Helium 3 ist nicht nur der Treibstoff, der die Flugscheiben der Mondnazis in dem genialen Film “Iron Sky” antreibt, sondern auch Physiker wie ich, würden davon gerne möglichst viel in die Finger bekommen. Leider stammt der Großteil der weltweiten (terrestrischen) Produktion aus amerikanischen Atomwaffen und nach dem 11. September knausern die damit rum wie die Chinesen mit den Pandabären, was bei meinen Kollegen zu einem fundamentalen Umdenken in der Detektortechnik geführt hat.
Aber erst einmal ruhig mit den bunten Schlagwörtern und fangen wir genüsslich von vorne an. Das normale Helium ist Helium 4 (also zwei Protonen und zwei Neutronen) und man kann es in der Erdatmosphäre und in Gas und Ölblasen finden. Es ist mit ca. 10€ pro Liter Flüssiggas zwar auch nicht ganz billig, aber dennoch ein normaler Werkstoff, mit dem ich fast täglich umgehe. Helium 3 dagegen besteht nur aus zwei Protonen und einem Neutron, ist dafür aber extrem selten und in der Physik auch seeeeeehr nützlich. Deswegen wäre ein Liter flüssiges Helium 3 nahezu unerschwinglich (naja, ca. eine halbe Million) und für einen roten Gasballon voll würden schon mal 10.000€ bezahlt werden. He3 ist genauso wie He4 stabil und nicht radioaktiv.
Die Mondnazis betreiben ihre Flugscheiben damit, weil bei der Kernfusion von zwei He3-Kernen kein freies Neutron produziert wird und somit ein solcher Fusionsreaktor keine schwere Abschirmung bräuchte. Ideal also, um es in ein Flugzeug oder ähnliches als Energiequelle einzubauen. Zwar sind die Temperaturen für die He3-Fusion noch mal ein Stück höher als für die “normale” Fusion, aber grundsätzlich ist das durchaus machbar und gerade die Pyrofusion mit Kristallen, die bei Temperaturwechsel ein starkes elektrisches Feld erzeugen, gibt da doch durchaus Hoffnung, dass das irgendwann einmal umgesetzt werden könnte.
Obwohl mir als Neutronenphysiker die Pyrofusion recht nahe liegt, benutzen wir Neutronen- und Festkörperphysiker das Helium 3 für ganz andere Sachen. Das He3 ist im Gegensatz zu dem bosonischen He4 nämlich ein Fermion, hat einen Spin ½ und dadurch auch wesentlich andere Siedepunkte (ca. 3K statt den 4K des He4). Damit kann man sog. Mischkryostate bauen, die eine Probe mit einer geschicken Mischung aus den beiden He-Isotopen nicht nur auf ca. 2K abkühlen können (wie normale He4 Kryostate), sondern sogar auf 0,001K und manchmal sogar noch darunter. Wenn man nun bedenkt, dass das Universum (fast) überall 3K warm ist, ist das schon eine tolle Leistung.
Aber die weltweite He3-Knappheit sind eigentlich auch wir Neutronenpysiker schuld – bzw. die amerikanische Paranoia nach dem 11. September. Denn He3 kann super Neutronen einfangen und eignet sich somit ideal als Detektorgas, wie ich ja schon einmal berichtet hatte, als ich von meinem netten Detektor-Array erzählte. Nach dem 11. September hatten die Amerikaner große Angst, dass Atom- oder schmutzige Bomben ins Land geschmuggelt werden könnten und haben daher an jedem (Flug)Hafen enstprechende Kontrollstationen mit Neutronengeneratoren und Detektoren gebaut, um Kernbrennstoff aufzuspüren, den jemand in einem Überseecontainer ins Land schmuggeln will. Dafür haben sie annähernd das ganze weltweit zur Verfügung stehende He3 benutzt und damit den Markt quasi trockengelegt.
Das war auch für die Amerikaner kein großes Problem, denn sie sind sowieso nahezu die einzigen auf der Welt, die in nennenswerten Mengen He3 verkaufen. Denn so gut wie alles He3 kommt aus amerikanischen Atombomben. Ja, grundsätzlich kommt He3 auch in einem sehr geringen Prozentsatz (0,0001%) in natürlichem Helium vor, aber mit Abstand das meiste kommt aus dem Zerfall von Tritium. Tritium ist radioaktiv und zerfällt mit einer Halbwertszeit von ca. 12 Jahren in He3, das dann vollkommen stabil ist (naja, bis es dann ein Neutron einfängt). Tritium wird in modernen Atombomben eingesetzt, um die Wirkung zu erhöhen, aber der Tritiumvorrat in der Bombe wandelt sich halt langsam in He3 um, so dass die Sprengkraft mit der Zeit abnimmt. Daher muss das He3 alle paar Jahre abgelassen und durch frisches Tritium ersetzt werden … oder kurz gesagt: Atombomben brüten He3 aus.
Um jetzt der He3-Knappheit entgegenzuwirken, könnte der geneigte Neutronenphysiker zum Mond fliegen und dort welches abbauen (angeblich soll es da durch Sonnenwinde und andere kosmische Strahlung besonders viel davon geben) oder, solange der Chef die Reisekosten nicht genehmigt hat, Detektoren aus anderen Materialien bauen. Zweiteres ist auch in den letzten 10 Jahren immer wieder geschehen und die erfinderische Not hat Li-, Bor- und Gadolinium-Detektoren und wavelength-shifting fibers hervorgebracht, über die ich auch noch mal in Länge in meiner Detekotrenecke herziehen muss.
Das hilft den Kollegen, die He3 als Spinfilter respektive Polarisator benutzen, genausowenig wie den Tieftemperatur-Physikern, aber dann müssen die halt zum Mond fliegen oder sich etwas besseres ausdenken. Auf jeden Fall steht He3 ganz weit oben auf der Liste derjenigen, die Bergbau im All nicht nur in Science Fiction-Büchern sehen wollen, sondern dem ganzen eine echte Chance einräumen. Zusätzlich zu irgendwelchen Diamantenminen wäre He3 eines der Produkte, für den sich der Transport überhaupt (in absehbarer Zeit) lohnen könnte. Vor allem, wenn die Fusionstechnik einmal so weit ist kompakte, praktikable Reaktoren bauen zu können, dann wird das ganze sicher noch seeehr interessant werden und nicht nur Flugscheiben in Kinofilmen antreiben.
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