt komplett anderswo statt?

    1 Cent hätte ich noch im Portemonnaie, soll ich den überweisen? 😉

  16. #16 Tobias Cronert
    27. Oktober 2017

    Jup, Fusionsforschung wird noch (bzw. vor allem) mit Teilchenbeschleunigern gemacht. Das geht vor allem in den Bereich der Materialforschung, wo Nano Beryllium/Wolfram Schichten mit Ionenstrahlen bombardiert werden um die Extremsituationen in einem Fusionsreaktor nachzuvollziehen.

    Hihi, ich war gestern in der alten TEXTOR Halle bei einem Workshop zu unserem Kollaborationsprojekt mit den Fusionsleuten https://scienceblogs.de/nucular/2017/10/17/jaime-projekt-und-workshop/

    Ich werde die Tage sicher mal was drüber schreiben.

    Ansonsten 1 Cent ist ja schon mal ein Anfang. Ich werde wohl bald mal ein Crowdfunding Projekt starten müssen *g*

  17. #17 Fluffi
    27. Oktober 2017

    Intelligente Fragen – interessante Antworten.
    Auch, wenn ich mit den meisten nicht konform gehe – als Physiker.
    Eine 3/4 Stelle für einen Doktoranden ist schon ungewöhnlich, und das hat nichts mit Physik zu tun.
    Das mit den gutbezahlten Stellen in der Wirtschaft hält ich ja für ein Gerücht, es gibt sie vielleicht, aber nicht für alle.

  18. #18 Alderamin
    27. Oktober 2017

    @Tobias

    Ansonsten 1 Cent ist ja schon mal ein Anfang.

    Könnte schwören, da stand eben noch 10m€, wo jetzt 10M€ steht 😉 Nee, so viel hab’ ich dann (leider) doch nicht.

  19. #19 Tobias Cronert
    27. Oktober 2017

    Tja, Leute, die die Caps-Taste nicht finden sind halt (notgedrungen) billig. 😉

    Aber dafür habe ich ja die allmighty admin-Gewalt… zumindest über meine eigenen Beiträge.

    @Fluffi: Also 3/4 für Physiker Doktoranden ist zumindest in der Festkörperphysik normal. Zumindest in den Universitäten und Forschungszentren, die ich kenne. Es gibt auch volle oder halbe Stellen, aber das ist eher die Ausnahme. Förderprogramme für extrem gute Doktoranden werden auch eben meist mit extra Fördermitteln begangen und nicht mit einer besser einsortierten Stelle.

    Die Ingenieure in der R&D bei Ford, mit denen ich gearbeitet habe, hatten zumindest ein recht ansehnliches Gehalt (wie oben beschrieben). Natürlich hat das keine Aussagekraft für den Durchschnitt, aber ich rede ja auch nur von “meiner Welt”.

  20. #20 Fluffi
    27. Oktober 2017

    @TC
    Wirst du über ein Förderprogramm oder ein Projekt gegenfinanziert? Kriegst du dein Gehalt von der Uni oder vom FZ Jülich?

  21. #21 Tobias Cronert
    27. Oktober 2017

    Ich bekomme mein Geld direkt vom FZ-Jülich, also aus Bundesmitteln, also vom Steuerzahler – Danke an dieser Stelle.

    Das gilt auch für die meisten meiner Doktoranden-Kollegen. Wir sind jeweils einzelnen Programmen oder Budgets zugeordnet, aber das sind nur FZ-Interne Programme. Keine Drittmitten, DPG oder BMBF-Geschichten (die gibt es natürlich auch noch oben drauf (auch im Institut)).
    Ähnlich hätte es an der Uni-Köln für mich auch ausgesehen, wobei da die Stellenkegel der einzelnen Lehrstühle natürlich schon ein Stück schmaler sind und mehr über Exzellence Cluster, SFBs usw. gemacht wird.

    Biologie Doktoranden bekommen am FZ allerdings (im Durchschnitt) nur eine halbe Stelle. Angebot und Nachfrage halt.

  22. #22 fherb
    28. Oktober 2017

    Vielen Dank, dass Du das Interview so roh gelassen hast. Moderne Medien (und da gibt es noch ganz wenige von; mir fällt ausser Blogs bloß netzpolitik.org ein) basieren im Vertrauen des Lesers auf Transparenz. Dieser Beitrag von Dir liegt also im positiven Trend!

    Ich arbeite als Ingenieur in der Wissenschaft. Habe glücklicherweise seit einigen Jahren eine volle Stelle, verdienen aber trotzdem nicht das, was in der Industrie möglich ist. Dafür habe ich aber ein tolles, kreatives Team von Ingenieuren um mich und wir bauen für die Institute unseres Forschungszentrums, was es an absonderlichen Experimentalanordnungen so zu bauen gibt. Oft grenzwertig, wie Ihr Physiker halt seid, aber mit der gleichen Begeisterung! Auch in meiner Position als Ingenieur, wo ich nur “Zulieferer” für Euch bin, kann ich Deinen Enthusiasmus nicht nur nachempfinden. Ich selbst spüre ihn genau so. Würde meinen Job mit niemandem tauschen wollen!

    Beste Grüße, Frank (meine Dienstelle: http://www.HZDR.de)